
Was bereits im real existierenden Sozialismus nicht funktioniert hat, soll jetzt den Volkswirtschaften der Europäischen Union (EU) auf die Beine helfen. In der vergangenen Woche haben die EU-Finanzminister über die Details eines über drei Jahre angelegten Wirtschaftsplans entschieden. Kernstück dieses Plans ist ein bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) angesiedelter Europäischer Fonds für strategische Investitionen (EFSI). Der Fonds wird mit 21 Milliarden Euro ausgestattet. Davon kommen fünf Milliarden Euro von der EIB und 16 Milliarden in Form von Garantien aus dem EU-Haushalt. Mit dem Verlustpuffer von 21 Milliarden Euro sollen private Investoren ermutigt werden, Geld zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten locker zu machen. Insgesamt soll eine Investitionssumme von 315 Milliarden Euro zusammenkommen. Innerhalb von drei Jahren erhofft sich Brüssel so die Schaffung von mindestens einer Million neuen Arbeitsplätzen.
Die wichtigsten Aspekte des Investitionsprogramms
Die Investitionen in den 28 EU-Ländern sind mit der Finanzkrise dramatisch eingebrochen. Heute liegen sie rund 15 Prozent unter dem Vorkrisenstand. Damit fehlen Europas Wirtschaft im Vergleich zu 2007 jährlich hunderte Milliarden Euro. Die Folge: Vor allem Staaten im Süden Europas leiden weiter unter massiver Arbeitslosigkeit. Fünf Millionen junge Menschen unter 25 Jahren sind in Europa ohne Job.
Ein neuer Fonds für strategische Investitionen wird mit 21 Milliarden Euro ausgestattet. Dadurch könnte die Europäische Investitionsbank (EIB) laut Juncker Kredite von 63 Milliarden Euro vergeben - also drei Mal so viel. Privatinvestoren sollen dann durch ihre Beteiligung an den Projekten weitere 252 Milliarden Euro beisteuern. Damit würde die Ursprungssumme um den Faktor 15 auf 315 Milliarden Euro "gehebelt".
Die EU-Kommission geht davon aus, dass der Plan von 2015 bis 2017 zwischen 330 und 410 Milliarden Euro zu Europas Wirtschaftsleistung beisteuern kann. Binnen drei Jahren könnten demnach 1,0 bis 1,3 Millionen Jobs geschaffen werden. Starten soll der Fonds Mitte 2015.
Die EU-Kommission will insbesondere Projekte in den Bereichen Verkehr, Internet, Energie, Klimaschutz, Bildung und Forschung fördern. Ein Teil der Mittel soll an kleine und mittlere Firmen fließen, die anders als Großunternehmen oft Schwierigkeiten haben, am freien Markt Kredite zu bekommen.
Ja. Sie haben bereits "Wunschlisten" mit 2000 Projekten im Gesamtwert von 1,3 Billionen Euro für das Investitionsprogramm eingereicht. Deutschland meldete 58 Projekte für 89 Milliarden Euro an: Sie reichen von Autobahnbrücken über ein Flüssiggasterminal und die Anbindung von Windparks ans Stromnetz bis zum Ausbau von Breitbandnetzen. Kritik löste aus, dass mehrere Staaten auch den Bau oder die Modernisierung von Atomkraftwerken fördern wollen.
Da die Summe der angemeldeten Projekte das vorgesehene Fondsvolumen weit übersteigt, muss strikt ausgewählt werden. Was gefördert wird und was nicht, soll ein Gremium aus Vertretern der EIB und Experten entscheiden. "Es wird keine Zuweisung oder Quoten nach Sektoren oder Geografie geben", sagt Juncker. Deutschland fordert eine Auswahl nach "Wirtschaftlichkeit". Juncker will aber auch "risikoreichere Investitionen" fördern. Denn die würden "insbesondere den Ländern zugute kommen, die am stärksten von der Krise getroffen wurden".
Ja. Juncker wirbt dafür, dass auch die EU-Länder Gelder in den Fonds einzahlen, was seine Schlagkraft nochmals erhöhen könnte. Der Kommissionschef lockt mit dem Versprechen, die Gelder nicht bei der Berechnung der Haushaltsdefizite anzurechnen. Juncker zufolge haben einige Länder Interesse signalisiert, konkrete Zusagen gibt es aber noch nicht. Offenbar halten sich die Regierungen zurück, bis Juncker im Januar die konkrete Arbeitsweise des Fonds und die Kriterien für seine Projekte vorstellt.
Die Kommission schließt Verluste nicht aus. Denn der Investitionsfonds soll auch Projekte fördern, die nach den üblichen Kriterien der Europäischen Investitionsbank als zu riskant gelten. Das Geld würde dann letztlich bei Europas Steuerzahlern verloren gehen.
Passend zur zentralplanerischen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) reiht sich der von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im November initiierte Investitionsfonds nahtlos in eine lange Liste europäischer Wachstumsprogramme und Machbarkeitsfantasien ein. Allen gemeinsam war die Utopie von einer rosigen und kollektiv gelenkten Zukunft – allesamt sind sie gescheitert. Man erinnert sich vage an die optimistischen Berechnungen zu den Produktivitätsgewinnen und Wachstumsvorteilen durch die Errichtung eines europäischen Binnenmarktes (Cecchini-Bericht). Schon vergessen sind die im Zusammenhang mit der Europäischen Währungsunion erstellten Studien, die aus der Beseitigung des Währungswettbewerbs alle möglichen Vorteile und Gewinne versprachen. Die Wirklichkeit ist ernüchternd und ähnelt dem, was im angelsächsischen Sprachraum mit "The-winner-takes-it-all-market" bezeichnet wird - mit Deutschland als Gewinner. Stopp! Es gab noch die Lissabon-Strategie von 2000. Sie sollte die EU bis 2010 "zum wettbewerbsstärksten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt" machen. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man glatt darüber lachen. Wachstum per Dekret hat eben noch nie funktioniert in Europa.
Ökonomisch rentable Projekte werden auch für den EU-Investitionsfonds Mangelware bleiben. Das zeigen schon die nicht eingesetzten Gelder aus den Struktur- und Kohäsionsfonds der EU. Seit 2007 hat Italien zum Beispiel 21 Milliarden Euro zugeteilt bekommen, davon aber nur zwölf Milliarden Euro ausgegeben. Tschechien kann mit fünf Milliarden Euro nichts anfangen, Rumänien mit vier Milliarden Euro. Wenn diese Gelder ausgegeben werden, dann oft für politisch motivierte Projekte unter Beteiligung der lokalen Mafia und heftigen Schmiergeldzahlungen.
Dennoch: Man wird gewiss Wege finden, die Gelder für den Investitionsplan aufzutreiben und zu verteilen. Dafür garantiert schon die anteilige Haftung der Steuerzahler und die Auswahl der Projekte unter Aufsicht der EU-Kommission und der EIB. Die EIB möchte ihre Aufgabengebiete gerne ähnlich aggressiv erweitern wie es zuletzt der EZB gelungen ist. Pierre Moscovici, ehemals erfolgloser, sozialistischer Finanzminister in Frankreich und heute Währungskommissar in Brüssel, braucht als oberster Aufseher für den Investitionsplan unbedingt einen "Erfolg" für seine weitere politische Karriere.
Derzeit stehen 2000 Investitionsprojekte im Gesamtwert von rund 1.300 Milliarden Euro zur Auswahl. Die Finanzierung wäre im Ernstfall auch kein Problem: Die EZB kauft Staatsanleihen und die nationalen Förderbanken wie die KfW springen ein. In der vergangenen Woche soll die EZB auch Anleihen der KfW gekauft haben, meldete der Börsendienst Bloomberg. Auf die privaten Gelder kann kurzer Hand also auch verzichtet werden. Der Wettlauf um die Gelder hat bereits begonnen. Spanien hat bereits 60 Milliarden Euro für Projekte in den Bereichen Transport, Energieübertragung und Forschung und Entwicklung beantragt.
EU-subventionierte Investitionsprojekte lassen sich am besten aus dem Flugzeug besichtigen. Straßen ins Nirgendwo wie in Kalabrien oder Flughäfen ohne Passagiere. Ohne EU-Gelder wäre der rasante Aufstieg von Billig-Airlines wie Ryanair oder Easyjet wohl kaum möglich gewesen. Laut Airports Council International, dem führenden internationalen Dachverband der Flughafenbetreiber, gibt es in Europa rund 80 Flughäfen mit weniger als einer Million Fluggästen pro Jahr. Wegen der geringen Auslastung machen drei Viertel dieser Flughäfen Verluste. Polen etwa hat von der EU zwischen 2007 und 2013 rund 616 Millionen Euro für den Ausbau seiner Luftfahrtinfrastruktur erhalten. Gut 100 Millionen Euro wurden in den Bau von drei Geisterflughäfen gesteckt, unter anderem in den unlängst fertig gestellten Flughafen in Lodz. Jetzt muss das Land weitere Millionen einsetzen, um dort Fluggesellschaften zur Landung zu bewegen.
So zieht eine Subvention die nächste nach sich. Man darf gespannt sein, welche Projekte Polen mit den 82 Milliarden Euro in Angriff nehmen wird, die dem Land in den nächsten sieben Jahren von der EU zufließen. Vielleicht kann EU-Ratspräsident Donald Tusk Auskunft geben.