EU-Kommission Junckers umstrittener Topbeamter Selmayr bekommt einen Orden

Der ehemalige EU-Generalsekretär Martin Selmayr. Quelle: dpa

Martin Selmayr musste als mächtiger Generalsekretär der EU-Kommission gehen, weil er seine eigene Beförderung organisiert hatte. Nun verleiht ihm Österreich eine hochrangige Auszeichnung.

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Es war eine unerwartete Wende in Martin Selmayrs steiler EU-Karriere, als er im Juli seinen Posten plötzlich verlassen musste. Jahrelang lenkte der deutsche Jurist als wichtigster Berater von Jean-Claude Juncker die Geschicke der EU-Kommission und fühlte sich dabei zunehmend unantastbar. Doch vor der Brüsseler Sommerpause setzten Abgeordnete der Unionsfraktion seinen Abschied durch, weil ihnen sein Treiben zu weit ging. Vor allem die Art und Weise, wie er sich selbst zum Generalsekretär befördert hatte, sorgte im Europäischen Parlament für Ärger. Seine Gegner nutzten die Wahl von Ursula von der Leyen zur neuen EU-Kommissionspräsidentin, um ihr das Versprechen zu entlocken, Selmayr gehen zu lassen.

Für den geschassten Top-Beamten gibt es nun einen kleinen Trost. Kommende Woche verleiht die Republik Österreich dem Juristen einen Orden. Das Große Silberne Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich ist immerhin die dritthöchste Auszeichnung, die das Land zu vergeben hat. Selmayr wird den Orden am Dienstag in Brüssel in Empfang nehmen.

Pikant: Als die österreichische Regierung die Auszeichnung beschloss, konnte sie nicht wissen, dass Selmayr zwischenzeitlich aus dem Amt gejagt werden würde. In Wien wollte man die Auszeichnung nicht zurückziehen. Ohne Gesichtsverlust wäre das ohnehin nicht möglich gewesen. Und eigentlich passt der Orden: Selmayr tritt ab November einen neuen Posten an, just als Leiter der EU-Delegation in Wien.

Der umstrittene Jurist bekommt den Orden für seine Verdienste um Österreich während der Präsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018. Selmayr hat damals gemacht, was er gut kann: hinter den Kulissen Deals schmieden. Selmayr habe wichtige Vorarbeit für Kompromisse geleistet, heißt es von österreichischer Seite lobend. Die österreichische Ratspräsidentschaft hatte etwa Bankengesetzgebung abgeschlossen und eine Grundsatzeinigung zur EU-Küstenwache erzielt.

Selmayrs Auszeichnung kommt zu einem interessanten Zeitpunkt – und zwar in dem Moment, in dem sich in der Kommission selbst Beamte, die ihm nicht gewogen waren, zurücksehnen nach der Ordnung, die er geschaffen hat. Zu Zeiten von Martin Selmayr wäre es undenkbar gewesen, dass Europaabgeordnete die französische Kommissaranwärterin zurückweisen, heißt es beispielsweise. Der Abschuss von Sylvie Goulard im Europäischen Parlament hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verärgert und belastet nun sein Verhältnis zu Ursula von der Leyen noch vor deren Antritt als EU-Kommissionspräsidentin.

Mit seiner schroffen Art hatte sich Selmayr viele Feinde in der EU-Kommission gemacht. Betroffene berichten, wie er zum Sadisten mutierte, wenn er mit einer Leistung nicht zufrieden war. Wenn Beamte ihm etwa mitteilten, dass ein angefordertes Papier nicht sinnvollerweise binnen einer Woche verfasst werden könne, verkürzte er die Frist. Beamte erinnern sich, dass er das Prinzip der Gegenseitigkeit nicht ernst nahm. „Er hatte keinerlei sozialen Bedürfnisse“, so ein Beamter.

In der Übergangszeit von Jean-Claude Juncker zu Ursula von der Leyen wird allerdings auch deutlich, dass er der Organisation mit 30.000 Mitarbeitern eine klare Richtung vorgab, die nun fehlt. Beamte berichten, wie sich von der Leyen abschottet. Das fensterlose Schlafgemach, das im 13. Stockwerk des Hauptsitzes der EU-Kommission entsteht, wird zum Symbol.

Anders als Selmayr, der vor fünf Jahren vor dem Amtsantritt Junckers mit seinen Mitarbeitern den Kontakt zu den Vorgängern suchte, hat sich von der Leyen bisher nicht für eine Übergabe vom Vorgängerteam interessiert. Als Selmayrs Nachfolgerin an der Spitze des Generalsekretariats will die Niedersächsin seine bisherige Stellvertreterin installieren, die Lettin Ilze Juhansone. Sie gilt jedoch als schwach.

Selmayrs weitere Karriere wird von vielen in Brüssel mit Spannung verfolgt. Sein neuer Job in Wien passt nicht recht zu seinem Ehrgeiz und kann einem Arbeitstier wie ihm nicht das nötige Tagespensum verschaffen. Österreichische Ministeriale witzeln, dass ihr Land zu klein sei für einen wie ihn.

Auch seine regelmäßigen Vorlesungen zum Thema Europa-Recht an der Universität des Saarlandes und der Donau-Universität in Krems können Selmayr nicht ausfüllen. Er wird Zeit haben, an seinem Comeback zu feilen. Und hat dafür bestimmt schon mehr als einen Plan.

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