




EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fordert eine gemeinsame europäischen Armee. Damit könnte Europa glaubwürdig auf eine Bedrohung des Friedens in einem Mitglied- oder einem Nachbarland der Europäischen Union reagieren, sagte Juncker der "Welt am Sonntag". "Eine europäische Armee hat man nicht, um sie sofort einzusetzen." Aber sie würde Russland einen klaren Eindruck vermitteln, dass man es mit der Verteidigung der EU-Werte ernst meine.
Auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen will die Bundeswehr viel enger als bisher mit anderen europäischen Streitkräften verzahnen. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk sagte die CDU-Politikerin am Sonntag: „Dieses Verflechten von Armeen mit dem Blick, eines Tages eben eine europäische Armee auch zu haben, ist meines Erachtens die Zukunft.“ Die Niederländer, die bereit waren, eine Brigade dauerhaft unter deutsches Kommando zu stellen, seien „absolute Vorreiter“ für immer festere Bündnisse in der europäischen Sicherheitspolitik.
Von der Leyen sagte, eine Europäisierung der Streitkräfte „stärkt dann auch den europäischen Pfeiler im transatlantischen Bündnis“. Die Ministerin, die sich mittelfristig auch noch mehr Zusammenarbeit mit Dänemark und Norwegen vorstellen kann, betonte allerdings, die europäische Armee sei ein langfristiges Ziel, so wie es einst der europäische Arbeitsmarkt gewesen sei.
Braucht die Bundeswehr mehr Geld?
Die Bundesregierung hat bisher nicht vor, die Finanzmittel für die Bundeswehr wesentlich aufzustocken. Im Haushaltsplan für 2015 gehört der Verteidigungsetat zu den wenigen Posten, bei denen gekürzt wurde - wenn auch nur um 0,5 Prozent. Bis 2018 ist eine leichte Steigerung von 32,3 auf 36,86 Milliarden Euro vorgesehen. Angesichts der Ausrüstungslücken bei der Bundeswehr wird jetzt der Ruf nach einer deutlich stärkeren Erhöhung lauter. Was spricht dafür und was dagegen?
Quelle: dpa
Deutschland will mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Bei den Verteidigungsausgaben liegt es aber weit hinter den wichtigsten Nato-Partnern zurück. Während der Bundesregierung Armee und Ausrüstung nur 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wert sind, investieren die USA 4,4 Prozent in ihr Militär, Großbritannien 2,4 Prozent und Frankreich 1,9 Prozent. Erklärtes Nato-Ziel ist es, zwei Prozent des BIP für die Verteidigung auszugeben. Das bekräftigte das Bündnis auch bei seinem Gipfeltreffen in Wales Anfang September - mit dem Einverständnis von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Zumindest bei der Beschaffung von Ersatzteilen gibt es eine Finanzlücke. Die Mittel dafür wurden 2010 gekürzt. Militärs beklagen, dass die Bundeswehr heute noch darunter zu leiden hat.
Auf die Bundeswehr kommen immer wieder neue Aufgaben hinzu. Die Nato will ihre Reaktionsfähigkeit im Krisenfall verbessern. Der Kampf gegen den islamistischen Terrorismus wird möglicherweise noch Jahre dauern. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat den Vereinten Nationen auch ein stärkeres Engagement Deutschlands bei Blauhelmeinsätzen in Aussicht gestellt. Das alles geht nicht ohne modernes, robustes und gut gepflegtes Material.
Die Bundeswehrreform wurde nach dem Prinzip „Breite vor Tiefe“ entworfen. Das heißt: Die Truppe soll alles können und braucht dafür in jedem Bereich die entsprechende Ausrüstung. Das kostet. Bleibt man bei diesem Prinzip, muss auch Geld dafür zur Verfügung gestellt werden.
Das Rüstungsproblem der Bundeswehr ist nicht in erster Linie ein finanzielles Problem, sondern ein Managementproblem. Das macht sich schon daran bemerkbar, dass im vergangenen Jahr insgesamt 1,5 Milliarden Euro des Verteidigungsetats gar nicht ausgeschöpft wurden.
Das Prinzip „Breite vor Tiefe“ widerspricht den Bestrebungen von Nato und EU, innerhalb der Bündnisse Aufgaben zu teilen. Diese Bemühungen kommen bisher allerdings nur schleppend voran. Man könnte sich stärker dafür einsetzen, um zu einem effizienteren Rüstungssektor zu kommen.
Je mehr verschiedene Militärgeräte es gibt und je geringer die Stückzahlen, desto größer ist auch der Wartungs-, Instandhaltungs- und Ausbildungsaufwand. Deswegen könnte eine stärkere Spezialisierung der Bundeswehr Kosten sparen.
Bei der Beschaffung neuer Rüstungsgüter kommt es regelmäßig zu Verzögerungen und Kostensteigerungen, denen man durch ein besseres Vertragsmanagement entgegenwirken kann. Nur einige Beispiele: Der Kampfhubschrauber „Tiger“ sollte im Dezember 2002 ausgeliefert werden. Daraus wurde Juli 2010. Auf den Transporthubschrauber NH90 musste die Bundeswehr sogar neun Jahre länger warten als ursprünglich vorgesehen. Die Kosten für die Fregatte 125 haben sich im Laufe der Entwicklung von 656 Millionen auf 758 Millionen Euro erhöht. Der Preis für ein Transportflugzeug A400M stieg wegen einer nachträglichen Reduzierung der Stückzahl von 124,79 auf 175,31 Millionen Euro.
Juncker unterstrich den symbolischen Wert. "Eine gemeinsame europäische Armee würde der Welt zeigen, dass es zwischen den EU-Ländern nie wieder Krieg geben wird." Es gehe nicht um Konkurrenz zur Nato, sondern darum, gemeinsam die Verantwortung Europas in der Welt wahrzunehmen. "Europa hat enorm an Ansehen verloren, auch außenpolitisch scheint man uns nicht ganz ernst zu nehmen", kritisierte Juncker. Er wies zugleich auf die finanziellen Vorteile hin. So würde es eine intensive Zusammenarbeit bei Entwicklung und Kauf von militärischem Gerät geben und erhebliche Einsparungen bringen.
Union und SPD unterstützen die Idee
Zustimmung erhielt Juncker aus der Regierungskoalition in Berlin. "Eine gemeinsame Armee ist eine europäische Vision, deren Zeit gekommen ist", sagte der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen dem Blatt. "Unsere militärischen Fähigkeiten bleiben sicherheitspolitisch unzureichend, solange wir nationale Kleinarmeen unterhalten, die zudem im Kleinformat in weiten Teilen dasselbe machen und anschaffen."
Auch der SPD-Politiker Hans-Peter Bartels, der dem Verteidigungsausschuss vorsitzt, verlangte einen neuen Schub in der europäischen Verteidigungspolitik. "Wir sollten nicht auf ein Gesamtkonzept aller 28 EU-Mitglieder warten, sondern mit Vereinbarungen zwischen den Nationalstaaten beginnen", sagte Bartels.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach dagegen von einem falschen Signal Junckers. "Ich halte nichts davon, die Sicherheitspolitik vor die Außenpolitik zu stellen", sagte sie Reuters TV. Die verteidigungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Christine Buchholz, sagte: „Junckers Vorschlag ist eindeutig gegen Russland gerichtet. Er ist ein Beitrag zur Eskalation, nicht zur Deeskalation.
In Deutschland hatte der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Bruno Kasdorf, erst am Freitag angekündigt, das Heer werde erstmals ein Bataillon mit 600 Soldaten unter polnisches Kommando stellen. Im Gespräch ist ein Truppenteil der Panzergrenadierbrigade 41 (Neubrandenburg). Eine deutsche Brigade soll ihrerseits das Kommando über ein polnisches Bataillon übernehmen. Ein Sprecher des Heeres sagte, Ziel sei es, diese Pläne Mitte 2016 „im grenznahen Bereich“ umzusetzen. Eine Deutsch-Französische Brigade gibt es bereits seit 1989. Sie wird abwechselnd von einem deutschen oder französischen General geführt.