EU muss über Richtlinie abstimmen Schicksalstag für Nord Stream 2

Ein Spezial-Schiff verlegt in der Ostsee vor der Insel Rügen Rohre für die Gaspipeline Nord Stream 2. In Brüssel werden wichtige Weichen für die Zukunft des Projektes gestellt. Quelle: dpa

Folgenschwerer Entschluss in Brüssel: Eine Änderung der EU-Gasrichtlinie würde es möglich machen, das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 deutlich strenger zu regulieren. Steht das in Teilen schon fertiggestellte Milliardenprojekt vor dem Aus?

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Lange galt ein Erfolg dieses Plans der Europäischen Union als unwahrscheinlich: Sie strebt eine Änderung der EU-Gasrichtlinie an. Diese würde es der EU-Kommission ermöglichen, das deutsch-russische Gasleitungsprojekt Nord Stream 2 erheblich strenger zu regulieren.

Am Donnerstag dann die Überraschung: Frankreich kündigte an, für die EU-Gasrichtlinie stimmen zu wollen. Eine Sprecherin des Pariser Außenministeriums bestätigte am Nachmittag, was zuvor bereits die Gerüchteküche brodeln ließ: „Frankreich hat vor, die Annahme der Direktive zu unterstützen“.

Bislang stand das Land an der Seite der Bundesrepublik. Die Abkehr bedeutet viel, sie kann die Mehrheitsverhältnisse in der EU entscheidend verändern. Eine Annahme der Richtlinienvorschläge gilt plötzlich als möglich.

Das würde zwar nicht gleich das Ende des milliardenschweren Pipelineprojekts bedeuten. Doch es wäre ein schwerer Schlag für die Bundesregierung, die sich stets hinter das Projekt stellte, und für die Bauherren. Unter anderem ist die BASF-Tochter Wintershall an der Pipeline beteiligt. Nord Stream 2 könnte schlagartig wirtschaftlich deutlich weniger interessant werden, denn zusätzliche Vorgaben aus Brüssel könnten das Projekt weniger profitabel machen.

Eine der nun drohenden Auflagen sieht etwa vor, dass ein Gaslieferant nicht gleichzeitig der Betreiber einer Leitung sein darf. Genau das ist bei Nord Stream 2 bislang der Fall: Das Projekt wird von dem russischen Energieriesen Gazprom gesteuert.

Die Unsicherheiten tauchen zu einem ungünstigen Zeitpunkt auf, denn die 1200 Kilometer lange Ostsee-Leitung ist längst im Bau. Bereits über ein Viertel der Strecke sind die Rohre schon verlegt. Eigentlich sollte die Pipeline Ende des laufenden Jahres in Betrieb genommen werden. Dann soll russisches Gas nach Europa strömen – in erheblichen Mengen. Geplant sind jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Russland, die an Drittstaaten wie der Ukraine oder Polen vorbei nach Deutschland transportiert werden könnten.

Gegenwind für Nord Stream 2 kam von Anfang an aus den USA. Aber auch osteuropäische Staaten sehen das Milliardenprojekt kritisch.

Die USA warnen vor allem vor einer zu großen Abhängigkeit Europas von russischem Gas. Zudem wollen sie selbst Gas nach Europa verkaufen. Sie nutzten die Aufregung am Donnerstag für eine Erneuerung ihrer Forderung, die EU-Staaten sollten sich von Nord Stream 2 abwenden. „Nord Stream 2 würde die Anfälligkeit Europas für russische Erpressungen im Energiebereich weiter erhöhen“, schrieben die amerikanischen Botschafter Richard Grenell (Deutschland), Carla Sands (Dänemark) und Gordon Sondland (EU) in einem Gastbeitrag für die Deutsche Welle. Grenell hatte jüngst angedeutet, dass an dem Projekt beteiligte Firmen mit Sanktionen rechnen müssten.



Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) entgegnete, sie sehe nicht, dass sich Deutschland oder Europa durch Nord Stream 2 in eine Abhängigkeit von Russland begäben. Deutschland wolle auch Anlagen für Flüssiggas aus den USA einrichten. Russland sei schon im Kalten Krieg ein verlässlicher Gaslieferant gewesen und werde dies auch weiter bleiben, sagte Merkel. Der russische Vizeminister Wladimir Titow beklagte am Freitagmorgen Druck auf die russische Wirtschaft. Die Hindernisse für Nord Stream 2 würden „unlauteren Wettbewerb“ schaffen.

Die baltischen Staaten und Polen sehen die Trasse als Gefahr für ihre Sicherheit. Die Ukraine befürchtet den Verlust von Milliardeneinnahmen als Transitland für russisches Gas.

Die Abstimmung über die Überarbeitung der Gasrichtlinie soll am Freitagmittag bei einem regulären Treffen der ständigen Vertreter der 28 Mitgliedstaaten erfolgen. Gibt es dort die notwendige Mehrheit, dürfte die neue Richtlinie bereits vor der Europawahl endgültig beschlossen werden. Noch notwendige Verhandlungen mit dem Europaparlament gelten lediglich als Formalie, da es dort eine klare Mehrheit für das Projekt gibt.

Mit Material von dpa und Reuters

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