Der polnische Verteidigungsminister Antoni Macierewicz warf unterdessen Deutschland und anderen westlichen Staaten Einmischung in die Souveränität seines Landes vor. „Wir werden unser Programm umsetzen“, sagte er in der Sendung „Die Stimme Polens“ des rechtskatholischen Fernsehsenders „TV Trwam“. Polen werde sich nicht von Deutschland „über Demokratie und Freiheit belehren“ lassen. Die Proteste gegen das neue Mediengesetz wies er zurück.
Das EU-Verfahren zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit
Im Kampf gegen staatliche Willkür in Mitgliedstaaten hat sich die EU im März 2014 ein neues Verfahren zugelegt. Damit gibt es die Möglichkeit, Gefahren gegen die Rechtsstaatlichkeit zu untersuchen. Dabei kann es um Verstöße gegen gemeinsame Grundwerte, Probleme bei der Achtung der Menschenwürde sowie Einschränkungen in den Bereichen Freiheit oder Demokratie gehen.
Das Verfahren ist eine Art Frühwarnmechanismus und läuft in drei Stufen ab: Zunächst bewertet die EU-Kommission, ob die Rechtsstaatlichkeit gefährdet ist. Falls dies der Fall ist, übermittelt die Kommission ihre Bedenken. Die betreffende Hauptstadt kann antworten.
In einem zweiten Schritt spricht die Kommission Empfehlungen aus.
In der dritten Phase wird überprüft, inwiefern der Mitgliedstaat diese Empfehlungen innerhalb einer gewissen Frist in die Tat umsetzt.
Verläuft dies alles ergebnislos, bleibt der Kommission noch das Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags - im Diplomatenjargon ist das die „Atombombe“. Dabei kann bei „schwerwiegender und anhaltender Verletzung“ der im EU-Vertrag verankerten Werte einem Staat in letzter Konsequenz das Stimmrecht bei Ministerräten und EU-Gipfeln entzogen werden.
Das Rechtsstaatlichkeitsverfahren wurde nicht ohne Grund geschaffen. Hintergrund waren Auseinandersetzungen mit Ungarns rechtskonservativem Premier Viktor Orban nach seinem Wahlsieg 2010. Die Kommission sah die Medienfreiheit sowie die Unabhängigkeit von Richtern und der Justiz in Gefahr. Das Verfahren wurde noch nicht benutzt. Auch der Artikel 7 wurde bisher nicht aktiviert. Ergänzend zum Verfahren der EU-Kommission einigten sich die EU-Staaten im Dezember 2014 darauf, dass bei europäischen Ministertreffen Rechtsstaatsprinzipien debattiert werden können, um politischen Druck auszuüben.
Der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Herbert Reul, sprach sich wie Kauder für Strafen aus. „Wir brauchen Wirtschaftssanktionen, wenn politische Mittel des Dialogs nichts bewirken“, sagte er dem „Spiegel“. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz warf der nationalkonservativen Warschauer Regierung „gelenkte Demokratie nach Putins Art“ vor. „Die polnische Regierung betrachtet ihren Wahlsieg als Mandat, das Wohl des Staates dem Willen der siegreichen Partei unterzuordnen“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.
Gegen das umstrittene neue Mediengesetz waren am Samstag Zehntausende Polen im ganzen Land auf die Straße gegangen. Mit Slogans wie „Hände weg vom Radio“ und „Die Regierung lügt“ forderten sie eine Rücknahme des Gesetzes, das die Regierung über Spitzenposten in den öffentlich-rechtlichen Medien entscheiden lässt.
Zu den Kundgebungen hatte das Komitee zur Verteidigung der Demokratie aufgerufen. „Wir sehen jetzt schon die Veränderungen in den öffentlichen Medien“, sagte Mateusz Kijowski, Gründer der Protestbewegung, vor Demonstranten im zentralpolnischen Lodz.
Am Freitag war das umstrittene Gesetz in Kraft getreten. Bereits am gleichen Tag wurden neue Fernseh- und Hörfunkchefs ernannt und mehrere leitende Redakteure entlassen. Am Montag sollen zudem neue Geschäftsführer der öffentlich-rechtlichen Sender ernannt werden.
Der polnische Justizminister Zbigniew Ziobro nahm in einem Schreiben an den deutschen EU-Kommissar Günther Oettinger Stellung zur Kritik an dem Gesetz. „Das Mediengesetz, an dem die polnische Regierung arbeitet, sieht bedeutend demokratischere Lösungen vor (als in Deutschland)“, heißt es in dem offenen Brief, der unter anderem auf der rechtskatholischen Webseite „Fronda.pl“ veröffentlicht wurde. In Deutschland gelte: „Wer die Macht hat, hat das Radio“, schrieb Ziobro über die Zusammensetzung der Rundfunkräte im Nachbarland.
Die deutschen Rundfunkräte sollen verhindern, dass die öffentlich-rechtlichen Sender unter den Einfluss des Staates oder der jeweiligen Regierungspartei geraten. Das Bundesverfassungsgericht legte fest, dass höchstens ein Drittel der Mitglieder Vertreter des Staates oder der Parteien sein dürfen.