EU-Politik Warschau lädt deutschen Botschafter zum Gespräch

Der Ton im Umgang mit Polen wird schärfer: Die CDU spricht von Sanktionen, der EU-Parlamentspräsident von „gelenkter Demokratie nach Putins Art“ und Polen bittet den deutschen Botschafter zum Gespräch.

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Europäische und polnische Flaggen verbunden bei einer Demonstration von polnischen Bürgern gegen die Medienpolitik der Regierung. Quelle: dpa

Der polnische Außenminister Witold Waszczykowski hat den deutschen Botschafter in Warschau, Rolf Nikel, nach Angaben der deutschen Botschaft in Warschau nicht einbestellt, sondern nur zu einem Gespräch gebeten. Es handele sich nicht um eine formelle Einbestellung, betonte der Sprecher Lukas Wasielewski. „Wir erwarten ein Gespräch unter Partnern“, fügte er hinzu. Das Ministerium habe am Samstagabend zu dem Gespräch am Montagmorgen gebeten.

Zuvor hatte der Sprecher des polnischen Außenministeriums, Artur Dmochowski, mitgeteilt, der deutsche Botschafter sei zu einem Treffen gebeten worden. Diese Formulierung wird vom polnischen Außenministerium auch für eine Einbestellung verwendet. Grund seien die „antipolnischen Äußerungen deutscher Politiker“. Die staatliche polnische Nachrichtenagentur PAP meldete, Nikel sei „aufgefordert“ worden, ins Außenministerium zu kommen.

Bei einer förmlichen Einbestellung wird ein Botschafter in das Außenministerium des Gastlandes zitiert. Es handelt sich dabei um eine feststehende Form des Protests gegen das von dem betroffenen Botschafter vertretene Land.

Die Politik der neuen Regierung in Warschau hatte in den vergangenen Tagen immer schärfere Reaktionen aus. Mehrere deutsche Politiker hatten in den vergangenen Tagen Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit mehrerer Gesetze der nationalkonservativen Regierung in Warschau geäußert. In der kommenden Woche berät die EU-Kommission über die Lage in Polen.

Die Union im Bundestag erwägt Sanktionen gegen Polen, wenn die rechtskonservative Regierung dort Rechtsstaatsprinzipien wie Gewaltenteilung und Pressefreiheit verletzt.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder sagte dem „Spiegel“: „Wenn Verstöße gegen die europäischen Werte festzustellen sind, müssen die Mitgliedstaaten den Mut zu Sanktionen haben.“ Er fügte hinzu: „Die polnische Regierung muss wissen: Bestimmte Grundwerte darf man in Europa nicht verletzen.“ Es sei absolut richtig, dass die EU-Kommission sich jetzt die Lage genau anschaue. Die EU-Kommission berät am 13. Januar über die Lage in Polen.

Nach Informationen der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ wird die EU-Behörde bereits Mittwoch eine eingehende Prüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen auf den Weg bringen. Eine Sprecherin der Behörde sagte dazu der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel, das Kollegium werde eine Orientierungsdebatte zu der Situation in Polen und dem Rechtsstaatsmechanismus führen. „Alle weiteren Schritte werden davon abhängen.“ Behördenchef Jean-Claude Juncker hatte bereits vergangene Woche in allgemeiner Form ein Rechtsstaat-Verfahren in Aussicht gestellt.

Deutsche Kritik am Mediengesetz

Der polnische Verteidigungsminister Antoni Macierewicz warf unterdessen Deutschland und anderen westlichen Staaten Einmischung in die Souveränität seines Landes vor. „Wir werden unser Programm umsetzen“, sagte er in der Sendung „Die Stimme Polens“ des rechtskatholischen Fernsehsenders „TV Trwam“. Polen werde sich nicht von Deutschland „über Demokratie und Freiheit belehren“ lassen. Die Proteste gegen das neue Mediengesetz wies er zurück.

Das EU-Verfahren zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Herbert Reul, sprach sich wie Kauder für Strafen aus. „Wir brauchen Wirtschaftssanktionen, wenn politische Mittel des Dialogs nichts bewirken“, sagte er dem „Spiegel“. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz warf der nationalkonservativen Warschauer Regierung „gelenkte Demokratie nach Putins Art“ vor. „Die polnische Regierung betrachtet ihren Wahlsieg als Mandat, das Wohl des Staates dem Willen der siegreichen Partei unterzuordnen“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

Gegen das umstrittene neue Mediengesetz waren am Samstag Zehntausende Polen im ganzen Land auf die Straße gegangen. Mit Slogans wie „Hände weg vom Radio“ und „Die Regierung lügt“ forderten sie eine Rücknahme des Gesetzes, das die Regierung über Spitzenposten in den öffentlich-rechtlichen Medien entscheiden lässt.

Zu den Kundgebungen hatte das Komitee zur Verteidigung der Demokratie aufgerufen. „Wir sehen jetzt schon die Veränderungen in den öffentlichen Medien“, sagte Mateusz Kijowski, Gründer der Protestbewegung, vor Demonstranten im zentralpolnischen Lodz.

Am Freitag war das umstrittene Gesetz in Kraft getreten. Bereits am gleichen Tag wurden neue Fernseh- und Hörfunkchefs ernannt und mehrere leitende Redakteure entlassen. Am Montag sollen zudem neue Geschäftsführer der öffentlich-rechtlichen Sender ernannt werden.

Der polnische Justizminister Zbigniew Ziobro nahm in einem Schreiben an den deutschen EU-Kommissar Günther Oettinger Stellung zur Kritik an dem Gesetz. „Das Mediengesetz, an dem die polnische Regierung arbeitet, sieht bedeutend demokratischere Lösungen vor (als in Deutschland)“, heißt es in dem offenen Brief, der unter anderem auf der rechtskatholischen Webseite „Fronda.pl“ veröffentlicht wurde. In Deutschland gelte: „Wer die Macht hat, hat das Radio“, schrieb Ziobro über die Zusammensetzung der Rundfunkräte im Nachbarland.

Die deutschen Rundfunkräte sollen verhindern, dass die öffentlich-rechtlichen Sender unter den Einfluss des Staates oder der jeweiligen Regierungspartei geraten. Das Bundesverfassungsgericht legte fest, dass höchstens ein Drittel der Mitglieder Vertreter des Staates oder der Parteien sein dürfen.

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