
Die für Juni 2017 geplante Abschaffung der Zusatzkosten für Handynutzer im EU-Ausland ist einen Schritt vorangekommen. Die Mitgliedsstaaten hätten die Vorschläge der EU-Kommission zum Wegfall der Roaming-Gebühren gebilligt, erklärten die zuständigen Kommissare Günther Oettinger und Andrus Ansip am Montag in Brüssel. Damit sind aber noch nicht alle Hürden ausgeräumt.
Wie Sie sich vor Handy-Kostenfallen im Ausland schützen (Stand April 207)
Mit Roaming (zu deutsch etwa "wandern", mit Bezug auf den Nutzer, der durch die Mobilfunknetze wandert) werden jene Gebühren bezeichnet, die anfallen, wenn Mobilfunkkunden im EU-Ausland zum Handy greifen.
Zum Ärger von Verbraucherschützern und Regulierern hielten die Roaming-Kosten die Tarife lange Zeit hoch und sorgten dafür, dass die Anbieter sich eine goldene Nase verdienten.
Quelle: Bundesnetzagentur, Verbraucherzentrale, dpa
Stand: April 2017
Um allzu hohe Rechnungen zu vermeiden, schreibt die Roaming-Verordnung innerhalb der europäischen Union vor, dass Mobilfunkanbieter eine Obergrenze von 50 Euro anbieten müssen. Seit 2012 gilt zudem der Kostenairbag: Jeder Anbieter mit Sitz in der EU darf für weltweites Datenroaming auch im außereuropäischen Ausland maximal 50 Euro (zzgl. Mehrwertsteuer) berechnen.
Aber: Lässt der Netzbetreiber im Nicht-EU-Land, das der Nutzer besucht, es nicht zu, dass der Roamingpartner das Nutzerverhalten in Echtzeit überwacht, gibt es keinen Kostenairbag. Dann muss dem Kunden aber bei Einreise auf dem Handy mitgeteilt werden, dass die Kostenbegrenzung nicht zur Verfügung steht.
Smartphones können sich vom Nutzer unbemerkt ins Internet einwählen, um zum Beispiel ein Software-Update auszuführen, automatisch E-Mails abzurufen oder die Wetterinformationen zu aktualisieren. Dies kann durch rechtzeitiges Ausschalten dieser Funktion beziehungsweise des gesamten Mobiltelefons verhindert werden. Am einfachsten ist es, das Smartphone einfach auf den Flugmodus zu setzen. Dann ist allerdings auch das Telefonieren nicht mehr möglich. Alternativ können auch Softwareaktualisierungen nur noch per WLAN zugelassen werden. Eine entsprechende Einstellung gibt es in jedem Betriebssystem.
Auch Rufweiterleitung oder das Abhören der Mailbox kostet, vor allem in Ländern außerhalb der EU. Hier lauert die Kostenfalle der doppelten Umleitung: Man zahlt zum einen für die Weiterleitung des Gesprächs ins Urlaubsland und dann noch einmal für die Rückleitung auf die deutsche Mailbox.
Reiseführer und City-Guides gibt es auch als Apps, die sich unterwegs mit einem Smartphone nutzen lassen. Das Herunterladen vor Reiseantritt spart Roaming-Gebühren, da die Reiseführer nach dem Download in der Regel ohne Internetverbindung, also offline, zur Verfügung stehen.
In vielen Hotels, Bars und Restaurants stehen WLAN-Hotspots zur Verfügung, mit deren Hilfe günstig, oder sogar kostenfrei, am Urlaubsort im Internet gesurft werden kann. Allerdings muss von der Eingabe von sensiblen persönlichen Daten (wie etwa Online-Banking, Kreditkartennummer) abgeraten werden, da diese leicht ausgespäht werden können.
Der 15. Juni 2017 ist eine Zäsur in der Entwicklung des Mobilfunks: Das umstrittene EU-Roaming wird kostenfrei. Nun soll EU-Reisenden kein Eurocent extra mehr fürs Herumwandern durch fremde Netze aus der Tasche gezogen werden. Zwar müssen auch künftig Roaming-Kosten bezahlt werden, aber es sind nicht mehr die Endkunden, die zur Kasse gebeten werden - im Prinzip jedenfalls.
„Es ist völlig unklar, was nach dem 15. Juni passiert“, analysiert etwa Susanne Blohm, Referentin für Digitales und Medien bei der Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin.
Andere wie das Vergleichsportal Verivox sehen eine Preiswende am Mobilfunk-Himmel heraufziehen. Verbraucher würden für eine Leistung bezahlen, die eigentlich kostenfrei sei, unterstreicht Christian Schiele, Produktchef Telekommunikation bei Verivox. Anbieter wie Telekom und Telefónica hatten bereits vor längerer Zeit ihre Tarife angepasst und EU-Roaming als Inklusivleistung ins Programm genommen. Dafür wurde der Preis leicht nach oben angepasst. Entfallen nun die Roaminggebühren, kommt es zu einer indirekten Preiserhöhung. Es sei denn, die Unternehmen rechnen die Kosten wieder heraus.
Der Kostenfaktor Roaming, argumentiert Verivox, werde nun aufs Inland verlagert und in die Handytarife eingepreist. Folge: Nichtreisende und Geringverdienende zahlten am Ende die Zeche. Einige Discounter wie Billigmarken bei Drillisch sind bereits dazu übergegangen, rein nationale Tarifmodelle zu entwickeln, die eine Auslandsnutzung ausschließen.
Nach den Plänen der Brüsseler Behörde soll man künftig ohne zeitliche Begrenzung im EU-Ausland ohne Zusatzkosten mit dem Handy telefonieren oder surfen können. Einzige Auflage: Es muss eine Bindung an das Land geben, aus dem die Sim-Karte stammt - man muss also zumindest manchmal dort sein. Die EU-Kommission will verhindern, dass man dauerhaft in der Heimat sehr preiswerte Tarife aus einem anderen EU-Land nutzt. Solchen Missbrauch sollen die Anbieter unterbinden dürfen, allerdings frühestens nach vier Monaten.
Ansip und Oettinger betonten, aus ihrer Sicht sei dieser Vorschlag ausgewogen. Er erlaube die Abschaffung der Zusatzgebühren und stelle gleichzeitig sicher, dass die günstigsten Inlandstarife attraktiv blieben. Nötig seien nun aber noch Verhandlungen der Kommission mit dem Europaparlament und den Mitgliedstaaten über die Großhandelspreise, die sich die europäischen Telekom-Unternehmen gegenseitig für Auslandsnutzung ihrer Kunden in Rechnung stellten. Die Gespräche begännen diese Woche.
Die Brüsseler Behörde hatte bereits im September ihren ersten Roaming-Vorschlag nach Kritik überarbeitet. Dem aktuellen Plan zufolge sollen Handynutzer ab Mitte 2017 ohne zeitliche Begrenzung und ohne Zusatzkosten Roaming im EU-Ausland nutzen können. Das System soll auf dem Wohnort oder einer „festen Verbindung“ zu einem EU-Staat basieren.
Im Grundsatz hatten sich das Europaparlament und die EU-Staaten schon im vergangenen Jahr auf den Wegfall von Roaming-Gebühren verständigt. „Dauerhaftes Roaming“ war in jenem Beschluss nicht vorgesehen, was das im Detail bedeutet, sollte die EU-Kommission ausarbeiten.
Vertreter der Staaten sollen nun am kommenden Montag über den ergänzten Vorschlag abstimmen. Zudem stehen noch Verhandlungen zwischen dem EU-Parlament und den Staaten darüber aus, inwieweit sich Anbieter untereinander weiterhin Gebühren für die Netznutzung in Rechnung stellen dürfen. Dem ursprünglichen Zeitplan zufolge sollten neue Roaming-Regelungen zum 15. Juni 2017 in Kraft treten.