




Strotzend vor Selbstbewusstsein empfängt Kremlchef Wladimir Putin die EU-Spitze in Jekaterinburg am Ural. Er lobt den Rekordhandel zwischen EU und Russland. „Wir bewegen uns und bewegen uns“, sagt er. Politisch aber ist dieser Russland-EU-Gipfel kein einfaches Treffen an diesem historischen Ort. Die Reizthemen drehen sich um die dramatische Lage in Syrien, um Menschenrechte und Repressionen gegen Andersdenkende.
Putin hält diesmal Hof am Fluss Isset - unweit von hier erschossen vor 95 Jahren die Bolschewiken die Zarenfamilie. Eine russisch-orthodoxe Kirche erinnert heute an den Beginn der einstigen kommunistischen Gewaltherrschaft. Die Spuren des sowjetischen Erbes mit kaputten Straßen und Betonklotzarchitektur sind unübersehbar.
Da nickt Putin lächelnd, als EU-Kommissionschef José Manuel Barroso der Kandidatur von Jekaterinburg für die Weltausstellung 2020 Erfolg wünscht. Er spricht vom „Fenster nach Asien“ - wohl wissend, dass sich Russland nicht ohne drohenden Unterton zunehmend auch nach China orientiert.
Zahlen und Fakten zu Russland
Russland ist mit einer Fläche von 17.075.400 km² das größte Land der Erde.
Mit 141,85 Millionen Einwohnern liegt Russland auf Rang 9. Durch die Größe des Landes ergibt sich allerdings eine sehr dünne Besiedlung. Auf einem Quadratkilometer leben umgerechnet nur 8,3 Menschen.
Die Hauptstadt Russlands ist Moskau (Moskwa). Mit 11.514.300 Einwohnern ist Moskau die mit Abstand bevölkerungsreichste Stadt Russlands.
Das Bruttoinlandsprodukt lag im Jahr 2010 bei 1.480 Milliarden US-$. 59 Prozent der Leistung erwirtschaftet der Dienstleistungs-Sektor, 37 Prozent die Industrie, vier Prozent am BIP steuert die Landwirtschaft bei. Der reale Zuwachs lag im vergangenen Jahr bei 4,0 Prozent.
Russland importierte 2010 Waren im Wert von 229 Milliarden US-Dollar. Den größten Anteil haben die chemische Erzeugnisse (14 Prozent). Der Export lag bei 396 Milliarden US-Dollar. Größter Exportschlager sind Erdöl und -produkte, Erdgas und Kohle.
Russland ist in acht Föderationsgebiete mit insgesamt 83 Territorialeinheiten eingeteilt. Diese gliedern sich auf in 21 Republiken, neun Regionen, 46 Gebieten, einem autonomen Gebiet, vier autonomen Kreisen sowie zwei Städten mit Subjekt-Status (Moskau und St. Petersburg).
Russland ist größtenteils christlich geprägt, über 70 Prozent der Einwohner sind orthodoxe Christen, 14 Prozent Muslime, 1,4 Prozent Protestanten, 0,6 Prozent Katholiken sowie 0,5 Prozent Juden.
Auch wenn Meinungsunterschiede bleiben, so sehen sich doch beide Seiten auf einem guten Weg. Immer wieder sprechen sie von einer offenen Diskussion und von einer konstruktiven Atmosphäre. Probleme sollen gelöst werden, auch der Streit um die von Russland künftig von der EU geforderten Daten von Flugpassagieren.
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Zu spüren ist aber, dass Putin sein Land keiner „Europäisierung“ unterziehen wird. Auch symbolisch steht die Stadt am Uralgebirge als Schnittstelle zwischen Europa und Asien - und für Putins Ziel einer großen Eurasischen Wirtschaftsunion und einem Russland mit eigener Identität und Werten. Kritik am harten Vorgehen des Kreml gegen Andersdenkende und einem insgesamt härteren Kurs zur Machtsicherung wischt er hier, 1700 Kilometer östlich von Moskau, weg.
Die Beziehungen zwischen Russland und der EU sind aus Sicht von Beobachtern nach gut zwei Jahrzehnten an einem Wendepunkt. Die EU sieht sich einem macht- und selbstbewussten Putin gegenüber, der eine nochmalige Kandidatur für das Präsidentenamt 2018 nicht ausschließt. Eine weitere Öffnung Russlands nach Westen angesichts der wirtschaftlichen Probleme in der Eurozone ist für viele Russen aber nicht das Maß der Dinge.
Ja, Russland habe das Recht, seine international kritisierten Waffenlieferungen an Syriens Machthaber Baschar al-Assad zu erfüllen, sagt Putin. Ja, er werde Homosexuellen in Frankreich die Adoption russischer Kinder verbieten. Schadet die Unterdrückung seiner Kritiker dem Image Russlands? Statt einer Antwort bittet Putin um einen Blick auf die Wirtschaftserfolge mit der EU.
Die EU-Spitze erlebt einen Kremlchef, der fest im Sattel sitzt. Politologen des Carnegie Centers in Moskau sehen auch in der Allianz mit der russisch-orthodoxen Kirche eine wichtige Stütze für Putins Machterhalt. Es sei auch die Kirche, die einen autoritären-nationalistischen Kurs fördere.
Schuldig bleiben sich die Bürokraten aus Brüssel und Moskau freilich nichts. Greifbare Ergebnisse gibt es aber kaum. Vielmehr betonen sie erneut, an einem zuletzt immer wieder verzögerten Visa-Abkommen und einem Partnerschaftsvertrag zu arbeiten. Die Energiezusammenarbeit solle verstärkt werden. Auch die Probleme bei Russlands neuen Pflichten als WTO-Mitglied seien lösbar. „Wir sind in Kontakt und werden weiter arbeiten“, sagt Barroso. Klarer sind nun bestenfalls die Fronten. Versöhnlich betonen beide Seiten am Ende, dass sie sich gegenseitig keine Steine in den Weg legen wollen.