Doch lässt sich so die Wende herstellen? Ökonom Freytag ist skeptisch. "Die Freigabe von EU-Geldern schafft kurzfristig ein paar Arbeitsplätze. Somit schadet diese Maßnahme nicht, ändert aber langfristig auch nichts an der Situation der Eurozone."
Bundeskanzlerin Angela Merkel stimmte der Erweiterung des Fiskalpakts um ein Wachstumspaket grundsätzlich zu – um die Wogen zu glätten und Verhandlungsspielraum beim zweiten großen Streitthema zu schaffen, das beim sechsstündigen, teils ruppigen Meinungsaustausch zur Sprache kam: die Einführung von Eurobonds.
Mächtiges Pro-Eurobonds-Lager
Durch die Wahl des französischen Sozialisten François Hollandes zum neuen starken Mann in Paris sind die Gemeinschaftsanleihen mehr denn je ein Thema. Das Pro-Eurobonds-Lager – bestehend aus Frankreich, Italien, Belgien, Luxemburg und den angeschlagenen Pleiteländern in Südeuropa – ist nicht nur quantitativ gestiegen, sondern es ist dank Hollande, der die zweitgrößte Volkswirtschaft im Euroraum repräsentiert, auch mächtiger geworden. Deutschland, Finnland, die Niederlande, Österreich und einige osteuropäische Staaten müssen immer lautere Töne anschlagen, um ihrer Meinung Gehör zu verschaffen.
Euro-Bonds belohnen die Sünder
Auch bei Euro-Bonds sind sich Deutschlands Wirtschaftslenker und Bundeskanzlerin Merkel einig: Gemeinsame Anleihen würden verschuldeten Ländern den Anreize nehmen, durch Reformen wieder wettbewerbsfähiger zu werden. Und dennoch: Langfristig ist die Vergemeinschaftung von Schulden vorstellbar.
„Gemeinsame europäische Schuldversprechen verwischen Haftung und Anreize.“
„Euro-Bonds sind der falsche Weg. Denn was für ein Signal sendet man damit? Doch nur, dass man Schuldenpolitik leichter machen will.“
„Euro-Bonds mit gesamtschuldnerischer Haftung verletzen das urdemokratische Prinzip von ‚no taxation without representation‘.“
„Hierzu (für Gemeinschaftsanleihen, d. Red.) brauchen wir einen passenden institutionellen Rahmen, den wir noch nicht haben. Haftung darf es nur im Gegenzug zu ausreichenden Kontrollinstrumenten geben.“
Keiner gelang das im Vorfeld so deutlich wie Maria Fekter, der Finanzministerin Österreichs. "Ich habe kein Verständnis dafür, dass Österreich womöglich doppelt so hohe Zinsen zahlen soll, wie wir das bisher tun", sagte sie. "Solange die Haushaltsdisziplin in den Eurostaaten nicht zur Gänze eingehalten ist, solange die Stabilisierung nicht wirklich erreicht ist, solange es keinen direkten Einfluss gibt, wie Staaten wirtschaften und welche Fiskalmaßnahmen sie setzen, solange werde ich die österreichische Bonität nicht dafür hergeben."
Ruppige Debatte
Die Bundesregierung wählte in der offenbar ruppigen Diskussion vorsichtige Worte. Eurobonds seien "nicht der richtige Weg", so die Kanzlerin. "Es gab Länder, die viel härter als Merkel argumentiert haben", registrierte Hollande. Nicht nur in Europa, auch in Deutschland wächst der Druck auf die Kanzlerin und Finanzminister Schäuble, sich bei diesem Thema zu bewegen. Im Bundesrat ist die Opposition nur bei Zugeständnissen bereit, den Fiskalpakt durchzuwinken, und auch in den eigenen Reihen nehmen die kritischen Stimmen zu.