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EU-Türkei-Gipfel Europas Pakt mit dem fragwürdigen Partner

Um den Strom der Flüchtlinge einzudämmen, gehen die Europäer auf die Türkei zu. Mit ihrer Strategie stärken sie den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan – ob sie es wollen oder nicht.

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Die EU rückt in der Flüchtlingskrise mit der Türkei zusammen. Gleichzeitig stärkt sei damit unweigerlich den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Quelle: AP

Der Gipfel zwischen der EU und der Türkei an diesem Sonntag verdeutlicht, in welcher Zwangslage sich Europa befindet. Die 28 EU-Staaten gehen als Bittsteller auf die Türkei zu, damit diese Flüchtlinge an der Weiterreise nach Europa hindert. „Wir brauchen die Unterstützung der Türkei“, heißt es aus der Bundesregierung seit Wochen.

Bis zum Abend wollen die europäischen Staats- und Regierungschefs sich mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu auf einen Aktionsplan einigen, der in einem ersten Schritt der Türkei drei Milliarden Euro an Unterstützung sichert. Die Türkei kann aber nicht nur auf Geld hoffen. Türken sollen schon ab Oktober 2016 ohne Visum nach Europa reisen können, und vor allem sollen nach Jahren des Stillstands die Beitrittsverhandlungen wieder aufgenommen werden.

Welche Parteien mit Anti-Flüchtlingspolitik punkten wollen
Marine Le Pen, Chefin des rechtsextremen Front National (FN) in Frankreich Quelle: REUTERS
Niederländischer Rechtspopulist Geert Wilders Quelle: AP
Matteo Salvini, Chef der rechtspopulistische Lega Nord in Italien Quelle: AP
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban Quelle: REUTERS
Alle großen Parlamentsparteien Tschechiens von links bis rechts sind gegen die Aufnahme einer größeren Zahl von Flüchtlingen. Die Regierung in Prag schickte Hunderte Polizisten an die Grenze zu Österreich und kämpft gegen dauerhafte EU-Flüchtlingsquoten. Am rechten Rand verbündete sich die Splitterpartei „Morgenröte“ mit der Bewegung „Block gegen den Islam“. Auch Europaskeptiker um den früheren Präsidenten Vaclav Klaus (hier im Bild) versuchen, mit dem Thema zu punkten. In einem Jahr finden in Tschechien Kommunal- und Teilwahlen zum Senat statt. Quelle: AP
Polens Regierungschefin Ewa Kopacz Quelle: dpa
Plakat der Schweizerischen Volkspartei Quelle: dpa

Außerdem sollen zwei Mal im Jahr Gipfel zwischen der EU und der Türkei stattfinden. Im Entwurf der Abschlusserklärung ist die Rede davon, dass die Beziehungen „revitalisiert“ werden sollen, um das „volle Potenzial“ zu nutzen. Aus ihrer Notlage heraus werden die Europäer jedoch etwas machen, das sie nicht unbedingt beabsichtigen: Sie stärken den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Der lässt die Europäer nur allzu deutlich spüren, dass sie auf ihn angewiesen sind. Alleine indem er nicht selbst nach Brüssel kommt, sondern den Ministerpräsidenten schickt, setzt er ein Zeichen. Wie wenig sich Erdogan um Grundrechte schert, bewies er kurz vor dem Gipfel, als er vergangene zwei Woche zwei unliebsame Journalisten verhaftete. Die EU-Kommission musste zugestehen, dass es sich dabei um einen „Besorgnis erregenden Vorfall“ handele. Mit seinem Timing hat Erdogan aber gezeigt, mit welchem Selbstverständnis er in der Türkei regiert – und dass er nicht gewillt ist, sich westlichen Vorstellungen von Demokratie anzupassen.

Über das Mittelmeer nach Europa: Zahlen zu Flüchtlingen

Wenn die Europäer nun im Dezember die Verhandlungen zum Kapitel zur Wirtschafts- und Währungsunion eröffnen wollen und möglicherweise im kommenden Jahr weitere Kapitel folgen lassen, dann kann Erdogan das als Prestigegewinn verbuchen.

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