
Wie es aussieht, wenn Europa scheitert, kann die Weltöffentlichkeit derzeit in Griechenland beobachten. Flüchtlinge versuchen, den Zaun nach Mazedonien zu überwinden, sie wollen nach Deutschland weiterreisen. Mazedonische Polizisten aber halten sie mit Wasserwerfern, Tränengas und Schlagstöcken zurück. Überall verzweifelte Männer, Frauen und Kinder. Manche versuchen es mit Gewalt, andere geben erschöpft auf.
Und wie reagiert Europa? Österreich fordert Deutschland auf, Flüchtlinge in einer Art Notaktion direkt nach Deutschland zu holen. Bundeskanzlerin Angela Merkel kontert, die „Zeit des Durchwinkens ist vorbei“. Berlin setzt auf ein Signal der Härte. Anders als im September soll Deutschland nicht wieder zum Sammelbecken für alle Flüchtlinge werden, die im Rest Europas unerwünscht sind. Die Kanzlerin will Druck auf andere EU-Staaten aufbauen, um endlich ihre vielbeschworene europäische Lösung zu erreichen.
Wenn die europäischen Staats- und Regierungschefs am heutigen Montag in Brüssel zusammenkommen, stehen sie vor mindestens drei Herausforderungen:
1. Wer übernimmt wie viele Flüchtlinge aus der Türkei?
Die Türkei soll Europa und Deutschland die Flüchtlingslast abnehmen. Dafür müssten die Türken ihre Grenze nach Griechenland so gut wie möglich sichern und Flüchtlinge, die sich bereits in Griechenland aufhalten, zurücknehmen. Im Gegenzug soll die Türkei mindestens drei Milliarden Euro erhalten, um die Flüchtlinge zu versorgen. Die ersten Millionen sind mittlerweile geflossen. Dazu verlangt Ankara Visa-Freiheit für die eigenen Bürger in der EU. Und am wichtigsten: Die Europäer sollen Flüchtlinge direkt aus der Türkei zu sich holen.
Status und Schutz von Flüchtlingen in Deutschland
Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Deutschland. Viele von ihnen dürfen nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl aus unterschiedlichen rechtlichen Gründen bleiben. Dabei reicht die Spannbreite vom Asylstatus bis zu einer befristen Duldung mit drohender Abschiebung.
Flüchtlinge, die in ihrem Heimatländern politisch verfolgt werden, haben laut Artikel 16 a des Grundgesetzes Anspruch auf Asyl. Hierfür gibt es allerdings zahlreiche Schranken, die Ablehnungsquote bei Asylanträgen liegt bei 98 Prozent. Schutz und Bleiberecht etwa wegen religiöser Verfolgung oder der sexuellen Orientierung wird auf Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention gewährt. Für die Praxis spielt die genaue rechtliche Grundlage allerdings keine Rolle: Anerkannte Asylberechtigte erhalten gleichermaßen eine Aufenthaltserlaubnis, die nach drei Jahren überprüft wird. Auch bei den staatlichen Unterstützungsleistungen, etwa Arbeitslosengeld II oder Kindergeld, gibt es keine Unterschiede.
Sogenannten subsidiären, also nachrangigen, Schutz erhalten Flüchtlinge, die zwar keinen Anspruch auf Asyl haben, in ihrer Heimat aber ernsthaft bedroht werden, etwa durch Bürgerkrieg oder Folter. Sie sind als „international Schutzberechtigte“ vor einer Abschiebung erst einmal sicher und erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für zunächst ein Jahr. Die Erlaubnis wird verlängert, wenn sich die Situation im Heimatland nicht geändert hat.
Eine Duldung erhält, wer etwa nach einem gescheiterten Asylantrag zur Ausreise verpflichtet ist, aber vorerst nicht abgeschoben werden kann. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn kein Pass vorliegt oder es keine Flugverbindung in eine Bürgerkriegsregion gibt. Fällt dieses sogenannte Hindernis weg, droht dem Betroffenen akut die Abschiebung. Zu den Hindernissen für eine Abschiebung zählt unter anderem auch der Schutz von Ehe und Familie. Beispielweise kann ein Ausländer, der hier mit einer Deutschen ein Kind hat, nicht ohne weiteres abgeschoben werden.
„Die Frage der Kontingente ist in Europa derzeit nicht mehrheitsfähig“, sagt Julian Rappold von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Frankreich fällt für die Aufnahme von weiteren Flüchtlingen wohl aus. Der innenpolitisch geschwächte Präsident François Hollande lehnt Flüchtlingskontingente ab. Hollande fürchtet, dass der rechtsradikale Front National dadurch noch stärker und er noch schwächer werden würde.
Josef Janning vom European Council on Foreign Relations empfiehlt der deutschen Bundesregierung daher, sich neue Verbündete zu suchen. „Wir müssen dafür gar nicht weit schauen, nur bis zu den hochentwickelten und wohlhabenden kleineren Staaten der EU - die Benelux-Länder, Dänemark, Finnland, Österreich und Schweden“, schrieb Janning kürzlich in einem Gastbeitrag für die WirtschaftsWoche.
Das Problem: Auch bei diesen Ländern ist längst klar, ob sie an der Seite Deutschlands stehen. Österreich und Schweden hatten zunächst großzügig Flüchtlinge aufgenommen, wurden dann aber auf Druck der Bevölkerung immer restriktiver.