EU-Wiederaufbauplan Von der Leyen stellt viel Geld ins Schaufenster

Ursula von der leyen Quelle: AP

Die EU-Kommission schlägt ein 750-Milliarden-Programm für die Bekämpfung der Corona-Folgen vor. Am Schluss dürften es weniger Mittel werden – und der Verteilungskampf wird es in sich haben.

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Als EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch den Wiederaufbauplan für die EU nach Corona vorstellte, fiel erst einmal auf, wer schwieg. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz, sonst immer für einen schnellen ablehnenden Tweet gut, enthielt sich eines Kommentars. Und auch niederländische Diplomaten, ebenfalls gerne für prompte Kritik zu haben, wenn es um Ausgaben in der EU geht, zeigten sich vorsichtig. Der Vorschlag müsse erst eingehend evaluiert werden, hieß es in Brüssel.

Es hätte also schlimmer können. Für Ursula von der Leyen hat es sich offenbar ausgezahlt, dass sie in den vergangenen sechs Wochen den Kontakt zu den Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Mitgliedsstaaten gesucht hat, um einen Kompromiss beim Wiederaufbauplan und den Finanzen für die Jahre 2021 bis 2027 auszuloten. Der Verzicht auf schrille Töne heißt freilich nicht, dass es in den kommenden Wochen und Monaten keinen erbitterten Verteilungskampf in der EU geben wird. Der Streit ums Geld ist in der EU noch jedes Mal eskaliert.

Von der Leyen muss davon ausgehen, dass ihr Vorschlag deutlich verändert wird. Aber mit dem deutsch-französischen Vorschlag aus der Vorwoche hatte sie einen Kompromiss, auf dem sie aufbauen konnte. Auf die 500 Milliarden Euro, die Bundeskanzlerin Angela Merkel und Emmanuel Macron als Zuschüsse vorgestellt haben, hat die Kommissionschefin noch einmal 250 Milliarden Euro als Kredite draufgesattelt. Die Zahl der Kredite wird vermutlich schrumpfen, weil EU-Länder wie Spanien und Italien darauf gar nicht erpicht sind. Für die „sparsamen Vier“, neben Österreich und den Niederlanden auch Schweden und Dänemark ist es aber aus Prinzip wichtig, dass nicht nur Zuschüsse vergeben werden, sondern zurückzahlbare Darlehen. „Eine Einigung ist in diesem Punkt möglich“, prognostiziert der frühere EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger.

Schwieriger wird es schon bei der Verteilung der Gelder. Die EU-Kommission hat eine Tabelle erstellt, nach der Italien aus dem Wiederaufbauinstrument etwa 82 Milliarden Euro an Zuschüssen bekommen soll und Spanien 77 Milliarden Euro. Diese Zahlen sind noch nicht offiziell und könnten sich im Laufe der Verhandlungen ändern. Italienische Regierungsvertreter hatten in den vergangenen Wochen immer wieder 100 Milliarden Euro an Zuschüssen gefordert.

Italien hatte sich gewünscht, über das Geld frei verfügen zu können. Dazu soll es nicht kommen. Die EU-Kommission will, dass die Mittel gezielt eingesetzt werden, um wirtschaftliche Schwächen zu beheben. Ausgangspunkt soll dabei die Analyse aus dem Europäischen Semester bilden, in dem die Ökonomen der EU-Kommission Jahr für Jahr die Volkswirtschaften der Mitgliedsstaaten durchleuchten. Bisher haben die nationalen Regierungen die Empfehlungen hartnäckig ignoriert, die Bundesregierung übrigens auch. Künftig soll das anders werden. „Das bedarf dann aber konkreter Ausführungsvorschriften“, sagt Oettinger.

Absehbar großen Streit wird es um die Rückzahlung der Schulden geben. Denn das Wiederaufbauinstrument, mit dem nun die Folgen der Coronakrise bekämpft werden soll, wird über Schulden finanziert. Mittelfristig drohen den EU-Mitgliedsstaaten somit höhere Beiträge für die EU. Um den Anstieg zu mildern, will die EU-Kommission neue Einnahmequellen generieren. Genannt werden mehrere Optionen in Brüssel, etwa zusätzliche Einnahmen aus dem Emissionshandel, wenn der ausgeweitet wird auf die Schifffahrt.

Als weitere Möglichkeit wird eine CO2-Grenzausgleichssteuer genannt. Die ist jedoch selbst innerhalb der EU-Kommission höchst umstritten. Die Generaldirektion Handel will Abgaben vermeiden, die auf weniger umweltfreundlich hergestellte Produkte erhoben würden, weil sie nur schwer mit den Regeln der Welthandelsorganisation WTO in Einklang zu bringen wären. Außerdem würden sie – ganz ähnlich wie die ebenfalls erwähnte Digitalsteuer – Ärger mit den USA provozieren. Eine eigene Steuer für Konzerne, die vom EU-Binnenmarkt profitieren, ist so obskur, dass EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen sie am Mittwoch nicht einmal erklären konnte.

Eine Einigung wird es wohl erst nach mehreren Gipfeln der Staats- und Regierungschefs geben. Vermutlich mit langen Nachtsitzungen – denn bei Haushaltsfragen gilt in der EU Einstimmigkeit.

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