Euro, Banken, Politik Was das Italien-Referendum bedeutet

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Was bedeutet das Ergebnis für Italiens Banken?

Theoretisch nichts und praktisch doch ganz viel. Zwar stehen Regierungsbildung und Zustand der Banken in keinem direkten Verhältnis, allerdings stehen bei Italiens Banken in den nächsten Tagen so viele wegweisende Entscheidungen an, dass politische Unsicherheit ein echtes Risiko ist. Das größte Problem dürfte dabei nach wie vor die älteste Bank der Welt, die Banca Monte dei Paschi di Siena sein, das drittgrößte Institut des Landes. Nachdem Anleihegläubiger dort zuletzt im Zuge eines Rettungsplan der Umwandlung ihrer Anleihen in Aktien zugestimmt hatte, sollte in diesen Tagen nun präsentiert werden, wie frisches Kapital in die Bank gelangen soll. Daran arbeitet eine Gruppe an Banken rund um die US-Bank JP Morgan. Von Einzelinvestoren aus dem arabischen Raum bis zu einer konzertierten Aktion westlicher Großbanken waren mehrere Optionen im Gespräch – und scheinen nun vom Tisch.

Die britische FT zitiert heute Morgen Banker aus dem Umfeld des Berater-Teams, wonach mit frischem Kapital aus privaten Quellen zunächst angesichts der politischen Instabilität nicht mehr zu rechnen sei. Im Umfeld des bisherigen Pemiers Renzi geht man davon aus, dass die Bank sich erneut mit einem Hilferuf an den Staat wenden werde. Eigentlich darf dieser gemäß europäischer Regeln nicht mehr direkt eingreifen. Allerdings könnte die politische Krise als Argument für eine Ausnahme herhalten. Eine andere Variante wäre, die Bank sich selbst zu überlassen und die vielen Kleinanleger unter den Gläubigern staatlich zu entschädigen. Letzteres hatte die Chefin der europäischen Bankenaufsicht, Elke König, zuletzt in der WirtschaftsWoche angedeutet.

Neben der Sieneser Bank drängt allerdings noch ein ungleich größeres Risiko: Unicredit, die größte Bank Italiens, hängt zwar nicht so am seidenen Faden, wie das Geldhaus aus der Toskana, hat allerdings für den 13. Dezember eine Kapitalerhöhung avisiert. 13 Milliarden Euro will die Bank dann auftreiben. Auch das gilt in politisch unsicheren Zeiten als schwierig. Zudem bis zu sechs weitere, eher kleinere Banken, die in Schieflage geraten sind und ebenfalls kurzfristig in akute Kapitalnöte gelangen könnten. Insgesamt ächzt Italiens Bankenbranche laut neuesten Zahlen der Europäischen Zentralbank unter faulen Krediten über 270 Milliarden Euro.

Was sagen die Märkte?

Sie mühen sich, Ruhe auszustrahlen. So sagte der ING-Diba-Chefvolkswirt Carsten Brzeski etwa am Montagmorgen: „Gestürzte Regierungen in Italien sind nun wirklich nichts Neues und Europa hat schon Vieles überlebt.“ Möglicherweise liege in dem „Nein“ aber auch eine Chance: „Eine technokratische Übergangsregierung kann die Probleme im Bankensektor und den erneuten Reformstau zusammen mit Europa rücksichtsloser angehen als die Regierung Renzi“.

Allerdings verlor in der Nacht zu Montag etwa der Euro an Asiens Börsen um bis zu neun Prozent an Wert, erholte sich dann aber zügig wieder. „Der asiatische Handel hat gefasst reagiert. Der Eurokurs ist nicht eingebrochen. Natürlich ist es tragisch, dass die Italiener die Chance vertan haben, sich einen effizienteren parlamentarischen Entscheidungsprozess zu geben. Aber das bedeutet nicht automatisch eine eurokritische Fünf-Sterne-Regierung und eine Rückkehr der Staatsschuldenkrise“, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.

Mit italienischen Luxusaktien überwintern

Die Märkte dürften allerdings dennoch nicht erfreut sein. Abzulesen war das in den Tagen vor dem Referendum schon am Risikoaufschlag auf italienische Staatsanleihen: Der stieg auf zeitweise zwei Prozent, lag am Freitag bei 1,7 Prozent. Und viele Italiener trauen der Lage nicht. Sie brachten schon in den Wochen vor der Wahl Vermögensgegenstände in scheinbare Sicherheit. So gab es einen regelrechten Run aus Italien auf Gold in der Schweiz.

Für eine regelrechte Kapitalflucht aus dem Land könnte auch ein anderer Wert sprechen: Deutschlands positiver Target-2-Saldo und die negativen Salden Südeuropas klaffen fast so stark auseinander wie auf dem Höhepunkt der Euro-Krise. Die Forderungen der Bundesbank haben mit mehr als 700 Milliarden Euro fast wieder den Rekord von 751 Milliarden Euro vor vier Jahren erreicht. Umgekehrt wächst der negative Target-Kontostand der südeuropäischen Zentralbanken. Italien liegt nach den jüngsten verfügbaren Daten von Oktober mit mehr als 355 Milliarden Euro im Minus. Es gibt Ökonomen, die dieses Ungleichgewicht im über die Notenbanken abgewickelten innereuropäischen Zahlungsverkehr, als Symptom für Kapitalflucht sehen.

Wie entwickelt sich Italiens Europa-Politik?

Der Luxemburger Außenminister Jean Asselborn beeilte sich, direkt nach dem Referendum dessen Bedeutung für Europa herunterzuspielen. Doch er könnte damit falsch liegen. Zwar steht kein unmittelbarer Austritt Italiens aus Euro oder Europäischer Union bevor. Allerdings galt Matteo Renzi als letzter überzeugter Europäer unter Italiens politischem Spitzenpersonal. Und auch deswegen hat er das Referendum verloren.

So lässt sich bei aller Unsicherheit, die das wirre politische System Italiens mit sich bringt, eine Gewissheit festhalten: Brüssel und Berlin droht deutlich mehr Widerstand aus Rom als bisher. Kaum vorstellbar, dass sich in absehbarer Zeit unter den führenden Kräften Italiens jemand findet, der kraftvoll und glaubwürdig für Europa und Euro nach bisheriger Vorstellung eintrifft. Die Protestbewegungen „Cinque Stelle“ und Lega Nord machen offen Politik gegen alles, was aus Nordeuropa kommt. Und bei Sozialdemokraten und gemäßigt Konservativen ist eine gewisse Ermüdung eingetreten, sich für Europa in seiner bisherigen Form zu engagieren. In Italiens Politik kursieren deswegen drei Möglichkeiten: Man nimmt Europa hin, engagiert sich aber nicht mehr an vorderster Stelle wie zuletzt Renzi; man versucht, eine Koalition der Südländer zu schmieden, die der in Italien so empfundenen Vormachtstellung der Nordländer einen stimmgewichtigen Block entgegensetzt; man ruft die Bevölkerung auf, in einem Referendum über den Verbleib im Euro abzustimmen.

Immerhin dürfte Europa noch etwas Zeit bekommen, sich darauf eine Antwort zu überlegen. Denn vermutlich wird die Europäische Zentralbank am Donnerstag noch einmal einen Anlauf unternehmen, die größten Verwerfungen aus Italien für die Märkte abzumildern. Der Präsident der Europäischen Zentralbank wird am Donnerstag die Verlängerung des laufenden Anleihekaufprogramms ankündigen und dabei an dem monatlichen Ankaufvolumen von derzeit 80 Milliarden Euro festhalten, ergab eine Umfrage von Bloomberg unter Volkswirten. Das würde noch einmal den Druck auf Südeuropa lindern. Die langsam anziehende Inflationsrate und eine moderate, doch stete Konjunkturerholung geben Draghi den notwendigen Spielraum, um Ende 2017 mit einer allmählichen Verringerung der Ankäufe - dem so genannten "Tapering" - zu beginnen, sagten drei Viertel der Befragten.

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