Euro, Banken, Politik Was das Italien-Referendum bedeutet

Die Italiener habe sich eine Regierungskrise gewählt, Ministerpräsident Matteo Renzi tritt zurück. Was das bedeutet? Antworten auf die fünf derzeit wichtigsten Fragen zu Italien.

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Der Ministerpräsident Italiens, Matteo Renzi, erlitt beim Referendum über eine Verfassungsreform eine Niederlage und kündigte seinen Rücktritt an. Quelle: dpa

Was ist eigentlich passiert?

Die Italiener haben am Sonntag eine geplante Verfassungsreform per Referendum abgelehnt. Bei einer hohen Wahlbeteiligung von etwa 70 Prozent stimmten mehr als 60 Prozent gegen das Projekt von Ministerpräsident Matteo Renzi, 40 Prozent dafür. „Es war ein Fest der Demokratie“, sagte Renzi am späten Abend in Rom – und erklärte dann seinen Rücktritt.

Der Sozialdemokrat hatte bereits im Vorfeld angekündigt, im Fall eines „No“ zurückzutreten. Allerdings fiel die Ablehnung nun deutlich größer aus, als erwartet. Nur in drei Regionen – Trentino-Südtirol, Toskana, Emilia-Romagna – und wenigen Großstädten wie Mailand (sehr knapp) und Florenz (sehr deutlich) lag das „Si“-Lager am Ende vorne. Vor allem in Süditalien, wo die Wirtschaft seit Jahren schrumpft, die Jugendarbeitslosigkeit zum Teil 80 Prozent erreicht, ging das Renzi-Lager regelrecht unter. In Kampaniens Metropole Neapel etwa sprachen sich 70 Prozent gegen die Renzi-Reform aus, in anderen Teilen des Südens waren es bis zu 80 Prozent.

Damit stellten sich die Italiener gegen die Mahnungen ihrer kompletten wirtschaftlichen Elite sowie des europäischen Auslands: Bis zum Sonntag hatten nahezu alle italienischen Unternehmenschefs, Banker, aber auch viele Gesellschaftsgrößen für ein Ja geworben. In letzter Minute hatte sich sogar noch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) eingemischt und die Italiener gebeten, den Sozialdemokraten Renzi zu stützen.

„Nein“ zur italienischen Verfassungsreform: Stimmen und Reaktionen

Wie geht es nun weiter?

Am heuten Montagnachmittag wird Renzi seinen Rücktritt und den seiner Regierungsmannschaft auch offiziell bei Staatspräsident Sergio Mattarella einreichen. Der gemäßigte Sizilianer, der parteiübergreifend hohes Ansehen genießt, wird in den nächsten Tagen die entscheidenden Fäden in der Hand halten. Mattarella steht, sollte er Renzis Rücktritt erwartungsgemäß annehmen, zunächst vor zwei Alternativen: er kann auf Basis der bisherigen Mehrheitsverhältnisse im Parlament den Abgeordneten einen neuen Regierungschef vorschlagen, der bis zu den turnusgemäßen Wahlen 2018 regiert, oder er kann das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen.

Als wahrscheinlichere Variante in Rom gilt die erstere. Demnach würde Mattarelle dem Parlament einen so genannten „Technokraten“ vorschlagen, unter dessen Führung Italiens Regierung bis zu den nächsten Wahlen die nötigsten Dinge unternimmt und der danach wieder in die zweite Reihe zurücktritt oder abdankt. Der bisherige Finanzminister Pier Carlo Padoan, Industrieminister Carlo Calenda, Verkehrsminister Graziano Delrio oder die bisherigen Chefs von Abgeordnetenhaus und Senat werden als Kandidaten für die Führung einer solcher Übergangsregierung gehandelt.

Es wären alles Kandidaten, die mehr oder weniger den Renzi-Kurs moderater Reformen fortsetzen würden. Padoan würde vermutlich einen Kurs exakt auf Brüsseler und Berliner Linie steuern (was ihn in den Augen vieler Italiener mäßig beliebt macht), Delrio oder die bisherigen Kammer-Präsidenten einen etwas euroskeptischeren, aber dennoch „gemäßigten“ Kurs einschlagen. Die Grundlage für eine solche Lösung ist auch deswegen stabil, weil sich an der Parlamentsmehrheit für die Koalition aus Sozialdemokraten und Konservativen unter Führung des Ex-Berlusconi-Getreuen Angelino Alfano durch das Referendum nichts ändert.

Die Alternative dazu wären Wahlen zu beiden Kammern des Parlaments im kommenden Jahr. Dann stände Italien ein Wahlkampf des sich gegenseitig überbietenden Anti-Europäertums bevor. Laut Umfragen würden sich Sozialdemokraten und die Protestbewegung „Cinque Stelle" des Komikers Beppe Grillo dann ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. Ausgang ungewiss. Bis Sonntag war in Rom spekuliert worden, ob Matteo Renzi nach einem Rücktritt als Regierungschef trotzdem als Spitzenkandidat der Sozialdemokraten in einen solchen Wahlkampf ziehe. Das darf nach der deutlichen Niederlage als unwahrscheinlich gelten.

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