In Finnlands Hauptstadt Helsinki gibt es gerade einmal zwischen zehn und 15 Sommertage, an denen die Temperatur über 25 Grad steigt. Die Olympia-Athleten liegen im Medaillenspiegel 2012 mit nur einer Silbermedaille auf Rang 55, noch hinter der Mongolei und Tunesien – und der einzige finnische Konzern mit Weltruf, Nokia, steckt tief in der Krise. Trotzdem sind die Finnen eines der glücklichsten Völker der Welt. Im diesjährigen "Happiness Report" liegt Finnland auf Rang zwei, nur hauchdünn hinter Dänemark.
"In Finnland, insbesondere in der Hauptstadt Helsinki, kann man sehr gut leben. Die Metropole ist kompakt, nicht sehr riesig – und hat dennoch viel an Kultur und Freizeitmöglichkeiten zu bieten. Und vor allem: Die Natur ist sehr schön. Ich kann verstehen, dass sich die Finnen wohlfühlen", sagt Torsten Pauly, der seit eineinhalb Jahren in Helsinki lebt und dort Repräsentant bei "Germany Trade & Invest" ist, eine Bundes-GmbH, deren Aufgabe das Marketing für den Standort Deutschland ist.
Wissenswertes über Finnland
Finnland ist zwar nur wenig kleiner als Deutschland, dafür hat das Land im Norden lediglich 5,4 Millionen Einwohner. Die Mehrheit davon wohnt im Süden des Landes und im Großraum Helsinki. Etwa 40 Prozent der Bevölkerung leben in Südfinnland, das entspricht einer Dichte von 62,6 Einwohnern pro Quadratkilometer. Im Norden des Landes, in Lappland, sind es nur 1,9 Einwohner je Quadratkilometer.
Die finnische Nationalhymne wird in mehrfacher Hinsicht geteilt: Zum einen benutzt Estland die gleiche Melodie (komponiert von Fredrik Pacius) als Nationalhymne, zum andern existiert die finnische Hymne in zwei Sprachen. Ein Großteil der Bevölkerung singt die Maamme (finnisch), während ein kleiner Teil Vårt land (schwedisch) singt. Die autonome Provinz Åland hat ihre ganz eigene Nationalhymne, das Ålänningens sång.
Wegen der schwedischen Minderheit müssen alle Gemeinden, in denen Finnisch und Schwedisch sprechende Menschen leben, Unterricht in beiden Sprachen anbieten. Die Schulpflicht gilt in Finnland wie auch in Deutschland bis zum 16. Lebensjahr. Neun Jahre lang gehen die Finnen in die peruskoulu, eine Art gemeinsame Grundschule.
In Finnland haben drei Konzerne die Macht über den Lebensmittel- und Getränkemarkt: S-Markt, K-Markt und Suomen Lähikauppa halten gemeinsam fast 90 Prozent. Ausländische Konzerne und Ketten haben es wegen des geringen Marktvolumens eher schwer. Bäckerei- oder Fleischerketten gibt es in Finnland kaum.
Die Finnen verkaufen seit jeher Holz und Papier. In den Siebzigerjahren machten diese Industriezweige über die Hälfte des finnischen Exportes aus. Dann kamen Nokia und Co. und Finnland wandelte sich von einer Agrar- zu einer Dienstleistungsgesellschaft. Doch auch heute noch stellen die finnischen Wälder den wichtigsten Rohstoff des Landes dar.
Dennoch sind mittlerweile Maschinen der finnische Exportschlager (8,4 Milliarden Euro in 2010). Sie machen 16 Prozent des Exports aus. Gefolgt von Papier und Pappe mit 14 Prozent (7,3 Milliarden Euro im Jahr 2010). Außerdem ist Heavy Metal in Finnland ausgesprochen populär. Die Finnen versorgen Europas und Amerikas Metal-Fans mit Rock- und Metalbands wie Children of Bodom, Nightwish oder dem Eurovision Song Contest-Gewinner Lordi.
Namhafte Finnen sind die Regisseure Aki und Mika Kaurismäki, die Komponisten Jean Sibelius und Levi Madetoja, sowie die Rennfahrer Mika Häkkinen und Kimi Räikkönen. Der reichste Finne ist laut aktueller Forbes-Liste übrigens Antti Herlin, der es dank seiner Maschinenbau- und Servicefirma KONE Corporation auf ein Vermögen von rund zwei Milliarden Dollar gebracht hat.
Der gemeine Finne betätigt sich gern sportlich, zum Teil auch in kuriosen Disziplinen. Großer Beliebtheit erfreut sich in Finnland beispielsweise das Frauentragen. Die "Wife Carrying World Championship Games" finden in Sonkajärvi in Ostfinnland seit 1992 statt. Genauso beliebt sind Melkschemel- oder Handy-Weitwurf, Mückenklatschen und Beeren pflücken als Teamsport. Seit 2011 finden übrigens auch Weltmeisterschaften im Schlammfußball in Finnland statt.
Alkohol ist in Finnland verhältnismäßig teuer, auch wenn 2004 die Alkoholsteuer um 33 Prozent gesenkt worden ist. Auch der Verkauf ist streng reglementiert: Getränke mit mehr als 4,7 Prozent Alkoholgehalt dürfen nur in staatlichen Monopolgeschäften, den Alkoshops, verkauft werden. Wer in der Kneipe eine Flasche Bier bestellt, muss 18 Jahre alt sein und mit fünf Euro pro Flasche rechnen. Vom Trinken scheint das die Finnen aber nicht abzuhalten. Im Jahr 2005 war Alkohol die häufigste Todesursache unter Finnen im arbeitsfähigen Alter.
Doch wie lange hält das Glück angesichts der Euro-Schuldenkrise? Die Ratingagentur Moody's droht Deutschland, den Niederlanden und Luxemburg mit dem Verlust des Top-Ratings. Finnland könnte als einziger Euro-Staat die höchste Bonitätsnote "AAA" behalten. Glücklich ist darüber im hohen Norden keiner. "In Finnland ist man zufrieden, dass man von der Ratingagentur Moody’s gut bewertet wurde. Aber die Bürger blicken auch mit Sorge auf die Schuldenkrise. Finnland ist ein kleines Land und weiß, dass es alleine die Krise nicht lösen kann", so Pauly.
Jutta Urpilainen hat genug von immer neuen Rettungspaketen
In Finnland geht die Angst um, dass die Nordstaaten den Süden dauerhaft alimentieren müssen und überfordert werden. Insbesondere Finnlands Finanzministerin Jutta Urpilainen hat genug von immer neuen Rettungspaketen und den Diskussionen um Eurobonds. Finnland sei nicht bereit, für die Schulden anderer Länder zu haften, sagte Urpilainen. Gegen den Ankauf von Staatsanleihen der Krisenländer durch den Euro-Rettungsschirm ESM werde Finnland sein Veto einlegen – oder dem Währungsverbund den Rücken kehren. "Wir sind auf alle Szenarien vorbereitet, auch auf einen Ausstieg aus dem Euro", drohte Urpilainen.
Mit ihren Euro-kritischen Äußerungen weiß Urpilainen viele Finnen hinter sich. Die Nordeuropäer fürchten, dass sich die Hilfen für die Krisenländer zu einem Fass ohne Boden entwickeln. Daher haben sie beim zweiten Hilfspaket für Griechenland bereits eine Sonderregelung durchgesetzt, die sie vor den Folgen einer Staatspleite Griechenlands schützt. Nun haben sie Ähnliches bei den Hilfen für Spanien vereinbart.
Helsinki schützt seine Steuerzahler
Finnlands Regierung hat sich mit der Regierung in Madrid auf die Zahlung von Garantien in Höhe von 769,92 Millionen Euro im Gegenzug für ihre Beteiligung am europäischen Hilfsprogramm für den spanischen Bankensektor geeinigt. Das sind 40 Prozent des finnischen Beitrags. Das Geld wurde auf ein Garantiekonto gezahlt. Damit sollen die Risiken für die Steuerzahler begrenzt werden, so das Finanzministerium in Helsinki.
"Das ist die Lösung auch für Deutschland"
Diesen Weg sollte auch Berlin gehen, findet der Präsident des ifo-Instituts Hans-Werner Sinn. "Moody‘s hat Finnlands ,AAA'-Rating bestätigt, weil Finnland sich Pfänder für seine Rettungskredite hat geben lassen. Das ist die Lösung auch für Deutschland", sagte Sinn gegenüber der WirtschaftsWoche.
In der Tat: Die Deals mit Griechenland und Spanien sind der Hauptgrund, warum Moody’s den Ausblick für Finnland – anders als für Deutschland, Luxemburg und die Niederlande – nicht senkte. Hinzu kommt aber laut der amerikanischen Ratingagentur, dass das Bankensystem relativ klein und auf den Heimatmarkt fokussiert ist. Und: Die Finnen haben sich ihr Top-Rating durch eine solide Finanzpolitik verdient. Sie haben noch nie die in den EU-Verträgen festgelegte Defizitgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschritten. Die Staatsverschuldung Finnlands ist somit auch vergleichsweise gering: Sie liegt bei 50 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung, in Deutschland bei mehr als 80 Prozent.
Europas Musterschüler
Slowenien ist eins von fünf Euro-Ländern, dessen Verschuldungsquote die Maastricht-Kriterien erfüllt: Sie soll Ende 2012 laut Prognose bei 54,7 Prozent des BIP liegen. Der Trend ist dennoch negativ: Nach einem Defizit in Höhe von 6,4 Prozent des BIP im Jahr 2011 steuert die Regierung in diesem Jahr auf 4,3 Prozent zu.
Ein Musterbeispiel für solide Haushaltsführung ist Finnland: Die Bruttoverschuldungsquote der Skandinavier liegt bei 50,5 Prozent und bewegt sich damit locker in dem Rahmen, den der Maastricht-Vertrag vorgibt. Auch die Haushaltszahlen können sich sehen lassen: In den vergangenen vier Jahren lag Finnlands Defizit nie über der Drei-Prozent-Marke. Im Jahr 2012 werden es nach Prognose von Eurostat gerade einmal 0,7 Prozent sein.
Auch die Slowakei weist eine niedrige Gesamtverschuldung auf: Die Bruttoverschuldungsquote liegt bei 49,7 Prozent des BIP. In den vergangen Jahren allerdings hatten die Slowaken zunehmend Probleme: Bei acht Prozent des BIP lag das Haushaltsdefizit im Jahr 2009, in diesem Jahr werden es laut Eurostat-Prognose 4,7 Prozent sein.
Geldsorgen sind in Luxemburg ein Fremdwort. Die Verschuldungsquote des Großherzogtums liegt bei niedrigen 20,3 Prozent. Der Regierung gelingt es in den meisten Jahren auch, mit den eingenommenen Steuermitteln auszukommen. In den vergangenen drei Jahren lag das Haushaltsdefizit stets unter einem Prozent des BIP. Die anvisierten 1,8 Prozent in diesem Jahr sind da schon ein Ausreißer nach oben.
Der absolute Haushalts-Musterschüler der Euro-Zone ist Estland. Das baltische Land hat eine Gesamtverschuldung, die bei extrem niedrigen 10,4 Prozent des BIP liegt - ein echter Spitzenwert. 2010 und 2011 gelang es der Regierung sogar, einen kleinen Haushaltsüberschuss zu erwirtschaften. In diesem Jahr läuft es etwas schlechter: Voraussichtlich wird die Regierung Kredite in Höhe von 2,4 Prozent des BIP aufnehmen. Die Maastricht-Kriterien halten die Esten damit aber immer noch locker ein.
Auch der Wirtschaft des Landes geht es gut – obwohl Finnland den Unternehmen mit seinen 5,4 Millionen Einwohnern nur einen sehr kleinen Markt bietet. "Die Wirtschaft ist stark vom Export abhängig. Trotz der schwachen Weltkonjunktur stieg das Bruttoinlandsprodukt aber im vergangenen Jahr um knapp drei Prozent. Auch in diesem Jahr soll es mit 0,8 Prozent immerhin noch schwach wachsen", erklärt Pauly. Dass die Wirtschaft weiter anzieht liegt auch daran, dass die Finnen – anders als die Deutschen – weniger als ein Drittel der Gesamtexporte in den Euro-Staaten absetzen. Die Staatsschuldenkrise und die mangelnde Nachfrage nach Gütern aus Südeuropa kann den nordischen Produzenten somit weniger anhaben als den deutschen. Die wichtigsten Handelspartner sind die Bundesrepublik, Schweden, das Baltikum und Russland.
"Die Finnen haben ein ambivalentes Verhältnis zu ihrem östlichen Nachbarn. Zwar sind noch negative Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg, an dessen Ende Finnland Gebiete im Osten an Russland verloren hatte, präsent. Aber seit dem Ende des Krieges hat sich ein pragmatisches Verhältnis entwickelt – insbesondere im wirtschaftlichen Umgang", weiß Finnland-Kenner Torsten Pauly. Die Folge: Heute gehört Russland nicht nur zu den drei wichtigsten Handelspartnern, auch für den Tourismus ist Russland mit 1,5 Millionen Gästen im Jahr der wichtigste Markt. Zum Vergleich: Gut 500.000 Deutsche und Schweden reisen jährlich nach Finnland.
Nokia-Krise hält das Land in Atem
Dass in Finnland längst nicht alles rosig ist, zeigt Nokia. Der größte und bekannteste finnische Konzern befindet sich im freien Fall, in Russland wie in Europa und Nordamerika. 38,6 Prozent aller verkauften Mobiltelefone zwischen Moskau und Jakutsk kommen aus Finnland. Tendenz: stark rückgängig. Noch ist Nokia Marktführer in Russland. Doch der Vorsprung auf Samsung ist nur noch minimal. Und: Wie überall auf der Welt verkauft Nokia auch in Russland kaum teure Geräte, die hohe Margen bringen.
Die Folge: Das Unternehmen schreibt tiefrote Zahlen. Der Umsatz des Konzerns brach im zweiten Quartal auf Jahressicht um 19 Prozent auf gut 7,5 Milliarden Euro ein. Unter dem Strich machten die Finnen von April bis Juni weitere 1,4 Milliarden Euro Verlust.
Der Niedergang Nokias ist für Finnland mehr als eine Fußnote. Nokia ist – ähnlich wie die deutschen Traditionsmarken Opel oder Quelle – ein Symbol, dessen Niedergang im ganzen Land verfolgt wird. "Der Abstieg Nokias wird mit großer Sorge betrachtet. Der Konzern verkauft keine teuren Produkte, sondern eher Billig-Telefone. Das kann sich ein Hochlohn-Land wie Finnland nicht erlauben", sagt Torsten Pauly. Die Verunsicherung ist groß, dass Nokia mehr als nur ein Einzelfall ist.
Wer den Markt der Smartphones regiert
Platz 1: Mit einem Marktanteil von 18,4 Prozent führte Apple im zweiten Quartal des Jahres den Smartphone-Markt an. Insgesamt 20, 34 Millionen Smartphones lieferte der Hersteller in diesem Zeitraum an den weltweiten Handel. Im Vergleich zum ersten Quartal entspricht das einer Steigerung von über neun Prozent. Verglichen mit dem Vorjahr konnte Apple damit sogar eine Steigerung von über 140 Prozent erzielen.
Platz 2: Direkt hinter Apple reiht sich der südkoreanische Rivale Samsung mit einem Marktanteil von 17,8 Prozent ein. Insgesamt 19,6 Millionen Smartphones brachten die Koreaner im zweiten Quartal in den weltweiten Handel. Damit hat sich der Hersteller selbst übertroffen: Im Vergleich zum ersten Quartal entspricht das einer Steigerung von fast 56 Prozent, im Vergleich zum Vorjahr ist das sogar eine 600-prozentige Steigerung.
Platz 3: Mit einem Marktanteil von 15,1 Prozent hat es Nokia trotz der Verluste bei den Smartphones im zweiten Quartal noch unter die drei Besten geschafft. 16,7 Millionen Modelle lieferte der Hersteller aus - das sind 31 Prozent weniger als noch im ersten Quartal.
Platz 4: Ebenfalls Verluste machte RIM im zweiten Quartal des Jahres. Mit 13,2 Millionen ausgelieferten Smartphones erreichte der Hersteller einen Marktanteil von 12 Prozent, musste im Vergleich zum Quartal zuvor aber einen Rückgang von fast 11 Prozent in Kauf nehmen.
Platz 5: Der Marktanteil der HTC-Smartphones lag im zweiten Quartal bei 10,8 Prozent. Insgesamt fast 12 Millionen Modelle brachte der Hersteller in den Handel und steigerte damit sein Ergebnis aus dem Quartal zuvor um fast 25 Prozent.
Platz 6: Motorola-Smartphones erreichten im zweiten Quartal einen Marktanteil von 4 Prozent. 4,4 Millionen Modelle brachte der Hersteller in diesem Zeitraum in den weltweiten Handel und steigerte sein Ergebnis aus dem ersten Quartal damit um mehr als sieben Prozent.
Platz 7: Der japanische Elektronikkonzern Sharp hat mit 1,48 Millionen ausgelieferten Smartphones im zweiten Quartal einen Marktanteil von 6,8 Prozent erreicht. Im Vergleich zum ersten Quartal konnte der Konzern sein Ergebnis um 1,3 Prozent steigern.
Unter ferner liefen: Alle anderen, weniger nennenswerten Hersteller machten im zweiten Quartal mit rund 22,7 Millionen ausgelieferten Smartphones zusammengenommen einen Marktanteil von 20,6 Prozent aus. Im Vergleich zum Quartal zuvor entspricht das einer Steigerung von fast 31 Prozent. Betrachtet man den gesamten Markt, so wurden im zweiten Quartal weltweit über 1,1 Milliarden Smartphones der verschiedenen Hersteller ausgeliefert. Im Vergleich zum ersten Quartal entspricht das einer Steigerung von 7,5 Prozent, im Vergleich zum Vorjahr ist es sogar eine Steigerung um rund 82 Prozent.
Die Handy-Produktion ist längst weggezogen, erst nach Osteuropa, nun weiter Richtung Asien. Nicht nur, dass Jobs am Stammsitz von Nokia wegfallen. Auch viele Zulieferer leiden unter der Nokia-Krise. "Vor allen in der kleinen Stadt Espoo, unweit von Helsinki, in der auch der Hauptsitz von Nokia liegt, sind viele Mittelständler unter starkem Druck. Denn Nokia spart nicht nur bei sich selbst und streicht Stellen, sondern spart auch bei den Zulieferern", so Pauly.
Dass der Konzern zurück zur alten Stärke findet, glaube in Helsinki kaum noch jemand. Dabei wäre es wichtig für die finnische Wirtschaft. Pauly erklärt: "Erstmals seit 1990 hat Finnland ein Handelsbilanzdefizit. Das basiert vor allem auf dem Einbruch des Exports elektronischer Erzeugnisse. 2006 betrug deren Anteil am finnischen Export rund 17 Prozent. Inzwischen ist der Wert auf unter fünf Prozent gesunken."
Die Holz- und Papierindustrie steckt im Umbruch
Wie Nokia kämpfen viele finnische Firmen mit den Herausforderungen des digitalen Wandels und der Globalisierung. Einigen gelingt das gut: So wie die Maschinenbauer Wärtsilä oder Kone, die auch vom starken Wachstum in den Schwellenländern profitieren. Andere tun sich schwer: So wie die Holz- und Papierindustrie, der bedeutendste Zweig des Sekundärsektors. Dank seiner riesigen Wälder und der vorhandenen Verarbeitungskapazitäten ist die Holz- und Papierindustrie der bedeutendste Zweig des Sekundärsektors. Aber die Branche ist um Umbruch – und sehr konjunkturabhängig.
"Für die Zukunft des Landes ist es wichtig, dass Finnland Innovationskraft hat. Die Wirtschaft muss High-Tech-Produkte für den Export entwickeln. Nur so kann das Land seinen Wohlstand halten", sagt Pauly. Aber wie stehen die Chancen, dass Helsinki auch in 20 Jahren erfolgreich ist?
Exzellentes Bildungssystem
Die Antwort: ziemlich gut. Denn Finnland hat die Grundvoraussetzung, um auch in Zukunft kreativ, innovativ und erfolgreich zu sein. Das Schul- und Bildungssystem genießt seit dem ersten PISA-Test im Jahr 2000 einen hervorragenden Ruf. Beim 2009er-Test war Finnland erneut das mit Abstand beste europäische Land. Die Schüler zwischen Helsinki und Lappland erreichten Bestnoten im Lesen (Rang 3), bei den Naturwissenschaften (Rang 2) und in der Mathematik (Rang 6). Zum Vergleich: Deutschland landete im Mittelfeld, auf den Rängen 16 (Mathematik), 13 (Naturwissenschaften) und 20 (Lesen).
Die Gründe für Finnlands Top-Leistung sind vielfältig. Zum einen hat das Lernen traditionell einen enorm hohen Stellenwert in der Gesellschaft. Darüber hinaus sind die Klassen klein, die Lehrer gut ausgebildet und die Schüler dank individueller Förderung hoch motiviert. Aufgrund der vergleichsweise geringen Zuwanderung hat das Land zudem wenig Probleme mit zuwanderungsbedingter mangelnder Sprachbeherrschung.
Können Sie diese PISA-Aufgaben lösen?
An Manuelas Schule führt der Physiklehrer Tests durch, bei denen 100 Punkte zu erreichen sind. Manuela hat bei ihren ersten vier Physiktests durchschnittlich 60 Punkte erreicht. Beim fünften Test erreichte sie 80 Punkte. Was ist Manuelas Punktedurchschnitt in Physik nach allen fünf Tests?
a) 64 Punkte
b) 72 Punkte
c) 68 Punkte
Fünf Seiten eines Würfels von drei Zentimetern Kantenlänge werden rot angestrichen, die sechste Fläche bleibt ohne Anstrich. Wie viel Prozent der Würfeloberfläche sind rot?
a) Etwa 60 Prozent
b) Etwa 83 Prozent
Wie tief ist der Tschadsee heute?
a) Etwa 15 Meter
b) Etwa fünfzig Meter
c) Etwa zwei Meter
Wie verändert sich das Gewicht auf der Waage wenn man beim Wiegen schwungvoll in die Knie geht?
a) Es ändert sich gar nichts an der Gewichtsangabe
b) Das Gewicht wird für diesen Moment höher angezeigt
c) Das Gewicht wird kurzzeitig geringer angezeigt
Die Temperatur im Grand Canyon reicht von unter 0 Grad bis über 40 Grad. Obwohl es sich um eine Wüstengegend handelt, gibt es in einigen Felsspalten Wasser. Wie beschleunigen diese Temperaturschwankungen und das Wasser in den Felsspalten die Zersetzung des Gesteins?
a) Gefrierendes Wasser dehnt sich in Felsspalten aus
b) Gefrierendes Wasser löst warmes Gestein auf
c) Wasser kittet Gestein zusammen
Wie wirkt es sich aus, wenn Sie eine dunkle Sonnenbrille ohne UV-Schutz tragen?
a) Es gelangen mehr UV-Strahlen ins Auge als ohne Brille.
b) Es gelangen weniger UV-Strahlen ins Auge als ohne Brille.
c) Es gelangen genau so viele UV-Strahlen ins Auge wie ohne Brille.
Frage 1: a
Frage 2: b
Frage 3: c
Frage 4: c
Frage 5: a
Frage 6: a
Das Motto "Keiner darf zurückbleiben" wird gelebt. Ein so kleines Land wie Finnland könne auf niemanden verzichten, sagt Leo Pahkin von der nationalen Schulbehörde. Man müsse sich fragen, welche Kenntnisse die Schüler in zehn, 15 Jahren brauchten. Dass dazu überdurchschnittliche IT-Kenntnisse gehören, bezweifelt im hohen Norden niemand. Computer sind aus dem Unterricht nicht wegzudenken.
Exzellente Geschäfte mit "Angry Birds"
Unweit vom Nokia-Hauptquartier in Espoo, bei Rovio Entertainment, lassen sich die Früchte der Bildungspolitik bestaunen. Von außen ist das Rovio-Gebäude unscheinbar, innen ist es unverwechselbar: Grüne Schweine sind an die weißen Wände gemalt, auf Regalen stehen rote, gelbe und schwarze schlecht gelaunt schauende Plüschvögel. Es sind die Protagonisten des Computerspiels "Angry Birds", das über 500 Millionen Mal heruntergeladen wurde und damit das zweitmeist verkaufte Programm für das iPhone und iPad ist. 224 überwiegend junge, aus der Region stammende Finnen arbeiten bei Rovio. Im vergangenen Jahr machte der Konzern einen Umsatz von 75,4 Millionen Euro, vor Steuern blieb in den Kassen ein Gewinn von 48 Millionen Euro hängen.
Doch auch in anderen Branchen tut sich etwas in Finnland. "Das Land nimmt derzeit viel Geld in die Hand, vor allem im Energiebereich und im Gesundheitswesen", erklärt Torsten Pauly. "Neue Autobahnabschnitte sind in Planung, in Helsinki werden alte Hafen- und Industriebrachen für mehrere Milliarden Euro auf Vordermann gebracht und im Atomkraftwerk Olkiluoto entsteht ein neuer Block für 6,6 Milliarden Euro." Von der finnischen Investitionsbereitschaft profitieren auch deutsche Unternehmen. "Am AKW-Ausbau ist Siemens beteiligt, aber auch zahlreiche deutsche Mittelständler", so Pauly.
Euro ja, neue Rettungspakete nein
Finnland – das bleibt unter dem Strich festzuhalten – ist gerüstet für die Zukunft. Das Land ist stark, trotz des kleinen Binnenmarktes, der Exportabhängigkeit sowie der Herausforderungen der Globalisierung. Die Politik macht ihre Hausaufgaben und hat die Staatsfinanzen im Griff. Der Lohn: Neben Deutschland und Österreich dürfen sich auch die Finnen über negative Renditen bei Anleiheauktionen freuen.
Dennoch ist die Euro-Begeisterung des Landes längst verflogen. Insbesondere der Vergleich mit den skandinavischen Nachbarn gibt den Finnen zu denken. Schweden etwa verfügt über eine eigene Währung und lässt die Finnen bei Pro-Kopf-Einkommen, Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit hinter sich. Viele Finnen fragen sich, warum sie im Euro bleiben und ihren Wohlstand gen Süden transferieren, wenn es ihren Nachbarn im Norden ohne Euro besser geht. Eine Euro-Rettung um jeden Preis kommt für sie nicht infrage.
Der richtige Umgang mit Finnen
Smalltalk ist in Finnland eher unüblich, wichtig ist es, auf den Punkt zu kommen. Bei Gesprächen geht es ruhig bis reserviert zu. Redeflüsse sind, wie auch Unterbrechungen des Gegenübers, eher unhöflich. Wer das Eis brechen möchte, sollte auf gemeinsames Essen oder Saunagänge setzen und nicht versuchen, das Gegenüber mit flapsigen Sprüchen oder Monologen für sich zu begeistern.
Auch auf Höflichkeitsfloskeln wird nicht allzu viel Wert gelegt. Wer in der Kneipe einfach nur "Olut" - also "Bier" - sagt und sich das "bitte" spart, macht nichts falsch. Dafür wird das Wort Kiitos (danke) sehr häufig verwendet. Beim Beispiel Bier bestellen hieße es in diesem Fall "olut kiitos". Wer von Geschäftspartnern zum Essen oder nur zu einem Spaziergang eingeladen wird, sollte sich auf jeden Fall dafür bedanken.
Händeschütteln ist erlaubt, im privaten Rahmen aber eher unüblich. Bei einer geschäftlichen Begrüßung gehört es dazu, beim Händeschütteln Vor- und Nachnamen zu nennen. Im finnischen gibt es zwar eine Entsprechung für die Anredeform "Sie", im Normalfall duzt man sich aber. Briefe beginnen meistens mit Hei, also Hallo.
Wer zum Geschäftspartner oder Kollegen nach Hause eingeladen wird, sollte an ein kleines Geschenk denken. Blumen und Wein sind in Ordnung, zu protzig sollte es nicht werden. Unangemeldet sollte man bei Finnen - weder privat noch dienstlich - aber nie vor der Tür stehen. Auch nicht mit Gastgeschenken.
Bei geschäftlichen Treffen sind Visitenkarten dringend notwendig. Unternehmen, die international tätig sind, haben diese in der Regel auch in Englisch. Für das Überreichen gibt es keine festen Regeln. Wer seinem Gegenüber weiteres Infomaterial über das eigene Unternehmen zukommen lassen möchte, sollte darauf achten, dass die Inhalte kurz und präzise sind. Geschwafel kommt nicht gut an.
Da Smalltalk in Finnland nicht sonderlich verbreitet ist, überlässt man am besten dem Gegenüber die Wahl der Themen. Für Unterhaltungen jenseits des Geschäftsabschlusses ist es von Vorteil, sich ein wenig mit finnischer Geschichte oder finnischen Prominenten auszukennen. Das erleichtert die Themenwahl. Kritik an Finnland, der dortigen Politik oder Gespräche über Arbeit und Geld sind dagegen eher ungeeignet.
Beim Thema Kleiderordnung gilt ähnlich wie in Deutschland: Männer machen mit Anzug und Krawatte nichts falsch, Frauen sollten Hosenanzug, Kostüm oder Kleid tragen. Jeans und T-Shirt gehören genauso wenig zum Businessoutfit wie in Deutschland. Sollte ein bestimmter Dresscode gefordert sein, wird man auf der Einladung darauf hingewiesen.
"Finnland ist ein überzeugtes Mitglied der Eurozone, und wir glauben daran, dass der Euro Finnland nutzt", sagte Jutta Urpilainen in einem Interview mit dem Finanzblatt "Kauppalehti". Die Finanzministerin machte jedoch deutlich, dass ihre Regierung einer gemeinsamen Haftung für die Schulden und Risiken der Euroländer nicht zustimmen werde. Auch eine Bankenunion mit gemeinsamer Haftung lehnte sie ab. Finnland werde eine "harte Haltung" einnehmen, wenn es um Rettungspläne für die Eurozone geht, sagte Urpilainen. "Wir sind konstruktiv und wollen die Krise lösen, aber nicht um jeden Preis."
Das konsequente Eintreten für die heimischen Steuerzahler und gegen den Euro-Schlendrian, die hohe Aufgeschlossenheit gegenüber technischen Neuerungen, das Bildungssystems und die Innovationsbereitschaft des Landes können auch für Deutschland Vorbildcharakter haben.
Zur verstärkten Zusammenarbeit in der Euro-Politik wäre man in Helsinki jedenfalls bereit. "Finnland ist ein kleines Land und weiß, dass es alleine die Krise nicht lösen kann. Die nationale Regierung hat wenig Einfluss auf Europa und schaut deshalb sehr auf Deutschland", sagt Torsten Pauly.
Bei der Bundesregierung ist das leider anders. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble schauen in der Euro-Krise eher in den Süden, als in den Norden.