War die D-Mark besser als der Euro?
Die D-Mark hat Deutschland Jahrzehnte der Prosperität beschert. Die Bundesrepublik ist nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Mark zu einer der weltweit führenden Industrie- und Exportnationen aufgestiegen. In dieser Zeit wurde Deutschland für seine stabile Währung von vielen anderen Ländern beneidet. Das war nicht zuletzt darauf zurück zu führen, dass die Bundesbank ihre Aufgabe, die Preise stabil zu halten, ernst genommen hat. Aus diesem Grund drängte Deutschlands darauf, die Europäische Zentralbank (EZB) nach dem Vorbild der Bundesbank zu konzipieren. Ebenso wie diese sollte die EZB weisungsunabhängig gegenüber den Regierungen und Parlamenten sein. Zudem wurde sie auf die Wahrung stabiler Preise verpflichtet.
Die Währungshüter der EZB weisen gern darauf hin, dass sie den Stabilitätsauftrag besser erfüllt haben als die Bundesbank. Tatsächlich gelang es der EZB, die Inflationsrate vergleichsweise niedrig zu halten. In Deutschland stiegen die Verbraucherpreise seit der Euro-Einführung im Schnitt um rund 1,6 Prozent pro Jahr. Zu D-Mark-Zeiten, in den Siebziger- und Achtzigerjahren, lag die Teuerungsrate noch bei knapp vier Prozent. 1992 überschritt sie sogar die Marke von fünf Prozent.
Doch es wäre verfehlt, daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, die EZB habe ihre Aufgabe besser erfüllt als die Bundesbank. Die Bundesbank hatte es mit deutlich widrigeren Umständen zu tun als die EZB. So waren die Siebziger- und Achtzigerjahre weltweit durch hohe Inflationsraten gekennzeichnet. Die Ölpreiskrisen hatten Lohn-Preisspiralen ausgelöst, gegen die die Bundesbank mit höheren Zinsen ankämpfte. Anfang der Neunzigerjahre trieben die kräftigen Lohnsteigerungen im Zuge des Wiedervereinigungsbooms die Inflation in die Höhe. Erst nachdem die Bundesbank die Zinsen erhöht und eine Stabilisierungsrezession in Kauf genommen hatte, sanken die Teuerungsraten wieder.





Globalisierung spielt der EZB zu
Dagegen profitierte die EZB von Beginn an von den preisdämpfenden Effekten der Globalisierung. Die wirtschaftliche Öffnung großer Schwellenländer wie China und Indien ließ das weltweite Angebot an Arbeitskräften Anfang der 2000er Jahre steigen. Unternehmen verlagerten Teile ihrer Produktion in die kostengünstigeren Schwellenländer. Das schmälerte die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften, drückte auf die Löhne und hielt die Preise in der Euro-Zone in Schach. Ein simpler Vergleich der Inflationsraten aus D-Mark-Zeiten mit denen des Euro-Zeitalters führt daher in die Irre.
Häufig ist zu hören, die deutschen Unternehmen hätten unter der stark aufwertenden D-Mark gelitten, weil diese die Exporte verteuert habe. Tatsächlich wertete die D-Mark nach dem Ende des Festkurssystems von Bretton Woods Anfang der Siebzigerjahre gegenüber den meisten anderen Währungen auf. Gleichwohl steigerten die deutschen Exporteure in dieser Zeit ihren Anteil am Welthandel.
Das hat mehrere Gründe. Zum einen stellen deutsche Unternehmen Produkte her, bei denen die Qualität, nicht der Preis, das kaufentscheidende Merkmal ist. Zudem besetzen sie mit ihren Produkten Nischenmärkte, in denen sie nur wenige Konkurrenten haben. Statt Standardlösungen bieten sie ihren Kunden auf deren Bedürfnisse zugeschnittene Produkte und Dienstleistungen an. Auf diese Weise gelang es ihnen, trotz der starken Mark ihre Produkte an den Mann zu bringen.