




Es war einer dieser sehr seltenen Termine, bei denen der Politikalltag fern scheint. Am vergangenen Dienstag reisten sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso nach Rom, um der Amtseinführung von Papst Franziskus beizuwohnen. Unter freiem Himmel erlebten sie die Zeremonie, anschließend wurden sie vom neuen Pontifex im Petersdom empfangen. Doch sie hatten den Prachtbau noch nicht verlassen, da waren die Protestantin Merkel und der Katholik Barroso schon in die Frage der Schuld verwickelt. Wer denn nun für das Fiasko bei der Zypern-Rettung verantwortlich sei, diskutierten die beiden. Keiner war bereit, ein Fehlverhalten einzugestehen.
Merkel und Barroso waren vergangene Woche nicht die Einzigen, die sich von dem fatalen Beschluss der Euro-Gruppe distanzierten, erstmals Sparguthaben unter 100 000 Euro anzutasten, die bisher als gesichert galten. Die 17 Finanzminister der Euro-Zone, die nach zehnstündigen Beratungen in der Nacht vom 15. auf den 16. März ihre Entscheidung einstimmig getroffen hatten, relativierten ihren Beschluss zwei Tage später in einer Telefonkonferenz. Ein absolutes Novum in der an Pannen bisher wahrlich nicht armen Euro-Rettung.
Mit den Wirren um die winzige Volkswirtschaft Zypern, die gerade einmal 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Euro-Zone ausmacht, hat die Euro-Krise eine neue Qualität erreicht. Indem die Euro-Gruppe bereit war, den Anlegerschutz aufzugeben, hat sie das Vertrauen in die Gemeinschaftswährung nachhaltig geschädigt und Beliebigkeit als Politikstil etabliert. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy spricht von einer „hochgradig schädlichen“ Situation für die EU. Wobei die politische Ansteckungsgefahr womöglich noch größer ist als die wirtschaftliche.
Die ist allerdings groß genug. Seit Monaten hatten einflussreiche Berater in Brüssel davor gewarnt, auf zypriotische Sparguthaben zuzugreifen, weil sie befürchteten, dass Sparer in Ländern wie Spanien, Portugal und Italien ihre Bankguthaben leer räumen würden. Ein Run auf die Banken hätte für die Euro-Zone fatale Folgen. Die Experten der internationalen Consultancy Oxford Economics halten eine Kreditklemme für wahrscheinlich, die das BIP der Euro-Zone um drei Prozent schrumpfen ließe. Die Modelle der Ökonomen zeigen, dass 300 Milliarden an Wertschöpfung ausradiert würden – um im Gegenzug rund sechs Milliarden Euro für die Zypern-Rettung zu sichern.