Die neue WiWo App Jetzt kostenlos testen
Download Download

Euro-Krise Warum Rajoy auf EZB-Bedingungen pfeifen kann

Solange der Euro bedingungslos gerettet werden soll, sind die Bedingungen der EZB für Anleihenkäufe bedeutungslos. Spaniens Ministerpräsident Rajoy weiß das.

  • Artikel teilen per:
  • Artikel teilen per:
Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy bei seinem Fernsehinterview am Montag. Quelle: REUTERS

Die EZB-Entscheidung sei gar nicht so dramatisch, sagen die Euro-Gesundbeter der deutschen Parteien-Ökumene. Schließlich haben Draghi und der EZB-Rat harte Bedingungen für den Kauf von Staatsanleihen aufgestellt. Von hemmungsloser Staatsfinanzierung mit der Notenpresse könne also keine Rede sein. Also wird doch alles gut.  

Von wegen. Wenige Tage später ist nun klar, was irgendwelche Bedingungen in der Euro-Zone wert sind. Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy hat in einem Fernseh-Interview gesagt, er werde nicht akzeptieren, wenn die EZB oder die Europäische Union als Bedingung für Anleihekäufe vorschrieben, wie Spanien seine Haushaltslöcher stopfen solle. “Ich werde keine Vorschriften akzeptieren, in welchen Bereichen wir Ausgaben streichen sollen und wo nicht.”

Die Herren über den Euro
Mario Draghi ist seit 1. November Präsident der EZB. Zuvor war er Gouverneur der Banca d'Italia (2006-2011) und Vizepräsident von Goldman Sachs in London (2004-2005). Quelle: rtr
Vizepräsident der EZB ist der Portugiese Vítor Constâncio. Als er Anfang 2010 auf seinen Posten gewählt wurde, unterstützte auch die Bundesregierung seine Kandidatur. Ihr Kalkül: Durch die Wahl eines Südeuropäers auf den Vize-Posten sollten die Chancen vom damaligen Bundesbank-Chef Axel Weber auf die EZB-Präsidentschaft steigen. Daraus wurde bekanntlich nichts, weil Weber im Rat isoliert war und zurücktrat. Constâncio gilt als Befürworter des Ankaufs von Staatsanleihen der Krisenländer. Quelle: rtr
Jörg Asmussen ist im EZB-Direktorium verantwortlich für  Internationales. Der frühere Staatssekretär wechselte direkt aus dem deutschen Finanzministerium in die EZB. Eigentlich wollte Bundeskanzlerin Merkel ihn als Chefvolkswirt durchsetzen... Quelle: rtr
... doch seine Kandidatur scheiterte. Da sich EZB-Chef Draghi nicht zwischen ihm und dem Franzosen Benoit Coeure entscheiden wollte, berief er stattdessen den Belgier  Peter Praet als neuen  Chefvolkswirt. Dieser gilt als solider Fachmann - und als großer Befürworter von Anleihekäufen. Quelle: dpa
Der Franzose  Benoit Coeure bekam die  Leitung der Abteilung Märkte. Damit hat er auch eine wichtige Rolle bei der Koordination der umstrittenen Staatsanleihenkäufe der EZB. Quelle: rtr
Neben dem EZB-Direktorium ist der  EZB-Rat das formale Beschlussorgan der Euro-Notenbank. Der EZB-Rat besteht aus den sechs Mitgliedern des Direktoriums sowie den 17 Chefs der nationalen Notenbanken der Eurozone. Obwohl im Direktorium geldpolitische Entscheidungen vorbereitet werden, trifft der EZB-Rat formal die Beschlüsse und legt die Geldpolitik im Euro-Raum fest. Der Rat tritt in der Regel zweimal monatlich zusammen. Seine  Mitglieder sind... Quelle: dpa
Luc CoeneGouverneur der  belgischen Zentralbank. Im Amt seit 1. April 2011. Coene gilt als fachlich gut und stabilitätsorientiert. Quelle: rtr

Rajoy wäre ja auch schön blöd, wenn er sich in der aktuellen Situation von irgendjemandem in Europa Bedingungen auferlegen ließe. In der internationalen Politik zählen Bedingungen nur, wenn derjenige, der sie stellt, auch Druckmittel zur Durchsetzung hat. Je sicherer sich Griechenland, Spanien und andere potentielle Nutznießer des Anleihekaufprogramms der EZB sein können, dass Merkel, Draghi und die anderen Rettungseuropäer die Eurozone in ihrer Gesamtheit erhalten wollen, desto weniger brauchen sie sich um die Erfüllung irgendwelcher Bedingungen zu scheren. Die sind das Papier nicht wert, solange Draghi den Euro tatsächlich als absolut „irreversibel“ erklärt – und dafür politische Rückendeckung erhält.

In Berlin pfeifen längst die Spatzen von den Dächern, dass sich Angela Merkel und ihre Gefolgschaft entschieden haben, die Eurozone in ihrer Gesamtheit zu erhalten – um jeden Preis. Das Risiko eines Auseinanderbrechens, das zwischenzeitlich seinen Schrecken verloren zu haben schien, ist ihr doch zu hoch. Denn es beträfe sie selbst und die gesamte politische Klasse. Bevor diese die Rechnung für die größte politische Fehlentscheidung seit 1945 übernimmt, sollen lieber Draghi und die EZB das Steuer übernehmen, während die Politiker ihm aus dem Hintergrund den Kurs zurufen. So glauben Merkel und Kollegen vermutlich am besten durch den drohenden Entrüstungssturm derer zu kommen, die die Zeche zu zahlen haben, Nordeuropas Sparer und Normalbürger, lebende und noch ungeborene.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%