Euro-Krise Target-Salden drängen Deutschland an den Abgrund

Seite 5/7

Wo liegt das Risiko für Deutschland?

Merkel Quelle: dpa

Nur solange es die Währungsunion noch gibt und auch kein Land die Euro-Zone verlässt, gehen von den Target-Salden keine unmittelbaren finanziellen Belastungen für Deutschland aus. Ansonsten wird es teuer. Verlässt etwa Griechenland den Euro-Raum, was nach Lage der Dinge durchaus möglich ist, wird das Land seine Target-Verbindlichkeiten von knapp 105 Milliarden Euro gegenüber dem Euro-System wohl nicht mehr tilgen, und die EZB müsste ihre Forderung gegenüber der griechischen Notenbank abschreiben. Entsprechend ihrem Kapitalanteil entfielen 27 Prozent der EZB-Verluste, rund 28 Milliarden Euro, auf die Deutsche Bundesbank. Das wäre schmerzlich, aber verkraftbar.

Ein völliges Auseinanderbrechen der Währungsunion würde auch Deutschland massiv und auf Jahrzehnte hinaus belasten. Dann hätte die Bundesbank in ihrer Bilanz 500 Milliarden Euro Forderungen gegenüber einem Euro-System, das nicht mehr existiert. Dem Abschreibungsverlust in gleicher Höhe stünden Eigenkapital und Neubewertungsreserven von lediglich etwas mehr als 130 Milliarden Euro gegenüber. Den verbleibenden Verlust von knapp 370 Milliarden Euro könnte die Bundesbank über Verlustvorträge mit Gewinnen künftiger Jahre versuchen zu verrechnen. Doch angesichts des zuletzt mageren Gewinns von 2,2 Milliarden Euro, benötigte sie fast 170 Jahre, um den Target-Verlust auszugleichen. Eine abstruse Vorstellung.

Je höher die Target-Forderungen, desto bedrohlicher die Perspektive

Aus eigener Kraft könnte sich die Bundesbank also nicht mehr retten, es müsste der Staat einspringen. Die Bundesregierung könnte der Bundesbank eine Ausgleichsforderung in Höhe von knapp 370 Milliarden Euro gewähren, um die Aktivseite ihrer Bilanz aufzupolstern. Das würde die Staatsverschuldung in die Höhe treiben. Die Schuldenquote würde auf einen Schlag von rund 80 auf fast 95 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Höhe schnellen.

Je höher die Target-Forderungen ausfallen, desto bedrohlicher wird diese Perspektive. Derzeit steigen sie um 200 Milliarden Euro pro Jahr; in fünf Jahren könnten sie also schon die horrende Summe von 1500 Milliarden Euro erreichen. Bräche die Währungsunion dann auseinander, könnte auch der Staat das Loch in der Bilanz der Bundesbank nicht mehr schließen, ohne selbst Bankrott anzumelden. Als einziger Ausweg bliebe nur noch eine Währungsreform. Alle Banknoten, Münzen sowie die Spareinlagen würden im Wert reduziert. Die Deutschen verlören – wieder einmal – einen Großteil ihres Geldvermögens.

Fazit: Je länger die Euro-Krise andauert, desto weniger kann es sich die Bundesregierung leisten, den Austritt eines oder notfalls auch mehrerer Krisenländer aus der Euro-Zone herbeizuführen. Die Deutschen sitzen in der Falle und können nur eines: weiter den Zahlmeister spielen – und hoffen, alles werde irgendwann einmal gut.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%