
Mario Draghi selbst hat die Latte hoch gelegt: „Die EZB wird im Rahmen ihres Mandats alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten“, hatte der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) am vergangenen Donnerstag in London gesagt. „Und glauben Sie mir - es wird ausreichen.“ Seither sind die Erwartungen gewaltig, dass Europas Währungshüter erneut massiv am Anleihemarkt eingreifen, um kriselnden Euro-Staaten wie Spanien und Italien unter die Arme zu greifen. Spekuliert wurde in den vergangenen Tagen über eine Wiederaufnahme des umstrittenen Anleihenkaufprogramms, aber auch über eine Banklizenz für den Euro-Rettungsschirm.
So oder so: Von der heutigen EZB-Ratssitzung wird mehr als ein deutliches Signal erhofft. „Die EZB muss unbedingt liefern, um den geschürten Erwartungen gerecht zu werden“, so die Analysten des Frankfurter Bankhauses Metzler. Allerdings: Die Zweifel an den Börsen sind gewachsen, dass die EZB wirklich liefern wird. Gestern drehte der DAX ins Minus. „Die von Draghi ausgelöste Rally wird von der Erkenntnis gebremst, dass seine kühnen Worte für Politiker eine andere Bedeutung haben als für Marktteilnehmer“, sagte Aktienhändlerin Anita Paluch von Gekko Global Markets. Außerdem realisierten Investoren, dass die derzeit erfolgversprechendste Lösung – die Ausstattung des ESM mit einer Banklizenz – derzeit die geringsten Chancen auf Verwirklichung habe.
Die Hilfsmittel der EZB
Draghi senkte den Zinssatz für wöchentliche Kreditgeschäfte auf ein Rekordtief von 0,75 Prozent. Banken, die dringend frisches Geld brauchen, können sich so leichter refinanzieren.
Seit dem Herbst 2008 verleiht die EZB unbegrenzt Geld. Draghi setzte noch eins drauf: Die Institute durften sich zusätzlich mit dreijährigen Krediten von insgesamt einer Billion Euro eindecken.
Die EZB hatte die Anforderungen an Wertpapiere, die Banken bei den Refinanzierungsgeschäften mit der Zentralbank als Sicherheiten benutzen dürfen, deutlich gesenkt. Draghi hat diese nun noch weiter gelockert.
Die EZB hat für 70 Milliarden Euro Pfandbriefe gekauft und belebte so den Markt für dieses sehr wichtige Refinanzierungsinstrument der Banken.
Draghi hat den Zinssatz für Einlagen der Geschäftsbanken auf null gesenkt. Die Geldhäuser sollen ihre überschüssige Liquidität lieber an Konkurrenten verleihen – oder als Kredite an die Realwirtschaft geben. So will er den Geldmarkt wiederbeleben.
Draghi hat es satt, von nationalen Aufsehern beschummelt zu werden. Er will auf wichtige Bankdaten zugreifen können.
Vor allem Deutschland lehnt dies aus guten Gründen ab. „Eine Banklizenz für den ESM hieße, dass die Zentralbank die Staatsfinanzierung übernimmt. Das wollen wir nicht und das werden wir nicht zulassen“, sagte Meister der „Rheinischen Post“. Auch der ehemalige Chefökonom der EZB, Jürgen Stark, kritisiert den französisch-italienischen Vorstoß. Eine Banklizenz für den Rettungsschirm sei juristisch nicht gedeckt, denn dieser Schritt würde eine indirekte Staatsfinanzierung durch die Notenbank bedeuten. Auch politisch sei die Idee zweifelhaft. Denn: „Jedes Mal, wenn die Zentralbank die Märkte flutet, gehen auf Regierungsseite die Reformanstrengungen zurück“, so Stark im Interview mit der WirtschaftsWoche vor wenigen Wochen.
Insbesondere Italien und Spanien aber fordern mehr Hilfe beim Kampf gegen hohe Renditen am Anleihenmarkt. Anleihekäufe durch die EZB seien das Mindeste, heißt es aus Rom und Madrid. Seit Mai 2010 hat die Notenbank Anleihen angeschlagener Euro-Staaten im Wert von 210 Milliarden Euro aufgekauft – und so die Zinsdruck abmildern können. Allerdings war der Effekt nicht nachhaltig.
Und: Auch bei diesem Programm steht die Unabhängigkeit der Notenbank im Zweifel. Kritiker sehen in Anleihenkäufen eine Form direkter Staatsfinanzierung – und das ist in der Währungsunion juristisch verboten.