Für Maribor sollte 2012 ein ganz besonderes Jahr werden. Die zweitgrößte slowenische Stadt ist aktuell Kulturhauptstadt Europas. Die rund 95.000 Einwohner freuten sich auf den Besuch von Touristen, auf Konzerte, Ausstellungen und Theatervorführungen, Bürgermeister Franc Kangler über fröhliche Bilder, die aus seiner Stadt um die Welt gehen sollten. Doch die aktuellen Bilder aus Maribor sind alles andere als fröhlich. Sie zeigen Polizisten, die in voller Montur vor dem Rathaus in Stellung gehen und Demonstranten, die Fensterscheiben einwerfen und Müllcontainer anzünden.
Über 10.000 Menschen gingen zuletzt in Maribor auf die Straße, um zunächst friedlich gegen den Sparkurs der slowenische Regierung und den seit geraumer Zeit unter Korruptionsverdacht stehenden Bürgermeister Kangler zu protestieren. Während Kundgebungen in der Hauptstadt Ljubljana weitgehend friedlich blieben, eskalierte die Situation in Maribor. Das Rathaus am Hauptplatz wurde mit Steinen und Feuerwerkskörpern beworfen, auf dem Balkon brach ein Feuer aus. Die Demonstranten hielten Plakate in die Höhe mit dem Porträt Kanglers und Aufschriften wie "Diebe ins Gefängnis!".
Wissenswertes über Slowenien
Das kleine Slowenien hat vier Nachbarn: Österreich, Italien, Ungarn und Kroatien. Trotz seiner relativ kleinen Staatsfläche von gut 20.000 Quadratkilometern ist es sehr vielseitig. Im Norden ist die Landschaft alpin, hier befindet sich auch der höchste Berg: der 2864 Meter hohe Triglav. Im äußersten Südwesten des Landes liegt die nur 46,6 Kilometer lange Adria-Küste.
Seit seiner Unabhängigkeit 1991 hat das Land schon sieben Premierminister verschleißt. Das ergibt eine durchschnittliche Amtszeit von 2,6 Jahren.
In Slowenien lebt eine der größten Populationen des Braunbären in Europa. Es soll zwischen 500 und 700 Exemplare geben.
Der Kampf für die Unabhängigkeit Sloweniens 1991, auch bekannt als 10-Tage-Krieg, war der erste Krieg in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Trotz der kurzen Dauer gab es 76 Opfer zu beklagen.
Die zumindest 45.000 Jahre alte und in Slowenien gefundene Neandertaler-Flöte ist eines der ältesten Musikinstrumente der Welt.
Der Speisessaal des Kohlebergwerks in Velenje, 160 Meter unter der Erdoberfläche, ist der am tiefsten gelegene Speisesaal in Europa. Der Raum ist ungefähr 15 Meter lang, dort gibt es zwölf Tische, an denen 48 Menschen essen können.
In Slowenien befindet sich der höchste Industrieschornstein Europas. Der Schornstein des Wärmekraftwerks in Trbovlje ist 362 Meter hoch. Mit der ungewöhnlichen Höhe wollte man die Luftverschmutzung in niedrigeren Luftschichten verhindern.
Der Slowene Davo Karničar ist als Erster vom höchsten Gipfel der Erde, dem Mount Everest, mit Skier hinab gefahren. Karničar war auch der erste Mensch der Welt, der alle höchsten Gipfel auf sieben Kontinenten mit Skiern bezwang.
In Maribor, der zweitgrößten Stadt Sloweniens, wächst der älteste Weinstock der Welt. Obwohl die „Alte Rebe“ über 400 Jahre alt ist, werden aus ihren Trauben alljährlich noch immer 25 Liter Wein der autochthonen Weinsorte Žametovka („Blauer Kölner“) hergestellt.
Der 47-Jährige Sohn der Stadt wurde 2006 überraschend zum Bürgermeister gewählt und sicherte sich bei den Wahlen 2010 eine zweite Amtszeit – obwohl er seit Amtsbeginn höchst umstritten ist. Aufgrund von Korruptionsvorwürfen durchsuchte die Polizei das Rathaus der Stadt sowie Kanglers Privathaus und nahm den Bürgermeister vorläufig fest. Angeklagt wurde Kangler nie. Anschließend setzte sich der Fußballfan für die Sanierung des Sportstadions ein und versorgte den Lokalklub "NTK Maribor" mit großzügigen Steuerrabatten. Im städtischen Haushalt klaffte anschließend ein Minus von rund 10 Millionen Euro. Kangler reagierte und kürzte die Ausgaben für das Programm zur Europäischen Kulturhauptstadt 2012, zahlreiche geplante Projekte und Veranstaltungen mussten gestrichen werden.
Die Menschen hätten das möglicherweise weiter toleriert, wäre Maribor ein Einzelfall und Slowenien weiter ein Wachstumsmotor Osteuropas. Doch das kleine Alpenland, einst Euro-Musterland mit Wachstumsraten von knapp sieben Prozent, steckt tief in der Rezession. Die maroden Banken haben das Land ins Wanken gebracht, korrupte und unfähige Politiker an den Abgrund.
Das Volk schaute lange weg
"In Slowenien gibt es fast keinen Politiker, dem nicht nirgendwo nachgesagt wird, korrupt zu sein. Das war den Bürgern egal, solange das Volk gut verdiente, ein neues Auto fahren konnte und erfolgreichen Fußball und Basketball schauen konnte", sagt Klaus Schuster, ehemaliger Bank-Vorstand und erfolgreicher Managementbuch-Autor, der 2006 sein Beratungsunternehmen in Ljubljana gründete und dem er heute vorsteht. "Doch diese Zeiten sind vorbei."
Die Ratingagentur Moody's senkte Anfang August die Kreditwürdigkeit Sloweniens gleich um drei Stufen. Jetzt steht das Euro-Land nur noch zwei Stufen über dem "Ramsch"-Status. Auch Standard & Poor's und Fitch halten Slowenien nur noch für einen zweifelhaften Schuldner. Die Folge: Inzwischen muss das Land über sieben Prozent Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen berappen. Slowenien gilt als ernsthafter Kandidat für den Euro-Rettungsschirm – auch, weil politischer Stillstand die Republik lähmt.
Die Opposition im Lande hat eine Volksabstimmung über den Aufbau einer Bad Bank sowie eines Staatsfonds beantragt, der den Verkauf von Staatsbesitz vereinfachen soll. Der Antrag aber wurde vom Parlamentspräsidenten abgelehnt. Jetzt soll das Verfassungsgericht angerufen werden, um über die Frage der Volksabstimmung zu entscheiden.
Die größten Unternehmen Sloweniens
Petrol ist ein Mineralölkonzern, das über keine eigenen Produktionskapazitäten verfügt (Förderung, Raffinerie) sondern ausschließlich handelt. Dennoch ist es das umsatzstärkste Unternehmen Sloweniens. Dank seiner Marktführerschaft im Großhandel als auch im Tankstellengeschäft erwirtschaftete Petrol zuletzt einen Umsatz von 2,86 Milliarden Euro.
Die börsennotierte Handelskette musste 2011 einen Gewinnrückgang hinnehmen. Die Einnahmen brachen um 22,5 Prozent auf 23,5 Millionen Euro ein. Gleichzeitig stieg der Umsatz um 5,3 Prozent auf 2,9 Milliarden Euro. Für Mercator, das Filialen in Kroatien, Serbien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Mazedonien, Bulgarien und Albanien unterhält, arbeiten fast 24.3000 Menschen, davon 9.959 in Slowenien.
Der staatliche Energiekonzern HSE (Holding Slovenske elektrarne) wurde erst im Juli 2001 gegründet. HSE erwirtschaftete 2011 mit 1,36 Milliarden Euro den drittgrößten Umsatz aller slowenischen Unternehmen. Das Unternehmen ist unter anderem auch in Bulgarien und Ungarn aktiv.
In Slowenien arbeiten viele Automobil-Zulieferer. Es gibt aber nur ein slowenisches Unternehmen, das Auto herstellt: Revoz. Die Aktiengesellschaft mit rund 2600 Mitarbeitern befindet sich zu 100 Prozent im Besitz von Renault. In der Stadt Novo mesto werden unter anderem der Renault Twingo II und der Renault Wind gebaut. Revoz machte 2011 einen Umsatz von 1,13 Milliarden Euro.
Das weltweit agierende Pharmakonzern wurde 1954 gegründet und nach dem slowenischen Fluss Krka benannt. 2010 beschäftigte die Aktiengesellschaft über 8000 Mitarbeiter und macht einen Umsatz von rund einer Milliarde Euro. Es ist damit das fünfgrößte slowenische Unternehmen, liegt aber mit einem Nettogewinn von 150,4 Millionen Euro (2011) in der Gewinn-Rangliste auf Rang eins.
"Die Möglichkeit, dass die Opposition das Referendum als Blockademittel einsetzt, erhöht die Ungewissheit, ob die Regierung von Janez Janša bei der Entwicklung und Umsetzung von Strukturreformen handlungsfähig bleibt", heißt es in einer Erklärung von Standard & Poor's. "Verzögerungen bei der Lösung der Probleme werden wahrscheinlich das Anlegervertrauen beschädigen und könnten zu steigenden Finanzierungskosten für Slowenien führen."
Dass Janez Janša überhaupt wieder an der Macht ist, verdankt er der zerstrittenen Opposition. Denn eigentlich wurde der 54-Jährige bei den Parlamentswahlen vor genau einem Jahr klar abgewählt. Doch Wahlsieger Zoran Janković konnte mit seiner Mitte-Links-Plattform "Positives Slowenien" keine mehrheitsfähige Koalition bilden. Janša wurde im Januar 2012 erneut zum Premierminister gewählt – obwohl international gegen ihn Korruptionsermittlungen laufen. Während seiner ersten Amtszeit als Premierminister von 2004 bis 2008 soll er in einen Schmiergeldskandal rund um die Beschaffung finnischer "Patria"-Panzer verwickelt gewesen sein. In mehreren EU-Staaten wird gegen Janša ermittelt. Zudem steht er in der Kritik, weil er wiederholt versucht haben soll, Einfluss auf Journalisten zu nehmen, um unliebsame Berichterstattung zu verhindern.
Slowenien produziert nur negative Schlagzeilen
"Slowenien sorgt im Ausland nur noch für schlechte Nachrichten. Dabei ist es ein tolles Land, mit vielen klugen Köpfen. Doch wir alle müssen etwas tun, offensiv für Slowenien werben – bei Touristen, Regierungschefs und Investoren", sagt Schuster. Doch statt zu handeln, moniere Janša im Ausland fehlenden Rückhalt im Parlament. "Dabei hat er als Oppositionspolitiker selbst alle Reformmaßnahmen der Regierung von Borut Pahor blockiert. Das ist heuchlerisch."
Slowenien steht sich selbst im Wege. Und das zu einem Zeitpunkt, in dem entschiedenes Handeln nötig wäre. Der Bankensektor ist noch immer nicht stabilisiert, dabei sollen rund 18 Prozent aller Bankkredite vom Ausfall bedroht sein. Im eingebrochenen Bausektor sind es sogar 50 Prozent. Moody's schätzt, dass das marode Bankensystem, wo auch der Staat den Ton angibt, bis zu drei Milliarden Euro Sanierungskosten benötigt. Der slowenische Wirtschaftsprofessor Joze Damijan bezifferte den Bedarf an frischem Geld zur Aufstockung des Kapitals und zur Ablösung fauler Kredite auf bis zu acht Milliarden Euro. Müsste Slowenien die Banken aus eigener Kraft rekapitalisieren, würde das slowenische Budgetdefizit auf 20 bis 28 Prozent des BIP emporschießen, rechnet Ökonom Damijan vor.
So könnte das Banken-Rettungspaket aussehen
Ein Rettungspaket für Slowenien könnte sich an den Hilfen für die maroden Banken Spaniens orientieren. Dort wird der Kredit im Volumen von bis zu 100 Milliarden Euro durch den spanischen staatlichen Bankenrettungsfonds FROB geleitet. Die Banken, die Gelder benötigen, können darauf zurückgreifen. Bei der Summe ist eine „Sicherheitsspanne“ mit einkalkuliert. Slowenien braucht nur maximal ein Zehntel der Summe.
Auch Slowenien könnte einen Bankenrettungsfonds ins Leben rufen, der die volle Verantwortung für die Finanzhilfe behält und die Vereinbarung unterzeichnet. Beim spanischen Pendant heißt es: Die Bedingungen sollen sich „auf spezifische Reformen im Finanzsektor konzentrieren”.
Die Fortschritte, die die Hilfsempfänger wie Spanien bei strukturellen Reformen und dem Defizitabbau machen, sollen „parallel zur Finanzhilfe eng und regelmäßig überwacht” werden.
Damit Slowenien Hilfe bekommen kann, muss das Land - wie Spanien - einen offiziellen Rettungsantrag stellen. Dem müssen die Euro-Partner zustimmen. Offen ist, ob die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) oder der permanente Rettungsschirm Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM) den Kredit zur Verfügung stellen wird. Die Kredite des ESM sind gegenüber anderen Verbindlichkeiten vorrangig eingestuft.
Für Spanien soll der Zinssatz für den Kredit bei drei Prozent liegen, berichtet die Zeitung "El Pais". Mit einem ähnlichen Zinssatz müsste auch Slowenien rechnen.
"Die Bankenkrise in Slowenien ist eine politische Krise. Die drei größten Banken des Landes haben einen Marktanteil von über 40 Prozent – und Eigentümer ist der Staat. Das Problem ist, dass in der Regierung keine Manager sitzen", erklärt der Ex-Bankvorstand Schuster. "Die Regierung besteht aus Berufspolitikern und Universitätsprofessoren. Sie haben den Karren in den Dreck gezogen."
Doch wer alleine den Banken und Politikern die Schuld für Sloweniens missliche Lage zuweisen will, liegt falsch. Denn für Landeskenner war schon vor dem Ausbruch der Banken-Krise klar: Sloweniens Höhenflug wird nicht mehr lange andauern. "Es war absehbar, dass die Wirtschaft des Landes nicht weiter um jährlich vier oder fünf Prozent wachsen würde. Dafür ist zu vieles falsch gelaufen", sagt Gertrud Rantzen, Geschäftsführerin der deutsch-slowenischen Industrie- und Handelskammer in Ljubljana. "Mit dem EU-Beitritt und der Aussicht auf die schnelle Einführung des Euro stieg das Wachstum rasant. Gleichzeitig stiegen aber auch die Begehrlichkeiten: Die Löhne wurden drastisch erhöht, Reformen verschleppt und Investitionen getätigt – auch jene, die nicht nachhaltig waren."
Eklatante Managementfehler
Ein Blick in die Dokumente des slowenischen Statistikbüros verdeutlicht die Problematik. So sind die Lohnnebenkosten seit der Euro-Einführung 2007 bis heute um 18 Prozent gestiegen. Eine Arbeitsstunde kostet nun im Durchschnitt 14,40 Euro. Das ist zwar noch deutlich unter dem Schnitt der Länder der Europäischen Union (23,10 Euro). Gleichzeitig kostet die Arbeitsstunde in Slowenien aber mehr als im Nachbarland Slowakei (8,40 Euro), in Polen (7,10 Euro) oder in Estland (8,10 Euro).
Zum Problem werden die hohen Kosten erst dann, wenn die Produktivität nicht im gleichen Maße steigt. Genau das aber ist in Slowenien passiert. "Hier wurden in der Vergangenheit viele Managementfehler begangen", sagt Rantzen. "Gut laufende Unternehmen haben sich andere Spielfelder gesucht und viel Geld in Immobilen gepumpt oder sich bei Banken und in der Bauwirtschaft eingekauft, anstatt in neue Maschinen und Anlagen zu investieren. Andernorts wurde der Gewinn komplett aus den Unternehmen gezogen." Während die Kosten explodierten, stagnierte die Leistungsfähigkeit. Heute sind viele Unternehmen überschuldet. Die Zahl der Unternehmenspleiten ist im zweiten Quartal 2012 um 24 Prozent gegenüber dem Vorquartal gestiegen.
Die EU-Kommission sagt für dieses Jahr einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 2,3 Prozent voraus, auch nächstes Jahr soll die Wirtschaft des Eurolandes demnach schrumpfen. Die Arbeitslosenquote beträgt derzeit rund zwölf Prozent. Regierungschef Janez Jansa will mit seinen rigiden Sparkurs verhindern, dass Slowenien EU-Finanzhilfen beantragen muss – doch die Bürger wehren sich. Weil sie den Ernst der Lage noch nicht erkannt haben und vor allem: weil sie der Politik misstrauen.
Sie protestieren gegen Gehaltskürzungen bei Staatsbediensteten, Einschnitte bei Sozialleistungen und der Anhebung des Renteneintrittsalters. Sloweniens Arbeitsminister Andrej Vizjak hat Verständnis für die Bürger, sagt aber auch: "Diejenigen, die gegen Sparmaßnahmen demonstrieren, haben kein realistisches Alternativszenario."
Mit 58 Jahren in Rente
Wahr ist, dass Slowenien den Arbeitsmarkt und das Rentensystem dringend reformieren muss. Der Kündigungsschutz muss gelockert werden und Arbeitszeiten müssen – gerade in der Krise – flexibler gestaltet werden. Und: Slowenien erlaubt es sich, seine Bürger schon mit 58 Jahren in den Ruhestand zu schicken, viele gehen bereits mit 57 Jahren. Kein anderes Industrieland hat ein derart geringes, offizielles Renteneintrittsalter.
Wer in Europa wann in Rente geht
Der neue französische Präsident François Hollande hat die Rentenreform seines Vorgängers aufgeweicht. Personen mit langer Erwerbsbiografie können künftig wieder mit 60 Jahren in Rente gehen. Für alle anderen Arbeitnehmer gilt das bei der Rentenreform 2010 festgelegte Renteneintrittsalter von 62 Jahren. Das offizielle Einstiegsalter liegt bisher bei 61,5 Jahren – faktisch mit durchschnittlich 58,8 Jahren aber deutlich früher. Sechs von zehn Franzosen sind ohne Arbeit, wenn sie die Rente beantragen. Die Zeit bis zur Auszahlung der ersten Pension, die im Schnitt bei 1400 Euro pro Monat liegt, wird oft mit Arbeitslosengeld überbrückt. Frankreich gibt 280 Milliarden Euro pro Jahr für Renten aus, etwa ein Viertel der Staatsausgaben. Das Rentensystem habe ein Loch von 32 Milliarden Euro.
Bis zum Ende der Dekade soll das Rentenalter auf 66 und später auf 67 Jahre erhöht werden. Mehr als 800.000 Menschen werden 2012 die Altersgrenze von 65 erreichen, aber nur eine Rente von wöchentlich 102,25 Pfund (148 Euro) beziehen. Das kostet rund 129 Milliarden Pfund – oder 18 Prozent des Staatshaushalts. Die Staatsrente soll in absehbarer Zeit in eine Bürgerrente von rund 140 Pfund pro Woche verwandelt werden – nur eine homöopathische Aufbesserung. Deshalb dürfen britische Rentner weiter arbeiten und verdienen, so viel sie wollen, um die magere Rente aufzubessern.
In Griechenland beträgt das Renteneintrittsalter rein statistisch mittlerweile 65 Jahre für Männer und 60 Jahre für Frauen. Das Renteneintrittsalter der Männer liegt damit im Moment etwas niedriger als in Deutschland, das der Frauen deutlich niedriger. Tatsächlich aber verlassen die Männer in Griechenland mit durchschnittlich 61,9 Jahren den Arbeitsmarkt, die Frauen im Durchschnitt mit 59,6 Jahren.
Aktuell arbeitet die Regierung an einem neuen Sparpaket. Ein Punkt: Das Rentenalter soll von 65 auf 67 Jahre stufenweise angehoben werden. Die Sozialisten sollen aber nur für eine Erhöhung auf 66 Jahre sein. Zudem sollen Renten bei 2200 Euro gedeckelt werden. Die kleine Rente, die Bauern erhalten, soll von 360 Euro auf 330 Euro gekürzt werden, weil die Landwirtschaftsversicherungskasse (OGA) schwer defizitär ist. Auch andere Renten sollen, soweit sie 1000 Euro übersteigen, um 5 bis 15 Prozent gekürzt werden.
In frühern Zeiten war die Rente in Italien die wichtigste soziale Absicherung: Wer über 35 Jahre hinweg Beiträge bezahlt, bzw. gearbeitet hatte, konnte bereit ab 58 Jahren Rente beziehen. Italienische Frauen verbringen inzwischen durchschnittlich 27,3 Jahre im Ruhestand, Männer knapp 23. Das ist Weltspitze.
Das Rentenalter wird nun drastisch angehoben. Spätestens im Jahr 2018 sollen Männer wie Frauen bis 66 Jahren arbeiten, um Rente zu kriegen. Für die Jahre 2012 und 2013 wird für die meisten Renten der Inflationsausgleich gestrichen. Die neue Regelung erhöht auch die Anzahl an Beitragsjahren: Künftig muss man mindestens 42 Jahre lang einbezahlt haben, um sich für die volle Rente zu qualifizieren.
Die Portugiesen arbeiten im Durchschnitt länger als sie müssten. Das gesetzliche Renteneintrittsalter liegt hier bei 65 Jahren – für Männer und Frauen. Tatsächlich aber verlassen die Menschen in Portugal den Arbeitsmarkt viel später als die Deutschen: Männer mit 67 Jahren und Frauen mit 63,6 Jahren. Das Land hat zudem bereits massive Rentenreformen hinter sich.
Das gesetzliche Renteneintrittsalter liegt bei 65 Jahren für Männer und bei 60 Jahren für Frauen. Tatsächlich ziehen sich Österreicher aber mit durchschnittlich 58 Jahren aus dem Beruf zurück. Die Bahner der staatlichen ÖBB verlassen Lokomotive und Büro sogar mit durchschnittlich 53 Jahren. Die Regierung spricht regelmäßig davon, dass die Österreicher später in Rente gehen sollen. Nach Angaben des Wiener Finanzministeriums ließe sich jährlich eine Milliarde Euro sparen, wenn das Renteneintrittsalter um ein Jahr steigt.
Seit 2012 an steigt das gesetzliche Renteneintrittsalter für die abschlagfreie Rente schrittweise auf 67 Jahre. Die Umstellung beginnt mit dem Geburtsjahrgang 1947, der bis zur vollen Rente einen Monat länger arbeiten soll. Der Geburtsjahrgang 1964 ist dann der erste Jahrgang, für den das neue Rentenalter 67 gilt. Die 2012 beginnende Anhebung vollzieht sich bis 2023 (Geburtsjahrgang 1958) in Monatsschritten, danach bis 2029 in Zwei-Monatsschritten.
Ausnahmen: Wer 45 Jahre Beiträge bezahlt hat, soll mit 65 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen können. Bei den Beitragszeiten zählt Kindererziehung bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes mit. Allerdings kommt derzeit nur der kleinere Teil der Beschäftigten auf 45 Beitragsjahre: Bei den Männern waren es zuletzt 28 Prozent, bei den Frauen knapp vier Prozent.
Die Isländer arbeiten im Durchschnitt deutlich länger als jede andere europäische Nation. Das Renteneintrittsalter liegt für Männer und Frauen bei 67 Jahren. Doch die Männer arbeiten im Durchschnitt freiwillig noch deutlich länger - im Schnitt bis sie knapp 70 Jahre alt sind (69,7 Jahre). Isländerinnen gehen im Durchschnitt mit 65,4 Jahren in den wohl verdienten Ruhestand. Im OECD-Vergleich arbeiten nur die Koreaner (70,3 Jahre) und Mexikaner länger (72,2 Jahre).
Mehrere Regierungen versuchten schon eine schrittweise Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf bis zu 65 Jahre. Doch bisher sind noch alle Reformversuche – und gleichzeitig ganze Regierungen – an dem Widerstand der "Demokratischen Rentnerpartei Sloweniens" (DeSUS) gescheitert. Sie ist sehr populär und die einzige Konstante im politischen System. Die Rentnerpartei ist seit Jahren an allen Regierungskoalitionen beteiligt – auch an der derzeitigen Mitte-Rechts-Regierung von Ministerpräsident Janša, die aus fünf Parteien besteht.
"Es wäre gescheit, wenn wir eine Technokraten-Regierung wie in Italien bekommen würden. Wir brauchen Leute, die es verstehen, ein Unternehmen oder einen Staat ausgabenseitig zu stabilisieren und einnahmenseitig zu sanieren", sagt Schuster. Das Wohle des Landes müsse wieder an erster Stelle stehen, nicht die Situation der Partei. Mit einer neuen Führung sollte das Land dann unter den Euro-Rettungsschirm flüchten, schlägt Schuster vor – erkennt aber an, dass seine Vorschläge derzeit nicht mehrheitsfähig sind. "Slowenien ist ein stolzes Volk und versucht, die Krise zu ignorieren. Doch mit dieser Einstellung wird sich nichts ändern."
Das Fazit des Beraters und Ex-Bankers fällt dementsprechend bitter aus: "Ich sehe nicht, dass Slowenien zeitnah aus der Krise kommt. Die Bürger resignieren, Unternehmer wandern ab und die Politik beschränkt sich auf Grabenkämpfe", so Schuster. Slowenien steht sich im Winter 2012 selbst im Weg.