Bislang habe ich immer gehofft, dass in den entsprechenden Euro-Ländern die ökonomische Anpassung doch noch stattfindet und die wirtschaftlichen Ungleichgewichte sich so auf ein verträgliches Maß einebnen. Aber je mehr Zeit verstreicht, desto größer wird das Problem.
Kann man das Problem noch lösen? Ich bin noch immer der Überzeugung, dass Europa und der Euroraum allen Mitgliedern großen Nutzen bringt und dass man viel Energie in den Erhalt investieren sollte. Aber auf Dauer kann man nicht nur Idealvorstellungen nachhängen. Die Realität ist, dass die EZB alleine durch ihre politischen Optionen den Euroraum langfristig nicht stabilisieren kann. Notwendig wäre eine grundlegende politische Entscheidung - entweder hin zu mehr Reformen oder hin zu mehr Vergemeinschaftung der strukturellen und finanziellen Risiken. Eine solche Grundsatzeinigung scheint aber derzeit nicht erreichbar. Dafür sind die nationalen Interessen zu gegensätzlich.
Gemeinsamkeiten reichen in vielen grundsätzlichen Fragen nicht
Für die kleine Gruppe der wirtschaftlich starken Länder stellt sich letztendlich die Frage, ob es politisch und ökonomisch langfristig vernünftig ist, Mitglied des Euroraums in seiner gegenwärtigen Gestalt zu bleiben. Das Ergebnis dieser Abwägung könnte das Eingeständnis sein, dass das Projekt keinen nachhaltigen Bestand haben kann, weil in vielen grundsätzlichen Fragen die Gemeinsamkeiten nicht ausreichen. Wenn man zu diesem Schluss kommt und es keine tragfähige politische Lösung für den langfristigen Erhalt des Euroraumes gibt, wäre es nur konsequent, wenn Deutschland zusammen mit einigen anderen Ländern beginnt, den Ausstieg zu managen.
Es stimmt nach wie vor, dass aus einer übergeordneten Sicht ein solcher Schritt widersinnig wäre. Das geopolitische Gewicht Europas und damit auch jedes einzelnen europäischen Landes würde schwinden. Die Vorteile, die der einheitliche europäische Wirtschaftsraum gebracht hat und noch bringen könnte, stünden auf dem Spiel. Die Konsequenzen für das wirtschaftliche Wohlergehen können nur negativ sein.
Man muss aber der Realität ins Auge sehen. Zwei bislang eher unwahrscheinliche Szenarien gewinnen in der letzten Zeit zunehmend an Bedeutung. Entweder ein kontrolliertes Ende des Experiments gemeinsamer Währungsraum, am besten mit einer politischen Option für die weitere Entwicklung der unterschiedlichen Ländergruppen, oder ein unkontrolliertes Zerfallen des Euroraums. Das größere, ökonomisch verlustreichere Übel wäre sicherlich der ungesteuerte Zerfall, womöglich im Zuge einer neuen Eurokrise. Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
Ob es zu einer solchen Entwicklung kommt ist noch offen. Aber man hat den Eindruck, dass viele Beteiligten darauf hinarbeiten.