Euro-Zone

Schicksalsjahre einer Währung

In der Euro-Zone werden reformbereite Regierungen von den Wählern abgestraft. Die Ungleichgewichte der Länder in Europa werden größer, es beginnt eine neue Eskalationsstufe im Streit um den Euro und Europa. Eine Kolumne.

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Zahlreiche Europaflaggen vor zentrale der Europäischen Kommission in Brüssel (Belgien). Quelle: dpa

Die jüngsten Wahlen im Euroraum in Portugal und Spanien haben abermals gezeigt, dass wirtschaftlicher Reformeifer sich für die regierenden Parteien politisch nicht auszahlt. Der Zeitraum zwischen dem Beginn der Reformen und den ersten sichtbaren Erfolgen ist bei den vorherrschenden Wahlzyklen von vier Jahren offensichtlich zu lang. Dieses Muster wurde auch schon zuvor in den Wahlergebnissen einer Reihe anderer Länder deutlich.

Regierenden Parteien, die notwendige und ökonomisch auch sinnvolle Reformen vorantrieben, verloren deutlich an Zustimmung und teilweise sogar die Regierungsverantwortung. Somit ist das klare Signal der letzten Wahlen im Euroraum an die regierenden Parteien: Lasst die Reformen sein, die Wähler werden es euch nicht danken - erhöht lieber die Sozialleistungen.

Neun Klischees über die EU – und die Wahrheit dahinter

Einige der abgestraften Regierungen haben schnell gehandelt. In Spanien und Italien, Portugal und Frankreich hat man die Konsolidierungspolitik deutlich verwässert oder ganz beendet. Stattdessen verlangt man nun mehr Solidarität von Deutschland und erwartet, dass die deutsche Regierung sich mit Forderungen nach wirtschaftlichen Reformen zurückhält. Deutschland soll sich also solidarisch zeigen, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Die Basis dieser Forderung scheint dabei zu sein, dass ohne mehr Solidarität von Seiten Deutschlands die politische Instabilität im Euroraum weiter zunähme. Nur - aus deutscher Sicht gilt genau das Gegenteil. Je mehr einseitige Solidarität von Deutschland verlangt wird, desto weniger ist die deutsche Bevölkerung zu Zugeständnissen bereit, desto mehr wachsen hier Euro-Müdigkeit und Euro-Skepsis.

Fehlallokationen bei Investitionen

Die ökonomischen Ungleichgewichte und die daraus resultierenden Fliehkräfte innerhalb des Euroraumes sind das größte Problem für den Euroraum. Bislang war die Europäische Zentralbank (EZB) in Lage, diese Ungleichgewichte durch eine extrem expansive Geldpolitik auszugleichen. Die Hoffnung war dabei, dass der südliche Euroraum zur ökonomischen Vernunft kommt und die Phase der niedrigen Zinsen nutzt, um die notwendigen Strukturreformen anzugehen. Bisher hat sich diese Hoffnung nicht erfüllt. Vielmehr steigen mit dem Andauern der Niedrigzinspolitik die ökonomischen Kosten.

Bisher profitiert in erster Linie Deutschland mit sehr stabilem Wirtschaftswachstum und geringer Arbeitslosigkeit, was die Ungleichgewichte noch verstärkt. An den Finanzmärkten werden zunehmend Verwerfungen sichtbar, die auf die niedrigen Zinsen zurückzuführen sind. Zudem dürfte es auch immer mehr zu Fehlallokationen bei den Investitionen kommen: Bei den sehr niedrigen Zinsen werden Geschäftsmodelle lohnend, die in einem normalen Zinsumfeld als unproduktiv gelten würden. Der EZB bleibt aber kaum eine andere Wahl, als mit der derzeitigen Politik fortzufahren, denn ein Zinsanstieg könnte in einigen Ländern zu großen Problemen bei den Staatsfinanzen und im privaten Sektor führen.

Stefan Bielmeier Quelle: Presse

Aus nationaler Sicht ist es politökonomisch verständlich, dass in einem Teil der EU-Länder die Akzeptanz für Strukturreformen schwindet und mehr Unterstützung von Seiten der wirtschaftlich stärkeren Länder erwartet wird, während gerade in den stärkeren Ländern die Bereitschaft zur Hilfestellung nachlässt - schließlich beruhen deren wirtschaftliche Erfolge in der Regel auf zum Teil schmerzhaften strukturellen Reformen. Die Diskussion macht es deutlich:  Dem Euroraum fehlen eine gemeinsame Idee und gemeinsame Ideale. In wirtschaftlich guten Zeiten machte sich das kaum bemerkbar. Nun jedoch, da das konjunkturelle Umfeld rauer geworden ist und die strukturellen Untergleichgewichte immer deutlicher werden, wird es zu einem sehr großen Problem.

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