
Jean-Claude Juncker will nicht mehr. Seit 2005 ist der luxemburgische Premier auch Vorsitzender der Euro-Gruppe. Ein Job, der ihm Spaß macht – ihm aber auch viel abverlangt. Juncker erklärte frühzeitig, für eine weitere Amtszeit nicht zur Verfügung zu stehen. Die Eurogruppe zu leiten, hieße, vier Stunden am Tag intensiv zu arbeiten. "Es ist einfach ein echtes Zeitproblem. Angesichts der Krise schaffe ich es kaum noch, die Arbeit, die ich in Luxemburg zu verrichten habe, und die sehr anstrengende Arbeit in der Eurogruppe zeitlich auf einen Nenner zu bringen", so Juncker.
Mit Wolfgang Schäuble stand ein geeigneter Nachfolger bereits auf Abruf bereit. Der deutsche Finanzminister erklärte – mal zwischen den Zeilen, mal offen –, er hätte großes Interesse an dem Job. Doch er darf nicht. Frankreich legte beim Treffen der Euro-Finanzminister am Montagabend ein Veto gegen den CDU-Politiker ein. Die Folge: Jean-Claude Juncker wird weitere sechs Monate im Amt bleiben, obwohl er amtsmüde ist.
Hilfe für Euro-Länder
Nach Griechenland, Irland und Portugal haben nun auch Spanien und Zypern erklärt, Hilfen aus den Euro-Rettungsfonds in Anspruch zu nehmen. Spanien bleibt aber als Garantiegeber für die Krisenfonds erhalten, da es lediglich Geld für die Sanierung seiner Banken beantragt hat.
Für Irland, Portugal und Griechenland (zweites Hilfsprogramm) hat der Rettungsschirm EFSF bislang 192 Milliarden Euro zugesagt. Die Kredite werden schrittweise ausgezahlt - unter der Voraussetzung, dass die Länder sparen und Reformen umsetzen. Spanien dürfte bis zu 62 Milliarden Euro für die Rettung seiner Banken benötigen - die Euro-Finanzminister haben bis zu 100 Milliarden pauschal zugesagt - , Zypern nach Medienberichten bis zu zehn Milliarden Euro.
Allein im EFSF stehen nach Angaben des Fonds noch 248 Milliarden Euro bereit - das würde für Spaniens Banken und Zypern locker reichen. Wobei noch offen ist, ob der EFSF oder sein Nachfolger, der permanente Krisenfonds ESM einspringt, der Mitte Juli starten soll. Mit dem neuen Programm für Spanien und Zypern dürfte sich die benötigte Summe auf maximal 300 Milliarden Euro erhöhen. Das ist immer noch weniger als die Hälfte des kombinierten Volumens der beiden Rettungsschirme EFSF und ESM von 800 Milliarden Euro.
Die Reihe der potenziellen Bittsteller ist lang: Wäre Spanien gezwungen, doch noch voll unter den Rettungsschirm zu schlüpfen, wird der Kapitalbedarf Madrids auf bis zu 300 Milliarden Euro geschätzt. Auch Italien kämpft mit Problemen, möglicherweise benötigen auch Portugal oder Irland ein zweites Paket. Die Faustformel der Ökonomen lautet: Spanien passt auch als Gesamtstaat unter die Rettungsschirme - das Schwergewicht Italien aber nicht mehr.
Für viele ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone Hilfen beantragen wird. Schlechte Nachrichten dominieren: „Die Konjunktur ist zu Jahresbeginn eingebrochen und der Reformwillen der italienischen Politik ist bereits wieder deutlich erlahmt“, sagt Commerzbank-Volkswirt Ralph Solveen. Spanien wie auch Italien stehen unter dem Druck der Märkte. Willem Buiter von der Citigroup sagt: „Das Vertrauen in beide Regierungen, die nötigen Strukturreformen und Sparanstrengungen bewältigen zu wollen und zu können, ist gering.“
Ja, denn das weckt Begehrlichkeiten. Obwohl Spanien ein Sonderfall ist. Madrid bekommt nur Geld zur Sanierung seiner maroden Banken. Die Auflagen betreffen somit die Rettung von Banken, die Reform der Branche und eine schärfere Bankenaufsicht. Zypern, dessen Banken eng mit Griechenland verwoben sind und Probleme haben, könnte nach spanischem Vorbild ebenfalls eine Euro-Rettung „light“ verlangen. Auch Griechenland will nun nachverhandeln und verlangt mehr Zeit für seine Reformen und die Rückzahlung der Kredite.
Experten von EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds kontrollieren als „Troika“ die Einhaltung der Auflagen. Die internationalen Geldgeber haben eine scharfe Waffe in der Hand: Sie können kurzerhand den Geldhahn zudrehen. Damit wurde schon mehrfach Griechenland gedroht. So haben die Euro-Partner einige Male die Auszahlung von Kredittranchen verschoben.
Das ist umstritten. Kurzfristig würden die Aufschläge für Anleihen der Krisenländer wohl sinken. „Solche Käufe könnten aber auch eine Einladung sein, gegen die begrenzten Mittel der Rettungsfonds zu spekulieren“, warnt Holger Schmieding von der Berenberg Bank. Dann würden Mittel verschwendet, die sinnvoller angelegt werden könnten, etwa zur Kapitalisierung von Banken oder als Notkredite für Länder.
Für Schäuble und Juncker, zwei leidenschaftliche Europa-Politiker, die die Einführung der Gemeinschaftswährung von Beginn an begleitet haben, ist das französische Veto schmerzlich. Doch aus deutscher Sicht ist die ablehnende Haltung Frankreichs keine schlechte Nachricht. Im Gegenteil.
Vermittler statt "Basta"-Politiker
Schließlich hätte der deutsche Finanzminister in Brüssel an Macht verloren. Denn der Chef der Eurogruppe bereitet die Euro-Spitzentreffen vor. Er setzt die Themen. Allerdings besteht seine Aufgabe auch darin, Dialoge anzustoßen, Visionen zu formulieren und zwischen den Euro-Partnern zu vermitteln. Der Vorsitzende der Eurogruppe muss ein Moderator und Vermittler sein, kein "Basta"-Politiker.
Was das zuweilen bedeutet, zeigt die Positionierung Jean-Claude Junckers in der Schuldenkrise. Zwar unterstützte der Luxemburger stets die deutsche Haltung, wonach die Schuldenkrise nur durch Haushaltsdisziplin gelöst werden könne. Dennoch musste der Eurogruppen-Chef zunehmend auch Verständnis für die Sudeuropäer zeigen, die auf Wachstumsprogramme und eine Vergemeinschaftung von Schulden drängen.
Deutschland kann es sich nicht leisten, von seiner harten Haltung abzurücken. Dass Schäuble in Brüssel weiterhin konsequent und lautstark deutsche Positionen vertreten kann, ist ein Segen für die in Euro-Fragen zunehmend isolierte Bundesrepublik.