Europa Briefing – Teil 4 Die Bankenunion offenbart grundlegende Konflikte in der Eurozone

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Gleiche Regeln für alle?

Szenario 2: Streit um Abwicklungsregeln

Eine schnelle und umfassende Aufräumaktion ist für Banken jedoch nicht unbedingt attraktiv, da eine Anerkennung der Verluste durch notleidende Kredite für manche Institute die Insolvenz bedeuten könnte. Einige Regierungen wollen deshalb ihrem heimischen Bankensektor durch einen staatlichen Bail-out helfen, was aber mit Inkrafttreten des Abwicklungsmechanismus verboten wurde. Ein Verstoß gegen das Verbot könnte zum offenen Streit zwischen Regierungen und europäischer Aufsicht führen.

Wenn bei einigen Akteuren der Eindruck entsteht, einzelne Länder hielten sich nicht an das Prinzip „gleiche Regeln für alle“, kostet das wertvolles Vertrauen. Es würde dann auch nicht zu einem langfristigen Kompromiss aus Risikoteilung und Risikoreduzierung kommen – die Bankenunion bliebe unvollendet.

Ein Scheitern der Bemühungen, die Bankenunion weiter voranzutreiben, ist aus zwei Gründen gefährlich: Erstens würde ein Kräftemessen zwischen Regierungen und europäischen Institutionen den Abbau von notleidenden Krediten zusätzlich bremsen und ein schwacher Bankensektor die Wirtschaft weiterhin belasten. Zweitens stellt sich ohne den Ausbau der Bankenunion bei der nächsten Krise in einigen Ländern wieder die Frage nach der Schuldentragfähigkeit.

Szenario 3: Ausnahmen unter Auflagen

Die obligatorische Beteiligung der Gläubiger und Eigner schützt zwar den Steuerzahler, birgt aber auch Risiken: Da sich Banken gegenseitig Geld leihen, kann die Insolvenz einer Bank Verluste bei der nächsten Bank verursachen. Auch das neue Regelwerk schließt diese Ansteckungsgefahr nicht aus.

Die fünf großen Baustellen der EU

Einzelnen Mitgliedstaaten wäre es daher gestattet, ihre Banken auf eigene Kosten und unter strengen Auflagen zu sanieren, um mit den Altlasten der Krise abzuschließen. Eigner und Gläubiger würden an den Verlusten in diesem Fall nur in geringem Maße beteiligt. Banken in Krisenländern könnten dadurch die Wirtschaft wieder mit ausreichend Krediten versorgen. Der Preis dafür wäre wiederum eine höhere Staatsverschuldung.

Ob es nach solchen Ausnahmen zum Ausbau der Bankenunion kommt, hängt davon ab, inwieweit die Mitgliedstaaten darauf vertrauen, dass nach dem Abbau der Altlasten dann wirklich gleiche Regeln für alle gelten. Die europäische Aufsicht und die Kommission sind dabei in einer schwierigen Mittlerrolle: Den Krisenländern müssen sie Wege aufzeigen, die eine großangelegte Säuberung der Bankbilanzen auch im neuen Regelwerk ermöglichen. Wirtschaftlich starke Länder fordern dagegen, dass die Abwicklungsregeln auch gegen politische Widerstände durchgesetzt werden. Die Kritik an der Erlaubnis der Kommission, mehrere italienische Banken mit Steuergeldern abzuwickeln und in einem Fall sogar zu retten, zeigt, dass bisher wenig Einigkeit darüber herrscht, wie die weiterhin anfälligen Bankensysteme in Europa stabilisiert werden sollen.

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