Europa Deutsche werden in Brüssel mächtiger

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Martin Selmayr, Günther Oettinger und Renate Nikolay

  • Kabinettschef - Martin Selmayr, 43

Mit seinem scharfen Verstand und seiner profunden Sachkenntnis eilt Martin Selmayr Gesprächspartnern gerne davon. Als engster Berater von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wird er die Agenda der Behörde prägen.

In den vergangenen zehn Jahren war Selmayr erst Pressesprecher, dann Kabinettschef der luxemburgischen Kommissarin Viviane Reding. In dieser Funktion stieß er das Großprojekt der Roaming-Verordnung an und führte es auch zu Ende.

Ganz entscheidend wird das Zusammenspiel zwischen dem Kopfmenschen Selmayr und dem Bauchmenschen Juncker sein. Selmayr argumentiert, sie würden sich ergänzen: „Juncker antwortet auf die Frage, wie lange wir uns schon kennen: Schon immer.“

Auch wenn Selmayr den Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) als „guten Freund“ bezeichnet, so eilt ihm in Berlin der Ruf voraus, europäische Interessen über deutsche zu stellen. Dem politischen Berlin gehörte er selbst nie an. Allerdings gab es über den Vater eine Verbindung in die Politik. Der diente dem Kanzleramtschef Karl Carstens, der später Bundespräsident wurde, Ende der Sechzigerjahre als persönlicher Referent.

Der Einser-Abiturient Selmayr liebäugelte lange mit einer Karriere in der Wissenschaft. Seit 2001 ist er Direktor des Centrums für Europarecht der Universität Passau, wo er ebenso wie an der Universität Saarbrücken Vorlesungen zu Europarecht hält. Er reist mit dem Zug an, weil er zwar einen Führerschein hat, aber nicht Auto fährt. „Man muss wissen, was man gut kann und was nicht.“

Europa ist nur bedingt wettbewerbsfähig
Ein Mann trägt eine griechische Flagge Quelle: dpa
ItalienAuch Italien büßt zwei Plätze ein und fällt von Rang 44 auf Rang 46. Die Studienleiter kritisieren vor allem das Finanz- und Justizsystem. Die Abgaben seien zu hoch und Verfahren viel zu langwierig und intransparent. Lediglich bei der Produktivität und mit seiner Infrastruktur liegt der Stiefelstaat im Mittelfeld. Ein wenig besser macht es ... Quelle: REUTERS
Ein Mann schwenkt eine portugiesische Flagge Quelle: AP
Stierkampf Quelle: dpa
Eine Frau hält eine Fahne mit einer französischen Flagge in der Hand Quelle: REUTERS
Das Parlamentsgebäude in Wien Quelle: dpa
Finnische Flagge Quelle: dpa
  • Kommissar - Günther Oettinger, 61

Der Schwabe ist in Brüssel angekommen. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel vor fünf Jahren ausgerechnet den damaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg als Kommissar nach Brüssel schickte, hatten sich viele gewundert. Doch Oettinger hat seine Kritiker seitdem eines Besseren belehrt. Als Energiekommissar schmiedete er bis zum letzten Moment an einem Kompromiss im Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine. Dank seines ebenso bewunderten wie gefürchteten fotografischen Gedächtnisses arbeitete sich Oettinger schnell in die Details der Energiepolitik ein.

Oettinger hält engen Kontakt zur Bundesregierung, jeden Montag nimmt er an den Sitzungen des CDU-Präsidiums teil. Er betont allerdings, dass er sich als Kommissar aus Deutschland sieht und nicht als deutscher Kommissar. Von Brüssel aus hat er immer wieder Fehlentwicklungen in Deutschland kritisiert, etwa die wachsende Technikfeindlichkeit oder die irrwitzige Förderung erneuerbarer Energien.

Als Digitalkommissar wird Oettinger interessante Debatten mit der neuen Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager führen, etwa über die von ihm früh kritisierte Marktmacht von Google. Oettinger plädiert für eine Abkehr von der klassischen Wettbewerbspolitik hin zu einem strategischeren Ansatz: „Wir brauchen Weltmarktführer.“ Seine Wissenslücke in Sachen Digitales gibt Oettinger offen zu: „Mein 16-jähriger Sohn ist mein bester Lehrer.“ An den EU-Arbeitsalltag hat er sich allerdings gewöhnt: „Ich fühle mich hier sehr wohl, weil die Dichte an roten Teppichen deutlich geringer als in Stuttgart ist.“

  • Kabinettschefin - Renate Nikolay, 47

Über den Schreibtisch von Renate Nikolay wird eines der wichtigsten Gesetzesvorhaben der Juncker-Kommission gehen: Die neue EU-Datenschutzverordnung soll die völlig überkommenen Regeln aus dem Jahr 1995 ablösen und gleichzeitig in allen 28 EU-Ländern einen einheitlichen hohen Schutz bieten. Nikolay wird die wichtigste Beraterin der tschechischen Justizkommissarin Vera Jurová sein. Sie weiß, dass noch viel Feinabstimmung notwendig ist, bis sich die Mitgliedstaaten bis Ende kommenden Jahres auf die neue Verordnung einigen. Eine Frist, die Bundeskanzlerin Angela Merkel ausdrücklich unterstützt. Ohne Deutschland mit seinem bisher sehr hohen Niveau an Datenschutz kann kein Konsens entstehen. Gleichzeitig hat Deutschland als Exportnation besonders großes Interesse an einem funktionierenden Datenschutz, der etwa den elektronischen Handel fördert.

Da die Mitgliedstaaten noch nicht einmal die Hälfte des Pensums verhandelt haben, stehen harte Gespräche bevor. Mit der zähen Suche nach Kompromissen kennt sich Nikolay allerdings aus. Ihre Karriere begann sie im Bundeswirtschaftsministerium als persönliche Referentin von Staatssekretär Alfred Tacke, damals G8-Sherpa von Bundeskanzler Gerhard Schröder. Aus privaten Gründen wechselte sie 2002 nach Brüssel, zunächst in die Ständige Vertretung Deutschlands, dann in die Generaldirektion Handel der Kommission. Die Mutter von zwölfjährigen Zwillingen arbeitete in den Kabinetten der britischen Kommissare Peter Mandelson und Catherine Ashton, wo sie am Freihandelsabkommen der EU mit Südkorea beteiligt war.

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