Europa Reichen 500 Milliarden Euro für den Wiederaufbau der EU?

Grundsätzlich sind sich die Mitgliedsstaaten einig: Das Hilfspaket für die EU-Wirtschaft ist wichtig und muss schnell auf den Weg gebracht werden. Wie die Hilfen letztendlich aussehen sollen, diskutieren in den kommenden Tagen diverse Ministerräte. Quelle: Imago

Die EU-Staaten suchen einen Kompromiss für ihren Plan zur wirtschaftlichen Erholung nach Corona. Das Konzept soll in wenigen Wochen stehen. Zunächst gibt es allerdings jede Menge Streitigkeiten zu klären.

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Beim geplanten EU-Wiederaufbauplan will Bundesfinanzminister Olaf Scholz einen Umfang von 500 Milliarden Euro - deutlich weniger als die EU-Kommission. Diese Größenordnung im deutsch-französischen Vorschlag für das Programm sei „sehr klug bedacht“, sagte der SPD-Politiker vor Beratungen der EU-Wirtschafts- und Finanzminister am Dienstag. Er sagte schwierige Verhandlungen der 27 EU-Staaten voraus, aber auch die Chance zur Einigung.

Gleichzeitig würdigte Scholz die Arbeit des scheidenden Eurogruppen-Chefs Mario Centeno. Dieser hatte kurz zuvor seinen Rücktritt als portugiesischer Finanzminister und seinen Rückzug vom europäischen Amt angekündigt. Wegen der beispiellosen Rezession nach der Pandemie hat die EU-Kommission ein schuldenfinanziertes Wiederaufbauprogramm im Umfang von 750 Milliarden Euro vorgeschlagen. Davon sollen 500 Milliarden Euro als Zuschüsse und 250 Milliarden als Kredite zur wirtschaftlichen Erholung an die EU-Staaten gehen. Deutschland und Frankreich hatten zuvor die Summe 500 Milliarden Euro ins Gespräch gebracht, allerdings ausschließlich als Zuschüsse. Scholz sagte, diese Summe könne einen „Pfad für die Verständigung“ beschreiben.

Die EU-Wirtschafts- und Finanzminister berieten am Dienstagnachmittag erstmals ausführlich über den Wiederaufbauplan und den nächsten siebenjährigen EU-Finanzrahmen von rund 1,1 Billionen Euro. Beides soll in den nächsten Wochen im Paket verabschiedet werden. Noch gibt es aber neben dem Umfang viele weitere Streitpunkte, etwa die Kriterien, nach denen das Geld verteilt werden soll und die Frage, ob Krisenstaaten im Gegenzug für Hilfen Reformen zusagen müssen.

Umstritten ist vor allem, ob das von der EU-Kommission als Schulden aufgenommene Geld als Zuschuss an die Krisenstaaten gezahlt werden soll. Denn das bedeutet, dass die im Namen der EU aufgenommenen Kredite nicht vom Empfänger, sondern von allen gemeinsam getilgt werden müssen. Deutschland und Frankreich sind dafür, ebenso wie die von der Pandemie getroffenen Staaten wie Italien oder Spanien. Österreich, Dänemark, Schweden und die Niederlande haben jedoch Einspruch eingelegt und sich damit den Spitznamen die „sparsamen Vier" eingehandelt. Auch Finnland forderte zuletzt erhebliche Nachbesserungen.

Doch von der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen kamen am Dienstag Kompromisssignale. Es müsse Raum für Diskussionen geben, wie all das finanziert werden könne, sagte sie in Kopenhagen. In den Verhandlungen gehe es aber nicht darum, ein Veto einzulegen, sondern eine Lösung zu finden. Grundsätzlich halte sie es für richtig, dass man selbst für seine Schulden bezahlen müsse.

Auch Scholz formulierte Forderungen. Wichtig sei ihm, dass schon im nächsten mehrjährigen Finanzrahmen mit der Rückzahlung der EU-Schulden begonnen wird - die EU-Kommission will erst 2028 damit anfangen und die Tilgung über 30 Jahre strecken. Scholz betonte zudem, dass die Hilfsgelder tatsächlich für die konjunkturelle Erholung nach der Corona-Krise eingesetzt werden müssen. Bei den Verhandlungen werde „noch viel Arbeit zu bewältigen sein“. Doch herrsche eine konstruktive Haltung, in kurzer Zeit zur Einigung zu kommen, meinte Scholz.

Im Plan der EU-Kommission sind allein für Italien rund 173 Milliarden Euro als Zuwendungen und Kredite reserviert, für Spanien 140 Milliarden Euro. Deutschland hätte nach diesem Plan knapp 29 Milliarden Euro als Zuwendung aus Brüssel zu erwarten. Allerdings müsste die Bundesrepublik ein Mehrfaches bei der Rückzahlung der gemeinsamen Schulden schultern. Die Bundesregierung ist trotzdem dafür, um den Partnern auf die Beine zu helfen und den EU-Binnenmarkt für den Export deutscher Produkte zu erhalten.

Die EU-Staaten hatten bereits Anfang April ein Hilfspaket mit 540 Milliarden Euro für Kurzarbeiter, Unternehmen und verschuldete Staaten geschnürt, allerdings ausschließlich als Kredite. Über die neuen Vorschläge der EU-Kommission beraten in den nächsten Tagen diverse Ministerräte, bevor sich am 19. Juni die EU-Staats- und Regierungschefs damit befassen. Eine Entscheidung wird frühestens bei einem Gipfel im Juli erwartet.

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