Europa Deutsche werden in Brüssel mächtiger

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Uwe Corsepius und Reinhard Silberberg

  • Generalsekretär - Uwe Corsepius, 54

Außerhalb des labyrinthischen Ratsgebäudes ist er in Brüssel nicht zu sehen und nicht zu hören. Uwe Corsepius, von 2006 bis 2011 Leiter der Europa-Abteilung im Bundeskanzleramt und enger Vertrauter von Bundeskanzlerin Angela Merkel, scheut die Öffentlichkeit. Ein wenig passt das zum Stil des verschwiegenen EU-Organs. Der Rat, die Institution der 28 Mitgliedstaaten, die im Gesetzgebungsprozess das letzte Wort hat, arbeitet meist im Geheimen. Die mühsame Suche nach politischen Kompromissen verträgt keine Öffentlichkeit.

In Brüssel eilt dem promovierten Ökonomen Corsepius der Ruf voraus, seit seiner Ankunft vor drei Jahren in der 3500-Mitarbeiter-Behörde „aufgeräumt“ zu haben. Altgediente Beamte mussten rotieren, Erbhöfe wurden abgeschafft. An die Machtfülle seines Vorgängers Pierre de Boissieu, der sich über ein Jahrzehnt auf dem Posten hielt, kommt er nicht heran; auch weil der Rat seit 2009 mit dem Ratspräsidenten einen politischen Chef hat, der ab 1. Dezember Donald Tusk heißen wird. Eine wichtige Rolle kommt dem gebürtigen Berliner Corsepius dennoch zu. Er bereitet die EU-Gipfel vor, ist mit im Raum, wenn die Staats- und Regierungschefs zusammenkommen. Die französische Wirtschaftszeitung „La Tribune“ sah die Berufung von Corsepius als ein Indiz dafür, dass „die Deutschen zur Invasion der EU-Institutionen ansetzen“. Die Schlagzeile führt allerdings in die Irre: Corsepius liegt es fern, Berliner Interessen in Brüssel durchzusetzen. An seinem internen Auftritt hat er offenbar gefeilt. Seine deutsche Direktheit habe er abgelegt, heißt es in Brüssel.

  • Botschafter - Reinhard Silberberg, 61

Die Haare sind gestutzt, zum Rauchen geht er hinunter ins Rauchereck. Reinhard Silberberg, Hausherr in der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der EU, kennt den europäischen Betrieb noch aus einer Epoche, als bei Gipfeln gepafft wurde wie in einem Altherrenklub. Zu seiner Zeit als Berater von Bundeskanzler Gerhard Schröder pflegte der für seine Silbermähne bekannte Diplomat zu scherzen, jedes Mal, wenn er vor dem Gipfel zum Friseur gehe, nähmen die Treffen kein gutes Ende.

Seit September ist er nun wieder in der EU-Hauptstadt, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, dem er als Staatssekretär diente, wünschte sich einen Vollprofi für die Vertretung deutscher Interessen. Im Auswärtigen Amt gibt es wohl niemanden, der die EU so gut kennt wie Silberberg.

Mehr als 70 EU-Gipfel hat er mitgemacht, seit Anfang der Neunzigerjahre beschäftigt er sich fast ununterbrochen mit der EU. Die vergangenen fünf Jahre verbrachte er als deutscher Botschafter in Madrid, auch dort musste er die oft als eisern wahrgenommene Anti-Krisen-Politik Berlins erklären.

Als EU-Botschafter vertritt Silberberg nun die deutschen Interessen im wichtigen Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV). Dort bereiten die Diplomaten die Entscheidungen der Fachminister vor. „Man braucht als Vertreter Deutschlands kein Megafon, die Leute hören zu“, sagt Silberberg. „Häufig kommt es auf Deutschland an, wenn Kompromisslinien ausgelotet werden.“ Gleichzeitig verpflichtet die Größe Deutschland auch, auf andere, insbesondere kleinere Länder Rücksicht zu nehmen: „Es ist wichtig, ausgewogen zu agieren.“

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