EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker warnt Ungarn eindringlich davor, die Todesstrafe einzuführen. Das Land müsste aus der Europäischen Union austreten, sollte Ministerpräsident Viktor Orban darauf bestehen, sagte Juncker der "Süddeutschen Zeitung". "Wer die Todesstrafe einführt, hat keinen Platz in der Europäischen Union." Dies wäre "ein Scheidungsgrund".
Orban hatte vor wenigen Wochen angeregt, jeder EU-Staat sollte selbstständig entscheiden können, ob er die Todesstrafe einführt. Diese ist laut EU-Verträgen untersagt. Ungarn hatte die Verhängung von Todesurteilen aufgegeben, bevor es 2004 der EU beitrat.
Das ist Viktor Orbán
Viktor Orbán, 1963 geboren, wuchs in bescheidenen Verhältnissen in einem Dorf bei Szekesfehervar - 70 Kilometer südwestlich von Budapest - auf. Im ländlichen Umfeld seiner Kindheit galt er als schwer erziehbar.
Als Jurastudent in der Hauptstadt Budapest rebellierte Orbán mit Gleichgesinnten gegen den geistlosen Obrigkeitsstaat im späten Kommunismus. Der Fidesz, den er mitbegründete, war die erste unabhängige Jugendorganisation dieser Zeit.
1998 übernahm Orbán erstmals die Regierungsgeschäfte. Mit 35 Jahren war er damals der jüngste Ministerpräsident der ungarischen Geschichte.
Als Orbán 2002 überraschend die Wahl und damit die Regierungsmacht verlor, wollte er sich damit nicht abfinden. Er ließ seine Anhänger aufmarschieren und reklamierte auf "Wahlbetrug". Die regierende Linke setzte der Oppositionsführer immer wieder mit Straßenkundgebungen und Volksabstimmungen unter Druck.
Die Wahlen im Frühjahr 2010 brachten Orbán die langersehnte Rückkehr an die Macht, noch dazu mit der verfassungsrelevanten Zweidrittelmehrheit für seine Fidesz-Fraktion.
Nach seiner Rückkehr sprach Orbán umgehend von einer "Revolution der Wahlkabinen" und von der Ankunft eines neuen "Systems der nationalen Zusammenarbeit".
Das bedeutete in der Praxis die Aushöhlung demokratischer Institutionen. Kritiker zufolge ordnet Orbán seine ganze Politik seinen Machtbedürfnissen unter. So würden auch die kürzlich verabschiedeten Verfassungsänderungen vor allem dazu dienen, dass Orbán noch mehr schalten und walten kann, wie er will.
Für die nächsten 15 bis 20 Jahre, so erklärte Orbán vor Partei-Intellektuellen, müsse "ein einziges politisches Kraftfeld die Geschicke der Nation bestimmen".
Orbans Regierungsstil trifft in der EU immer wieder auf Kritik. Erst in der vergangenen Woche hatte Ungarns rechtsnationale Regierung ihre Kampagne gegen Einwanderer. Die Bürger sind aufgerufen, auch per Internet Fragen der Regierung zum Thema Einwanderung zu beantworten, wie Regierungssprecher Zoltan Kovacs am Sonntag nach Angaben der staatlichen ungarischen Nachrichtenagentur MTI mitteilte. Zudem wolle man in Kürze eine „Informationskampagne“ zu diesem Thema beginnen. Zuvor hatte sich Orban mehrfach vehement gegen die Zuwanderung ausgesprochen.
Vor Wochen hatte die Regierung auf Initiative von Orban den Ungarn einen Bogen mit zwölf Fragen geschickt, die Kritiker als suggestiv bezeichnen. Gefragt wird unter anderem, ob die Einwanderungspolitik der EU den Terrorismus gefördert habe, ob Ungarn strenger gegen Einwanderer vorgehen solle und ob Wirtschaftsflüchtlinge Arbeitsplätze für Ungarn gefährdeten.
Bisher seien rund 200.000 Antworten per Post eingegangen, sagte Kovacs. Nun sei die Teilnahme auch online möglich. Nur zehn Prozent der in Ungarn ankommenden Einwanderer seien politische Flüchtlinge, die Übrigen seien Wirtschaftsmigranten, sagte Kovacs. Bisher hätten mehr als 45.000 Einwanderer in Ungarn einen Asylantrag gestellt. Bis zum Jahresende könne ihre Zahl 100.000 übersteigen.
Die Bundesregierung hat Ungarn aufgefordert, an der Abschaffung der Todesstrafe festzuhalten. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Montag in Berlin, die Abschaffung sei eine Voraussetzung für Ungarns EU-Beitritt 2004 gewesen. „Wir gehen davon aus, dass Ungarn sich dieser Verpflichtung auch nicht mehr entziehen wird.“
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hatte zuvor Ungarn eindringlich davor gewarnt, die Todesstrafe wieder einzuführen. Das Land müsste aus der Europäischen Union austreten, sollte Ministerpräsident Viktor Orban darauf bestehen, sagte Jucker der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag). Der rechtsnationale Regierungschef Orban hatte vor wenigen Wochen angeregt, jeder EU-Staat sollte selbstständig entscheiden können, ob er die Todesstrafe einführt.