Europäische Union Die nächste Stufe der Griechenlandrettung

Frische Milliarden nur gegen Reformen. Das diskutieren die Euro-Finanzminister in Malta, offenbar gibt es einen Durchbruch. Doch es geht um mehr. Die Europäer verhandeln, wie es nach dem dritten Hilfspaket weitergeht.

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Frische Milliarden nur gegen Reformen. Quelle: dpa

Die Verhandlungen zwischen Griechenland und den Geldgebern ziehen sich seit Wochen hin, wieder einmal. So läuft das Spiel seit sieben Jahren, seit Griechenland die ersten Hilfskredite von den Europäern und dem Internationalen Währungsfonds erhalten hat. Heute kommen die Euro-Finanzminister in Malta zusammen. Die Unterhändler sollen bereits einen Durchbruch erzielt haben.

Reformen bei Haushalt, Rente, Arbeitsmarkt und Energie sind die kritischen Themen. Spätestens im Sommer brauchen die Griechen rund sieben Milliarden aus dem dritten Hilfspaket mit einem Gesamtvolumen von bis zu 86 Milliarden Euro. Soweit, so bekannt.

Und doch ist etwas anders. Eine neue Phase ist erreicht: Griechenland soll und muss eigenständig werden. Die Operation Rettung soll enden, endlich, schließlich ist sie für alle Seiten zur Qual geworden. Ein viertes Hilfspaket ist illusorisch, der politische Rückhalt ist kaum noch vorhanden – bei den europäischen Geldgebern und in Griechenland selbst. Und da das dritte Hilfspaket im Sommer kommenden Jahres ausläuft, geht es bei den derzeitigen Verhandlungen nicht nur darum, dass Griechenland weitere Milliarden ausgezahlt bekommt. Es geht auch um die Planung für die Zeit nach dem dritten Hilfspaket, wenn Griechenland künftig ohne neue Hilfszahlungen auskommen soll.

Aus Sicht von Ökonom Jens Bastian hakt es an drei Punkten. Erster Knackpunkt: Ein möglicher Schuldenerlass. „Beim Thema Schuldenschnitt ist kein Kompromiss möglich“, sagt der in Athen lebende Griechenlandexperte. Die Europäer wollen in diesem Wahljahr nicht darüber sprechen. Für den griechischen Premier Alexis Tsipras und den IWF entscheidet ein Schuldenschnitt aber über die Zukunft des Landes. „Vor 2018 bewegt sich da nichts in der Substanz“, ist Bastian überzeugt.

Zweiter Knackpunkt: Welche Verpflichtungen muss Griechenland eingehen, wenn das dritte Hilfspaket im kommenden Jahr regulär beendet wird? Dann fällt schließlich das Druckmittel der Europäer weg, den Griechen womöglich eine Tranche aus dem Hilfspaket zu verweigern. Das wirkte bislang stets disziplinierend. Aber auch künftig – und ohne dieses Druckmittel – wollen die Geldgeber sicherstellen, dass Griechenland seinem Schuldendienst nachkommt und pünktlich die Raten zahlt.

Wie Europas Währungen ohne Euro auf- oder abwerten müssten
Das SzenarioDer US-Finanzriese Bank of America Merrill Lynch (BoA) wollte es genauer wissen: Analyst Athanasios Vamvakidis hat den Euro-Währungsraum unter der Maßgabe genauer unter die Lupe genommen, dass die Euro-Zone auseinanderbricht und der Euro abgeschafft wird. Hintergrund sind neben den hohen Staatsschulden einzelner Peripheriestaaten vor allem das absehbare Ende der massiven Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank (EZB), das sogenannte OMT-Programm, und in der Folge wieder steigende Zinsen. Nur die Geldpolitik der EZB hat 2012 eine Eskalation der Staatsschuldenkrise verhindert, in dem die Kreditkosten für die Peripheriestaaten auf ein historisches Tief gedrückt wurden. Was also passiert, wenn das OMT-Programm endet? Quelle: dpa
Schatten-WechselkurseDie BoA-Experten erwarten, dass die EZB das OMT-Programm im kommenden Jahr reduziert und schrittweise auslaufen lässt. Dadurch würden auch die Finanzierungskosten der Staaten wieder ansteigen, obwohl es länger dauern dürfte, die Leitzinsen wieder anzuheben. Insgesamt rechnet die BoA dann mit höheren Schuldenquoten in Italien, Spanien, Portugal und Griechenland als 2012 auf den Höhepunkt der Euro-Schuldenkrise. Ohne einschneidende Reformen steigt somit das Risiko, dass die Euro-Zone auseinanderbricht. Dies vor Augen hat BoA-Analyst Vamvakidis Schattenwechselkurse für die nationalen Nachfolgewährungen gegenüber dem heutigen Euro berechnet. Diese legen Währungsunterschiede zwischen den Euro-Staaten offen, die derzeit durch die Gemeinschaftswährung verborgen sind. Quelle: dpa
GriechenlandGriechenland bleibt das Sorgenkind der Euro-Zone. Trotz spürbarer Fortschritte liegt die Überbewertung Griechenlands zusammen mit der Spaniens an der Spitze. Die griechische Drachme müsste deshalb nach heutigem Stand um 7,5 Prozent abwerten. Immerhin: Vor der Krise lag der Abwertungsbedarf eher bei 30 Prozent, insofern war die Verbesserung deutlich. Nur ein Land der Euro-Zone ist aktuell so stark überbewertet wie Griechenland. Quelle: dpa
SpanienMüsste Spanien zur Peseta zurückkehren, wäre laut BoA eine Abwertung der spanischen Währung um 7,5 Prozent erforderlich. Gegenüber dem Abwertungsbedarf vor der Krise von rund 14 Prozent ist das schon eine Stabilisierung. Allerdings haben sich Spaniens Staatsschulden seit 2008 nahezu verdreifacht. Dank der Geldpolitik der EZB hat sich die Zinsbelastung des Staates jedoch nur um 80 Prozent erhöht. Quelle: Fotolia
FrankreichBräche der Euro heute auseinander, müsste der Franc um fünf Prozent abwerten – und damit deutlich mehr als zu Vorkrisenzeiten. Damals lag die Überbewertung bei nur zwei Prozent. Insgesamt, so Studienautor Vamvakidis, sei die Überbewertung jedoch zu gering, um die Forderungen der Rechtspopulistin Marine Le Pen nach einem Frexit und einer anschließenden Abwertung des Franc zu rechtfertigen. Quelle: dpa
ItalienItalien bleibt etwas überbewertet, so dass die italienische Lire nur um drei Prozent abwerten müsste, um einen angemessenen Wechselkurs zu erreichen. Vor der Krise betrug die Überbewertung noch 7,5 Prozent. Seit 2012 ist die Zinsbelastung des Staates deutlich gesunken. Quelle: dpa
PortugalAuch in Portugal hat sich die wirtschaftliche Lage deutlich gebessert, so dass der Escudo nach heutigen Maßstäben nur noch leicht, nämlich um ein Prozent abwerten müsste, um im Gleichgewicht mit den übrigen Euro-Staaten zu notieren. Quelle: dpa

Insbesondere geht es um den sogenannten Primärüberschuss. Das ist das Plus in den öffentlichen Kassen vor Abzug des Schuldendienstes. Die europäischen Geldgeber fordern einen Primärüberschuss von 3,5 Prozent pro Jahr, der Internationale Währungsfonds hält das für unrealistisch und schlägt 1,5 Prozent vor.

Ökonom Bastian schätzt, die griechische Regierung könnte so bis zu 2,5 Milliarden Euro mehr pro Jahr Spielraum bekommen, abhängig von der Wirtschaftsentwicklung im Land. Bastian warnt vor einem Kollaps, falls die Europäer dauerhaft auf 3,5 Prozent Primärüberschuss bestehen: „Wenn Griechenland über Jahre noch weiter sparen muss, gerät die sozialpolitische Lage im Land weiter außer Kontrolle. Daran können die Gläubiger kein Interesse haben.“

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