Europäische Union Diese Sozialpolitik schadet der EU

Unrealisierbare Harmonisierungsprojekte wie eine gemeinsame Sozialpolitik sind kein Mittel gegen, sondern der Grund für EU-Verdrossenheit.

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Der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, auf einer Pressekonferenz im Sitz des EU-Parlaments in Brüssel. Quelle: dpa

Er kann es offenbar einfach nicht lassen. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist entschlossen, seine Vision der „ever closer union“ weiter zu verfolgen. Als bislang noch weitgehend brachliegendes Feld der europäischen Integrationspolitik hat er sich die Sozialpolitik vorgenommen.

Die scheint ihm und seinen Brüsseler Mitstreitern besonders geeignet, um Handlungsfähigkeit zu demonstrieren und vor allem um die Herzen EU-skeptischer Bürger zurückzugewinnen. Die EU wird schließlich von ihren Kritikern – sowohl von links als auch von rechts – meist als das „neoliberale“ Instrument der Globalisierung dargestellt, mit dessen Hilfe die politischen und wirtschaftlichen Funktionseliten die europäischen Gesellschaften im Sinne der totalen Verfügbarkeit disziplinieren wollen – auf Kosten der nationalen Sozialstaaten.

Vielleicht werden Juncker und die Befürworter weiterer Integration kurzfristig den einen oder anderen positiv beeindrucken. Doch mittel- und langfristig könnte die gesamte Idee einer europäischen Sozialpolitik auf ihre Schöpfer – oder eher deren Nachfolger – negativ zurückfallen. Nämlich dann, wenn klar wird, dass eine soziale Harmonisierung der Europäischen Union ebenso wenig realisierbar ist wie eine funktionierende Währungsunion. Die nationalen Sozialsysteme sind tief in der Geschichte wurzelnde Ergebnisse nationaler Kulturen. In den meisten Staaten funktionieren sie bislang mehr oder weniger.

Die Misserfolgsgeschichte der Währungsunion sollte den europäischen Polit-Architekten eine Mahnung sein: Was aus jahrhundertealten Gründen nicht zusammen passt, kann man nicht mit Brüsseler Verwaltungsakten und hehrer Integrationsideologie passend machen. Die „Europäische Säule der sozialen Rechte“ wird im besten Falle als Luftnummer enden, die von den Mitgliedsstaaten ignoriert und spätestens vom nächsten Kommissionspräsidenten still ad acta gelegt wird. Im schlimmeren Fall, wenn Brüssel versucht, sie gegen nationale Widerstände durchzusetzen, wird der Versuch einer harmonisierten Sozialpolitik als weiterer Beleg europäischen Scheiterns in die Geschichte eingehen.

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Leider scheinen Juncker und seine Mitstreiter in der Brüsseler Blase die Lektionen der anhaltenden Euro-Katastrophe, die die Folge von Harmonisierungshybris ist, immer noch nicht gelernt zu haben. Was sie jetzt vollmundig versprechen, um den EU-Feinden contra zu geben, könnte denen in wenigen Jahren neue Argumente liefern. Die Kommission hätte lieber die Finger lassen sollen von der Sozialpolitik. Die ist bei den Nationalstaaten besser aufgehoben.

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