Die Kreditkunden der Banken dürften ebenfalls zur Kasse gebeten werden. Das zeigt das Beispiel Dänemark. Dort hatte die Zentralbank 2012 den Einlagenzins auf minus 0,2 Prozent gedrückt, um spekulative Zuflüsse aus der Euro-Zone abzuwehren.
Die Banken reagierten prompt – und verlangten von den Kunden höhere Kreditzinsen. Diese aber dämpfen das Kreditgeschäft. Thorsten Polleit, Chefökonom von Degussa Goldhandel, fürchtet daher, dass „ein negativer Einlagenzins die Gewinne der Banken reduziert, aus denen sie Eigenkapital bilden können“. Da die Eigenkapitaldecke der Banken dünn sei, würden die Steuerzahler zur Kasse gebeten, so Polleit.
- Dicke Bertha 2.0 Um die Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen in den Peripherieländern anzukurbeln, könnte die EZB den Banken Geld über einen besonders langen Zeitraum leihen. Die Märkte spekulieren auf eine Laufzeit von vier Jahren.
Damit wäre die Bedingung verbunden, dass die Banken Kredite an Unternehmen vergeben. Andernfalls dürfte ihnen die EZB eine Strafzahlung aufbrummen. Viel bringen wird ein solches großkalibriges Leihgeschäft angesichts der flauen Nachfrage nach Krediten jedoch nicht. Die Banken dürften mit dem Geld der EZB in erster Linie Kredite vergeben, die sie ohnehin geplant hatten. Michael Schubert, Währungsexperte der Commerzbank, fürchtet zudem, dass Banken mit notleidenden Krediten die EZB-Leihgeschäfte nutzen, „um die Kredite auch dann zu prolongieren, wenn dies betriebswirtschaftlich nicht angezeigt wäre“.
- Ende der Sterilisierungsgeschäfte Zwischen Frühjahr 2010 und Herbst 2012 hat die EZB von den Banken Staatsanleihen der Euro-Krisenländer in Höhe von 210 Milliarden Euro gekauft. Damit das Geld nicht in die Wirtschaft abfloss, bot sie den Banken an, dieses auf verzinsten Terminkonten bei der EZB anzulegen. Beendet die EZB diese Sterilisierung nun, stehen den Banken weitere Milliarden an Liquidität zur Verfügung. Das könnte die Zinsen am Interbankenmarkt weiter drücken.
- Kauf von verbrieften Krediten Die EZB erwägt, den Banken verbriefte Unternehmenskredite abzukaufen, um deren Bereitschaft zur Kreditvergabe zu erhöhen. Dies ist mit erheblichen Risiken verbunden. Zum einen ist der Markt für verbriefte Unternehmenskredite mit rund 80 Milliarden Euro vergleichsweise klein, denn nur ein kleiner Teil wird frei gehandelt. Schon kleinere Käufe der EZB ließen die Kurse kräftig schwanken. Zum anderen steuerte die EZB mit der Auswahl der Papiere die Kreditvergabe der Banken – eine Art monetäre Planwirtschaft. Außerdem übernähme die EZB die Ausfallrisiken der Kreditpapiere. Bei Wertberichtigungen trügen die Steuerzahler via EZB-Bilanz die Verluste.
3. Helfen Nullzinsen der Konjunktur?
Wer in diesen Tagen auf Stimmungsindikatoren und die Kurstafeln der Börsen blickt, könnte glauben, die Welt befände sich auf dem Weg ins Schlaraffenland. Und tatsächlich: Die deutsche Wirtschaft dürfte in diesem Jahr um mehr als zwei Prozent wachsen, die Krisenländer der Euro-Zone haben die Rezession hinter sich gelassen, in den USA läuft der Konjunkturmotor wie geschmiert.
„Mit ihren Niedrigzinsen füttert Europas Zentralbank nicht nur den Börsenboom, sondern auch den Wirtschaftsaufschwung in Deutschland“, jubeln die Börsenexperten der ARD. Doch es ist ein Aufschwung mit begrenzter Halbwertzeit. „Entfällt die Berechnung von Zins, dann entsteht der Schein; verlockt durch diesen falschen Schein, kommt es zur Kapitalfehlleitung und zu allen Folgen einer solchen“, schrieb schon 1940 der österreichische Ökonom Ludwig von Mises.
Niedrigzinsen geben den Unternehmen ein falsches Signal. Sie lassen Investitionen rentabel erscheinen, die es bei genauer Betrachtung nicht sind. Vor allem für Deutschland sind Nullzinsen viel zu niedrig. Nach Ansicht von Experten benötigt Deutschland Leitzinsen zwischen drei und vier Prozent. Die Mini-Zinsen der EZB setzen einen Aufschwung in Gang, der zunächst allgemeine Wohlfühlstimmung verbreitet. Doch der Boom ist mit Fehlinvestitionen gespickt.
Sobald die Firmen erkennen, dass sie ihr Geld in den Sand gesetzt haben, regieren in den Bürofluren wieder die Sparkommissare. Arbeitsplätze gehen verloren, die Banken müssen ihre Kredite abschreiben. „Was wir derzeit sehen, ist ein purer Scheinaufschwung, die eigentliche Bereinigungskrise steht der Wirtschaft noch bevor“, warnt Degussa-Ökonom Polleit.