Europäische Zentralbank Mario Draghi knickt nicht ein

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Das einzig wahre Argument

Mittlerweile hatte sich der EZB-Chef fast in Rage geredet. Es machte ihm zeitweise sichtlich Freude, die deutschen Angriffe abzuwehren, wohl wissend, dass er das schlagende Argument auf seiner Seite hatte.

„Wir sind unabhängig“, betonte Draghi mehrfach. Der Rat habe sich einstimmig für die Unabhängigkeit der Zentralbank starkgemacht. Kämen Zweifel an der Unabhängigkeit der EZB auf, hätte das einen Vertrauensverlust zur Folge, Marktteilnehmer könnten wichtige Investments verschieben.

Damit hat Mario Draghi recht und trifft den wunden Punkt der Berliner Kritik. Nicht umsonst hat Deutschland vehement dafür gekämpft, dass die EZB in ihren Statuten so unabhängig wird wie die Deutsche Bundesbank. Eine Zentralbank, die nur Marionette der Politik ist, wird auf Dauer nicht für stabile Preise sorgen können. Die deutschen Kritiker dagegen müssen aufpassen, sich nicht lächerlich zu machen, denn auch in Deutschland sieht es mit den von Draghi berechtigterweise eingeforderten Strukturreformen und Infrastrukturinvestments bisher mau aus.

Dass er unabhängig und standhaft ist, zeigte Mario Draghi dann einmal mehr. Zwar habe sich die Lage verbessert, insbesondere die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen in der Euro-Zone seien besser geworden. Trotzdem betonte Draghi, die Notenbank sei weiter jederzeit „handlungsbereit“ und werde im Zweifel alle Instrumente innerhalb ihres Mandates nutzen, um ihr Inflationsziel von knapp unter zwei Prozent zu erreichen.

Zwar erteilte der EZB-Chef dem viel diskutierten Konzept des Helikoptergeldes eine Absage, trotzdem wurde deutlich, dass Draghi die Tür für eine weitere Lockerung der Geldpolitik schon mal einen Spalt geöffnet hat.

Der Notenbank-Chef betonte, die Zinsen würden noch über einen längeren Zeitraum niedrig bleiben. Zudem warnte Draghi schon mal präventiv, die Inflationsrate werde möglicherweise in den kommenden Monaten nochmals in den negativen Bereich rutschen. Zusammen mit den weiterhin sehr niedrigen Inflationserwartungen könnte das die EZB zu erneutem Handeln verleiten.

Dass Mario Draghi die Unabhängigkeit der EZB verteidigt ist gut und richtig. Trotzdem sollten die Währungshüter bei künftigen, unabhängigen Schritten überlegen, ob eine weitere Lockerung tatsächlich nötig ist. Denn wie Draghi selber sagt: die Politik wirkt ja bereits. Dann sollten wir ihr auch Zeit lassen, sich zu entfalten, und nicht mit weiteren Mitteln nachdopen.

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