Europäische Zentralbank Warum das Euro-Projekt gescheitert ist

Euro-Münzen Quelle: Getty Images

Das Kernproblem der Europäischen Währungsunion ist nicht die gemeinsame Währung als solche, sondern der gemeinsame Zins, mit dem die EZB den Euro steuert.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

20 Jahre ist es her, dass der Euro in Europa als Buchgeld eingeführt wurde. Drei Jahre später, Anfang 2002, folgte das Euro-Bargeld. Eine komplette Generation ist seither mit dem Euro aufgewachsen. Von den politischen Eliten wurde die gemeinsame Währung zum Friedensprojekt für den Kontinent hochstilisiert, als Beschleuniger der politischen Union gefeiert und der Bevölkerung – die freilich nie um ihre Meinung gefragt wurde – als moralisch aufgeladenes Symbol für „Einheit, Souveränität und Stabilität“ (EU-Kommission) präsentiert. Doch der Euro hat viele der in ihn gesetzten Hoffnungen enttäuscht. Spätestens die Finanzkrise 2008 hat gezeigt, dass der konstruktivistische Versuch, eine funktionierende Währung auf dem Reißbrett der Politik zu entwerfen, zum Scheitern verurteilt ist.

Denn der Euro hat den Anspruch, Währung im Sinne des Wortes zu sein, nicht erfüllt. Eine Währung muss sich bewähren und Dinge bewahren. Der Euro hat beides nicht getan. Er hat sich nicht bewährt, weil er ohne die milliardenschweren Rettungsaktionen der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Regierungen längst untergegangen wäre. Ein Tauschmittel auf der Intensivstation der Politik, dessen Überleben von fiskalisch-monetärer Dauerbeatmung abhängt, ist keine Währung sondern eine Krankheit.

Auch bewahrt hat der Euro nichts. Die Kaufkraft seiner Besitzer hat sich seit seiner Einführung im Schnitt um rund 1,7 Prozent pro Jahr verringert. Wer heute noch Euros aus dem Jahr 2002 in der Tasche hat, kann sich dafür rund ein Drittel weniger kaufen als damals. Gemessen an dem Anspruch an eine Währung, zu bewahren und sich zu bewähren, muss der Euro daher als gescheitert betrachtet werden. Auch den Anspruch seiner Konstrukteure, Europas Einigung voranzutreiben, hat er nicht erfüllt. In der Eurokrise wurde der Zank um die Rettung der Gemeinschaftswährung zum politischen Spaltpilz für Europa.

Kritiker erklären das funktionale Scheitern des Euros gern damit, dass die Mitgliedsländer der Währungsunion mit Blick auf ihre unterschiedlichen Wohlstandsniveaus zu heterogen sind, als dass man sie unter dem Dach einer gemeinsamen Währung beherbergen könnte. Doch ganz so einfach ist das nicht. Denn grundsätzlich spricht nichts dagegen, dass Volkwirtschaften mit unterschiedlichen Wohlstandsniveaus ein und dieselbe Währung nutzen. Der Millionär bezahlt sein Kindermädchen schließlich auch mit Euros, beide nutzen trotz ihrer großen Einkommensunterschiede dieselbe Währung, ohne dass es zu wirtschaftlichen Verwerfungen kommt. Ebenso können arme und reiche Volkswirtschaften dasselbe Geld nutzen, um ihre Transaktionen zu finanzieren.

Sie profitieren sogar davon, wenn sie dieselbe Währung nutzen. Denn Geld ist ein Netzwerkgut. Dabei handelt es sich um Güter, die für den Einzelnen umso wertvoller sind, je mehr Personen dieses Gut nutzen. Wenn alle Menschen dasselbe Geld nutzen und akzeptieren, ist der Nutzen für den Einzelnen am größten. Er kann dann überall auf der Welt mit derselben Währung zahlen, Umtauschkosten und Wechselkursrisiken entfallen. Überließe man die Auswahl der Währungen dem Wettbewerb auf dem freien Markt, wie es der Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek (1899 – 1992) forderte, setzte sich vermutlich eine Weltwährung durch, die überall akzeptiert wird. Vieles spricht dafür, dass es sich dabei um ein Warengeld wie Gold oder andere Edelmetalle handeln würde.   

Eine gemeinsame Währung ist unter Effizienzgesichtspunkten daher ein ökonomischer Fortschritt. Nicht ohne Grund weisen deshalb die Befürworter des Euros darauf hin, dass die Gemeinschaftswährung wirtschaftliche Transaktionen erleichtert, weil Wechselkursrisiken und Umtauschkosten entfallen. Wer mit dem Euro groß geworden ist, kann sich kaum vorstellen, für Ferienreisen ins europäische Ausland die Währung zu wechseln.

Das Kernproblem der Währungsunion ist daher nicht die einheitliche Währung. Das Kernproblem ist der einheitliche Zins, mit dem die EZB den Euro steuert. Man stelle sich eine freie Marktwirtschaft ohne Zinsmanipulation durch die staatliche Zentralbank vor. Der Marktzins entspräche dann den Zeitpräferenzen der Menschen. In diesen spiegelt sich ihre Vorliebe für den heutigen Konsum wider. Je höher die Präferenz für den schnellen Konsum ist, desto höher muss der Zins als Entschädigung ausfallen, damit die Menschen auf den Sofortkonsum verzichten und sparen. In einem freien Markt würde sich der Zins so einpendeln, dass er der durchschnittlichen Zeitpräferenz der Menschen entspricht und so Sparen und Investieren zum Ausgleich bringen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%