Europawahl Wie die FDP mit jungen Kandidaten punkten will

Nicola Beer, Spitzenkandidatin Europawahl FDP Quelle: dpa

Vor dem Europaparteitag der Liberalen steht die designierte Spitzenkandidatin Nicola Beer in der Kritik. Dabei ist ebenso interessant, wer hinter ihr auf der Liste landet.

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Die Provokation kam aus der AfD-Fraktion, einfach ignorieren wollte Moritz Körner sie nicht. Der junge FDP-Abgeordnete hielt im Düsseldorfer Landtag gerade eine Rede zum Brexit, als ihm die Zwischenrufe zu viel wurden. Man könne ihn gerne als Eurokraten denunzieren, begann Körner. Aber wenn er ein Eurokrat sei, weil er sich für eine Institution einsetze, „die den größten Binnenmarkt der Welt hervorgebracht hat, die die größte Friedensgeschichte in Europa organisiert hat.“ Eine Institution, die er verbessern wolle. „Dann bin ich gerne ein Eurokrat.“

Als leidenschaftlicher Europäer will sich Körner auch am Sonntag den Delegierten beim Europaparteitag der Liberalen in Berlin vorstellen. Der einflussreiche NRW-Landesverband hat ihn als Spitzenkandidat nominiert. Da ist ein vorderer Listenplatz sicher, aktuellen Umfragen zufolge damit auch der Einzug ins EU-Parlament. Körner, 28, Masterabschluss in Politikmanagement, anderthalb Jahre Parlamentserfahrung, wünscht sich eine EU, „die weniger in Strukturfonds und Agrarsubventionen investiert, und stattdessen viel mehr in Bildung und Forschung“.

Nicht unbedingt neu diese Forderung, aber es soll – das haben sich die Liberalen vorgenommen – dieses Mal nicht beim „Wünsch Dir was“ bleiben. Für die Europawahl hat die FDP-Spitze ein klares Ziel ausgegeben: mehr Einfluss auf Brüsseler Entscheidungen. Die liberale Parteienfamilie ALDE soll zur zweitgrößten Fraktion aufsteigen – unterstützt von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und „En Marche“. In zahlreichen Interviews hat Parteichef Christian Lindner zuletzt seine Reformideen für Europa vorgestellt: etwa die schnelle Umsetzung des digitalen Binnenmarkts oder ein Insolvenzrecht für Staaten. Da passt es nicht ins Konzept, dass vor dem Parteitag wenig über Inhalte, sondern vor allem über eine Person diskutiert wird: Generalsekretärin Nicola Beer, die am Sonntag zur Spitzenkandidatin gekürt werden soll.

Man müsse die im Pariser Klimaabkommen vorgesehene Möglichkeit von globalen Kompensationen nutzen, sagte FDP-Chef Christian Lindner kürzlich im WiWo-Interview. Jetzt haben die Liberalen ihre Forderung präzisiert.
von Benedikt Becker

Ungarn und der Klimawandel

Beer wird vorgeworfen, sie gehe aufgrund familiärer Verbindungen zu unkritisch mit Ungarns Regierungschef Viktor Orbán um. Der „Spiegel“ berichtete, Beer habe versucht, Parteifreunde zu Orbáns Gunsten zu beeinflussen. Außerdem irritierte die 49-Jährige wiederholt mit Äußerungen zum Klimawandel. In einem Interview bei n-tv sagte sie kürzlich: „Alle Forscher, die solche Klimaveränderungen seit Jahrhunderten betrachten, sagen, das sind kleine Ausschläge.“ Über die Jahrhunderte betrachtet, habe es nicht diese Brisanz, wie es momentan dargestellt werde.
Beer versucht die Kritik ihr gegenüber zu revidieren und sagt, sie hege keine Sympathien für Viktor Orbán. Und den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel sowie die Zunahme extremer Wetterereignisse bezweifle sie auch nicht. Beim Parteitag will sie in die Offensive gehen. „Ich setze mich ein für ein Europa der liberalen Demokratien“, betont sie. Dass die Delegierten sie mit einem schlechten Ergebnis abstrafen, ist eher unwahrscheinlich.

Die Debatte um Nicola Beer verdeckt, dass auch die anderen aussichtsreichen Kandidaten für die vorderen Listenplätze den europapolitischen Kurs der Liberalen mitbestimmen werden. Und wie deutlich das Signal in eine Richtung geht: Während Beer mit Blick auf Brüssel gerne austeilt, etwa am Dreikönigstag von einem „Projekt politischer Technokraten“ sprach, scheinen die großen Landesverbände bei ihren Nominierungen dem Motto zu folgen: je mehr positive Europa-Energie – desto besser. Der selbst ernannte Eurokrat Moritz Körner ist so ein Beispiel. Die Reden seiner Spitzenkandidaten-Kollegen aus Niedersachsen und Baden-Württemberg klingen ähnlich.

Endgültig vorbei sollen die Zeiten sein, als trotz pro-europäischer Grundhaltung immer wieder diffuse Europakritik zu hören war. Als die Skeptiker zu Regierungszeiten gar einen Mitgliederentscheid erzwangen. Als Euro-Rebell Frank Schäffler durch die Talkshows tingelte.

Die FDP ist traditionell am Dreikönigstag ins politische Jahr gestartet. Parteichef Christian Lindner stellte seine Ideen für eine „Agenda für die Fleißigen“ vor und stimmt seine Partei auf die bevorstehenden Wahlen ein.
von Benedikt Becker

Das liebe Geld

Das neue Europa-Gesicht der FDP ist Svenja Hahn. Fast ganz vorne auf der Liste, direkt hinter Beer auf Platz zwei, will die 29-Jährige am Sonntag landen. Sie kandidiert als Spitzenkandidatin der Jungen Liberalen (JuLis) und ihres Landesverbands Hamburg. Sie sei, was Europapolitik angeht, „nicht von der nationalen Perspektive geprägt“, sagt Hahn. Sie ist als Präsidentin der liberalen Jugendverbände (LYMEC) in Europa gut vernetzt. Ihr politisches Interesse gilt der jungen Generation. „Egal, ob sie aus Schleswig-Holstein oder Rumänien kommen.“ Die Vision der PR-Managerin: „Eine EU, in der Du Held Deines Lebens sein kannst.“
Spannend wird es bei der FDP und Europa immer dann, wenn es ums deutsche Geld geht. Nicht umsonst soll das Wirtschafts-Kapitel im Wahlprogramm den Titel tragen: „Ein Europa, das rechnen kann.“ Unverhandelbar gilt für die Liberalen der Satz: Jeder Mitgliedsstaat haftet für seine eigenen Schulden. Aber was, wenn sich Italiens Finanzkrise verschärft? Wenn der FDP wie bei den Griechenland-Hilfen eine neue Zerreißprobe droht? „Eine Positionierung bei künftiger Euro-Rettungspolitik hängt immer vom konkreten Einzelfall ab“, so Hahn.

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