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Europawahlen "Holland wird ein Zeichen gegen die EU setzen"

Die niederländische Extremismus-Expertin Sarah de Lange rechnet damit, dass der islamfeindliche Geert Wilders zu den Siegern der Europawahl zählen wird. Was ihn antreibt und warum die Holländer ihn wählen.

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In einem Monat starten die Europawahlen in den Niederlanden. Die Extremismus-Expertin Sarah de Lange rechnet damit, dass der islamfeindliche Geert Wilders zu den Siegern der Europawahl zählen wird. Quelle: dpa

Die Niederlande machen in genau einem Monat den Anfang. Am 22. Mai, drei Tage vor den Deutschen, sind die Bürger zwischen Den Haag und Groningen aufgerufen, 26 Abgeordnete für das Europäische Parlament zu wählen. Beste Chancen die meisten Stimmen zu bekommen, hat – glaubt man den Umfragen – die Freiheitspartei „Partij voor de Vrijheid“ (PVV) des Rechtspopulisten Geert Wilders. Sie könnte mit 16,6 Prozent der Stimmen und fünf Sitzen als stärkste Kraft aus der Europawahl hervorgehen.

Wilders fährt einen harten Abgrenzungskurs gegen Europa. Gemeinsam mit der Vorsitzenden der französischen Front National, Marine Le Pen, will er ein neues Rechtsbündnis im EU-Parlament schmieden. Er kritisiert den freien Zuzug von Arbeitnehmern vor allem aus Osteuropa und macht sich stark für einen EU-Austritt der Niederlande sowie die „Befreiung vom Diktat Brüssels“. Politikwissenschaftlerin und Extremismus-Expertin Sarah de Lange erklärt im Interview, wie sich Wilders radikalisiert hat und warum ein beachtlicher Teil der Niederländer ihn wohl trotzdem wählen werden.

Zur Person

WirtschaftsWoche Online: Frau de Lange, was fasziniert die Niederländer an dem radikalen Geert Wilders?

Politikwissenschaftlerin Sarah de Lange forscht seit Jahren über den Aufstieg rechtspopulistischer Parteien in Europa.

Sarah de Lange: Die Gründe für dessen Popularität sind vielfältig. Die Debatte über den Zustand der Europäischen Union wird in den Niederlanden ähnlich heiß debattiert wie in Deutschland. Und die Freiheitspartei von Geert Wilders, die PVV, ist zweifelsohne der größte EU-Kritiker und ist damit das Sammelbecken für alle Unzufriedenen. Und deren Zahl steigt. Vor allem weil die Regierung dem Druck aus Brüssel nachgeben hat und die Ausgaben, sprich: Sozialleistungen, gekürzt hat, um die Maastricht-Kriterien zu erfüllen. Die Folgen spüren viele Bürger im Portemonnaie. Deshalb wollen viele ein Zeichen gegen die EU setzen.

Dass die Niederländer sparen müssen, ist schwerlich der Europäischen Union vorzuwerfen. Vielmehr hat das Land verpasst, auf den demografischen Wandel, auf die fallenden Preise auf dem Häusermarkt und auf die Wirtschaftskrise, die sich länger anbahnte, zu reagieren.

Es ist sicher so, dass viele Probleme hausgemacht sind. Das wird auch eingesehen. Die Frage ist aber, wie man auf die Herausforderungen reagiert – und da hat Brüssel deutliche Vorgaben gemacht. Das gefällt einen Teil der Niederländer nicht. Sie wollen, dass alles, was die Niederlande betrifft, auch dort entschieden wird. PVV-Wähler treibt die Sorge um, dass die heimische Regierung zunehmend an Macht verliert und Souveränität nach Brüssel verlagert wird. Es geht also sehr konkret darum, wer in den wichtigen Politikfragen das letzte Wort hat. Und das wollen viele Niederländer ungern der EU überlassen, die vielerorts noch immer als Elitenprojekt ohne Rückhalt der Bürger angesehen wird. Die Erfahrungen von 2005 sind noch immer präsent.

Das ist Geert Wilders

Damals durften die Niederländer – wie auch die Franzosen – über eine neue Verfassung für Europa abstimmen. Die Mehrheit der Niederländer lehnte dessen Einführung ab.

Genau. Eine große Mehrheit von 61,6 Prozent der Wähler – bei einer Wahlbeteiligung von 62,8 Prozent – wies den Verfassungsvertrag zurück. Obwohl das Referendum nicht bindend war, hatten die Politiker parteiübergreifend zugesagt, sich an das Votum zu halten. Ein Jahr ruhte das Projekt, Europa demokratischer (mehr Macht für das Europaparlament), handlungsfähiger und mächtiger (mehr Rechte) zu machen. Dann machte sich die EU dran, den „Vertrag von Lissabon“ zu erarbeiten, der wesentliche Teile der abgelehnten Verfassung übernahm. Ein neues Referendum gab es nicht, stattdessenn winkte das Parlament den Vertrag durch. Das ist bis heute nicht vergessen und sicherlich eine Geburtsstunde der breiten EU-Kritik.

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