




Die Geschichte der Europäischen Währungsunion ist eine Geschichte von nicht eingelösten Versprechen, Rechtsbrüchen und Lügen. Wie es führende Politiker in der Eurozone mit der Auslegung von Verträgen halten, zeigte eindrucksvoll Martin Schulz am vergangenen Sonntag in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Der Präsident des Europäischen Parlaments mahnte, die Stabilitätsvereinbarungen in Europa nicht zu statisch zu sehen. „Die Vereinigten Staaten von Amerika lassen die Notenpresse laufen ohne Ende – und was machen wir? Wir schauen in einer geradezu theologischen Art und Weise auf die Verträge.“
Populismus alter Schule
Schulz fordert mehr Flexibilität für Frankreich bei der Erfüllung der Defizitvorgaben und wohl auch freie Hand für die Europäische Zentralbank (EZB) – mithin ein Statement für Euro-Bonds, Schuldentilgungsfonds und einer Zentralbank nach angelsächsischem Vorbild. Darauf liefe es nämlich hinaus. Schulz will die Mitgliedsstaaten der Eurozone aus der Verantwortung für ihre nationale Haushaltsführung entlassen. Mit dieser Forderung steht der Präsident des Europaparlaments nicht allein. Das wollen Franzosen, Italiener sowieso und das restliche Südeuropa auch. Dort sind Schulz, der für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten kandidiert, viele Stimmen sicher. Populismus alter Schule.
Nur ist die Euro-Krise erst entstanden, weil sich Regierungen nicht an die vorhandenen Stabilitätsregeln und Verträge gehalten haben. Das Risiko verfehlter Stabilitätsziele wird dabei in zunehmendem Maße von der Eurozone als Ganzes getragen. Mit Solidarität hat das nichts zu tun. Politiker wie Schulz sind die Totengräber des Euros. Die Basis des Euros ist die Rechtsgemeinschaft. Wer sie aufgibt, liefert auch den Euro ans Messer. Wenn trotz oder gerade wegen der von Schulz geforderten Rechtsbrüche die Euro-Krise wieder aufflammt, ist nicht nur die Währungsunion, sondern auch die europäische Idee diskreditiert. Europa ist nicht Amerika und das endgültige Urteil über die Geldpolitik der US-Notenbank steht noch aus.
So aber gerät die Europäische Währungsunion immer mehr zur Mogelpackung. Darüber kann auch der politische Diskurs nicht hinwegtäuschen. Mit ihren Ankäufen und Beleihungen von Staatsanleihen ist die EZB schön längst zu einem Schuldentilgungsfonds mutiert. Nur die systematische Entwertung des Euros und damit der Schulden will nicht so recht gelingen. Für Inflation und den Ausbau des Schuldentilgungsfonds soll nun Quantitative Easing (QE) sorgen – über den Ankauf von Wertpapieren und die Wiederbelebung der Kreditverbriefung. Das Interesse der EZB richtet sich dabei auf verbriefte Kredite von kleineren und mittelgroßen Unternehmen.
Hinter dem politisch motivierten Ruf nach höherer Inflation durch QE verbirgt sich der Wunsch aus der selbst herbeigeführten Schuldenwirtschaft gerettet zu werden. Die EZB macht sich zum Komplizen einer Politik, die aus der Eurozone eine Not- und Schuldengemeinschaft macht. Wachstum lässt sich nicht mit noch mehr Schulden erkaufen. Das zeigt die wirtschaftliche Stagnation in weiten Teilen der Eurozone. Es geht nicht ohne Reformen für Arbeitsmärkte und Sozialsysteme.