Im Streit zwischen Rom und Brüssel um den Haushalt des hoch verschuldeten Eurozonen-Mitglieds Italien sieht EZB-Präsident Mario Draghi gute Chancen für eine Einigung. „Ich persönlich bin zuversichtlich, dass eine Übereinkunft gefunden werden wird“, sagte der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag in Frankfurt. Der Italiener betonte: „Natürlich müssen Haushaltsregeln eingehalten werden.“ Beide Seiten müssten den Dialog suchen.
Die EU-Kommission hatte am Dienstag in einem bisher einmaligen Akt Italiens Haushaltspläne zurückgewiesen und vor Gefahren für die gesamte Eurozone gewarnt. Die rechts-populistische Regierung in Rom stelle sich „offen und bewusst“ gegen sämtliche Verpflichtungen, hatte EU-Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis gesagt.
Die Budgetpläne Italiens stellten einen schweren Verstoß gegen europäische Stabilitätsregeln dar. In Europa ist maximal eine Neuverschuldung von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erlaubt. Damit soll die Stabilität der Gemeinschaftswährung gewährleistet werden.
Italien weist eine der höchsten Staatsverschuldungen der Welt auf. Rund 2,3 Billionen Euro an Schulden türmen sich in Rom, das entspricht mehr als 130 Prozent des BIP. Die Regierung aus populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega hatte dennoch einen Haushaltsentwurf nach Brüssel geschickt, der eine deutliche Ausweitung der Neuverschuldung auf 2,4 Prozent vorsieht - drei Mal so viel wie von der Vorgängerregierung zugesagt.
Die Koalition will damit eine Reihe von Wahlversprechen finanzieren. Nach dem Veto aus Brüssel hat die Regierung in Rom drei Wochen Zeit, um einen korrigierten Haushaltsentwurf einzureichen.
Leitzins bleibt auf Rekordtief
Die EZB will sich nur langsam von ihrer ultra-lockeren Geldpolitik verabschieden. Die Währungshüter bekräftigten am Donnerstag nach der Zinssitzung in Frankfurt, zunächst die vor allem in Deutschland umstrittenen Anleihenkäufe bis zum Jahresende einzustellen, sofern der konjunkturelle Aufschwung nicht abreißt. Im Oktober wurde das monatliche Kaufvolumen bereits auf 15 Milliarden Euro halbiert. Aber auch nach dem eigentlichen Ende der Transaktionen will die EZB die Einnahmen aus fällig werdenden Titeln noch für längere Zeit in Anleihen reinvestieren.
Die Wertpapierkäufe sind seit März 2015 die stärkste Waffe der EZB, um für eine höhere Inflation zu sorgen. Inzwischen wächst die Wirtschaft in der Euro-Zone wieder deutlich, auch wenn einige Daten zuletzt ein langsameres Tempo andeuteten. Die Euro-Wächter streben eine Teuerungsrate von knapp zwei Prozent als Idealwert für die Wirtschaft an. In den vergangenen Monaten lagen sie meist nahe an diesem Ziel.
Die Notenbank bestätigte zudem den Zinsausblick. Demnach will sie die Schlüsselsätze noch bis mindestens „über den Sommer 2019“ hinaus auf dem aktuellen Niveau lassen. Der Leitzins liegt seit März 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent.
EZB: Wirtschaftsboom in Euro-Zone trotz weniger Schwung intakt
Insgesamt ist der wirtschaftliche Aufschwung aus Sicht der EZB intakt – trotz mehrerer Zeichen der Schwäche. Die zuletzt hereingekommenen Daten seien "etwas schwächer als erwartet" ausgefallen, räumte Notenbankchef Mario Draghi nach der Zinssitzung in Frankfurt ein. Dennoch deckten sie sich mit der grundsätzlichen Einschätzung, dass der Aufschwung in der Euro-Zone auf einem breiten Fundament stehe. "Wir reden nicht über einen Abschwung, sondern über weniger Schwung", so Draghi. Die jüngsten Lieferprobleme der deutschen Automobilindustrie und auch Gegenwind für die Exportwirtschaft seien negative Faktoren. Solche Effekte seien aber nicht ausreichend, um die positive Konjunktureinschätzung infrage zu stellen.
Schwächelnde Exporte hatten die Wirtschaft in den Staaten der Währungsunion im Oktober so langsam wachsen lassen wie seit über zwei Jahren nicht mehr. Noch stärker trübten sich die Geschäfte in Deutschland ein, wo das Barometer des Forschungsinstituts IHS Markit den schlechtesten Wert seit rund dreieinhalb Jahren anzeigte.
Ökonomen hatten der Wirtschaft in der Euro-Zone noch im September ein stabiles Wachstum vorausgesagt. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte sowohl im dritten und vierten Quartal 2018 als auch Anfang 2019 um 0,4 Prozent zulegen, wie das Münchner Ifo-Institut, das italienische Istat und das Schweizer KOF jüngst prognostizierten.
Das sagen Volkswirte zu den Äußerungen von Draghi
"Auf ihrem Ausstiegskurs hat die EZB heute innegehalten. Nennenswerte Neuigkeiten im Vergleich zur September-Sitzung gab es nicht. Damit steht der formale Beschluss zur Beendigung der Wertpapierkäufe im Dezember weiter aus. Ihr Ausstiegs-Drehbuch dürfe die EZB aber dennoch bereits geschrieben haben. Danach steht zu erwarten, dass das Ende der Wertpapierkäufe nun im Dezember besiegelt und das Reinvestitions-Muster benannt wird."
"Mario Draghi sieht trotz der aufkommenden Wolken am Konjunkturhimmel keinen Grund den Kurs zu ändern. Klar ist, dass die EZB zunächst die neuen Projektionen ihrer Volkswirte abwarten will. Mario Draghi betonte dies mehrfach. Die neuen Schätzungen für das Wirtschaftswachstum als auch für die Inflation werden im Dezember vorliegen. Auf Basis dieses Zahlenmaterials wird dann die geldpolitische Ausrichtung justiert."
"Die EZB bleibt bei ihrem Plan, die Netto-Anleihekäufe zu beenden und die Leitzinsen frühestens im zweiten Halbjahr 2019 anzupassen. Natürlich wird sie jetzt aufmerksam beobachten, was in Italien passiert, wie die Finanzmärkte reagieren und ob die gegenwärtig sichtbare Abschwächung nur temporär ist oder sich noch ausweitet."
"Die EZB ist auf dem richtigen Kurs zu langsam unterwegs. Mit der Abschaffung der Negativzinsen sollte die Geldpolitik nicht bis zum Herbst 2019 warten, sondern schon im Frühjahr beginnen. Die Inflation normalisiert sich zunehmend und selbst bei einer Abschwächung der Konjunktur ist der aktuelle Leitzins viel zu niedrig. Ein Ende des Negativzinses würde zudem das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Geldpolitik stärken."
"Die Währungshüter haben es nicht eilig mit der Zinswende, die frühestens im Herbst nächsten Jahres zu erwarten ist. Die zögerliche Haltung dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass der Anstieg der Kern-Verbraucherpreise noch nicht zufriedenstellend ist. Zudem hat sich die konjunkturelle Dynamik abgeschwächt und die Risiken sind zuletzt gestiegen."