EZB, EU-Kommission und Co. Tusk sucht nach dem neuen EU-Spitzenpersonal

EZB, EU-Kommission: Tusk sucht nach dem neuen EU-Spitzenpersonal Quelle: AP

Wer besetzt künftig die Spitzenämter in Brüssel? EU-Präsident Donald Tusk ist am Abend von den EU-Staats- und Regierungschefs mit der Personalsuche beauftragt worden. Im Hintergrund ist ein Machtkampf ausgebrochen.

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Die EU-Staats- und Regierungschefs drücken nach der Europawahl bei der Neubesetzung wichtiger EU-Posten aufs Tempo. EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte nach dem Ende des EU-Gipfels am Dienstagabend in Brüssel, er hoffe, zwei der bald vakanten Positionen bis zum nächsten Spitzentreffen am 20. und 21. Juni besetzten zu können.

Eine davon sei das Amt des Kommissionspräsidenten. Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte, eine schnelle Besetzung sei wichtig, damit die EU nach den Wahlen Handlungsfähigkeit beweise. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stemmt sich jedoch gegen das von Merkel favorisierte Prinzip, wonach einer der Spitzenkandidaten der Fraktionen aus dem EU-Parlament die EU-Kommission künftig steuern soll. Damit ist weiter offen, ob der derzeitige Favorit für den Job, der Chef der Christdemokraten im Brüssler Parlament, Manfred Weber, den Zuschlag erhält.

Hintergrund ist der Machtkampf um den europäischen Top-Posten. Die große Koalition in Deutschland und das Europäische Parlament pochen darauf, dass einer der beiden im Wahlkampf präsentierten Spitzenkandidaten – Manfred Weber für die konservative EVP-Fraktion und Frans Timmermans für die Sozialisten - neuer Kommissionspräsident wird. Dieses Spitzenkandidaten-Prinzip sehen etliche EU-Regierungschefs nicht als zwingend an – neben Macron etwa auch die osteuropäischen Visegrad-Staaten. Für die Slowakei, Tschechien, Polen und Ungarn sei das „keine Bibel“, sagte der slowakische Ministerpräsident Peter Pellegrini. Im EU-Recht ist dieses Prinzip auch nicht vorgeschrieben – in der Regel schlagen die Regierungschefs eine Person für das Amt des Kommissionschefs vor. Dann muss das Parlament zustimmen.

Als weitere aussichtsreiche Bewerber für die Kommission werden etwa Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager aus dem liberalen Lager oder Brexit-Chefunterhänder Michel Barnier gehandelt. Macron sprach sich dafür aus, zwei der vier freiwerdenden EU-Spitzenposten mit Frauen zu besetzen. Zudem müssten charismatische Persönlichkeiten nach Brüssel geschickt werden. „Ich gehöre nicht zu denen, die an der Spitze der Kommission und des Rates Leute haben wollen, die die politischen Anführer zu Hause nicht in den Schatten stellen.“ Merkel verwies darauf, dass es eventuell einen Zusammenhang zwischen den zahlreichen Auftritten der Spitzenkandidaten und der hohen Wahlbeteiligung am Sonntag gibt. Der Ansturm auf die Wahllokale habe vielleicht damit zu tun, „dass sich einige bestimmte Personen ins Feuer gestellt haben.“ Der Urnengang zog deutlich mehr Bürger an als bei der Abstimmung vor fünf Jahren. Die Wahlbeteiligung lag bei 50,5 Prozent nach 42,6 Prozent 2014. Es war der erste Anstieg seit vier Jahrzehnten.

Bis Herbst steht eine große Runderneuerung der EU-Führungsriege an, die hauptsächlich in den Händen des Rates, also der Vertretung der Mitgliedsländer, liegt. Neben einem Nachfolger für Jean-Claude Juncker als Kommissions-Präsident ist auch die Leitung des Rates selbst zu vergeben. Zudem wird ein neuer Chef der Europäischen Zentralbank als Nachfolger von Mario Draghi sowie ein neuer EU-Außenbeauftragter gesucht. Dieses Amt hat derzeit die Italienerin Federica Mogherini inne.

Die Kandidaten für die EZB-Präsidentschaft im Schnellcheck
Jens Weidmann, 51, DeutschlandAktueller Job: Präsident der BundesbankQualifikation: Anerkannter Experte; klug; es gab noch keine deutschen EZB-Präsidenten Quelle: dpa Picture-Alliance
Olli Rehn, 57, FinnlandAktueller Job: Gouverneur der finnischen NotenbankQualifikation: Mehrfacher EU-Kommissar (u. a. für Wirtschaft und Währung), Exfinanzminister seines Landes; ruhige Art Quelle: Bloomberg/Roni Rekomaa
François Villeroy de Galhau, 60, FrankreichAktueller Job: Gouverneur der Banque de FranceQualifikation: Mehr Politiker als Notenbanker; gilt als ausgewiesener Deutschlandversteher Quelle: action press
Erkki Liikanen, 68, FinnlandAktueller Job: Bis 2018 Gouverneur der finnischen NotenbankQualifikation: Liikanen steht Amtsinhaber Mario Draghi nahe und gehört den finnischen Sozialdemokraten an, der stärksten Partei in der neuen finnischen Regierung. Sein Alter gilt als Handicap trotz guter Kondition. Quelle: Bloomberg, Mikael Sjoberg
Klaas Knot, 52, NiederlandeAktueller Job: Gouverneur De Nederlandsche BankQualifikation: Fachlich fit steht Knot den deutschen Positionen in der Geldpolitik am nächsten. Seine Bank punktet durch Innovationen in Sachen Klimwandel und Sozialer Inklusion Quelle: imago images
Benoît Cœuré, 50, FrankreichAktueller Job: Mitglied des EZB-DirektoriumsQualifikation: Inhaltlich ist der Ökonom deutlich stärker als sein Landsmann Villeroy de Galhau. Weil er dem EZB Direktorium schon seit acht Jahren angehört, sind seine Chancen allerdings gering. Quelle: Getty Images
Pablo Hernández de Cos, 48, SpanienAktueller Job: Präsident der spanischen NotenbankQualifikation: Der promovierte Ökonom bringt lange Erfahrung aus Banco de España und der EZB mit. Spaniens Regierungschef pocht auf einen Topjob für sein Land. Quelle: imago images

Mit der Suche ist nun der ehemalige polnische Premier Tusk betraut. Er will einem Insider zufolge für jede Position nur einen Namen präsentieren. „Es ist nicht garantiert, aber das ist der Plan“, sagte ein EU-Vertreter. Zur Vorbereitung habe Tusk beim Gipfel die „Befindlichkeiten“ der EU-Staats- und Regierungschefs ausgelotet. Es gehe dabei um deren Vorstellungen und Anforderungen an die Bewerber. Dabei gelte es, die Balance hinsichtlich der Geografie, der Parteizugehörigkeit und der Geschlechter zu beachten.

Zuvor hatte im Parlament das Ringen um den neuen EU-Kommissionspräsidenten begonnen. Die Spitzen der Fraktionen im Haus bestehen darauf, dass nur einer der Bewerber der Fraktionen den Vorsitz der Kommission übernehmen darf. Allerdings einigten sie sich nicht auf einen der Kandidaten, auch nicht auf den EVP-Spitzenmann Weber, den Chef der größten Fraktion im neuen Parlament. Das Ergebnis der Wahl am Sonntag macht es für CSU-Vize Weber nicht einfacher, der nach einer Umfrage auch in der deutschen Bevölkerung nur von einer Minderheit unterstützt wird. Die EVP, zu der auch CDU und CSU gehören, stürzte auf 23,6 (2014: 29,4) Prozent ab, auch die Sozialdemokraten verloren massiv. Damit büßten die beiden Parteien nach jahrzehntelanger informeller großer Koalition ihre absolute Mehrheit ein und müssen sich neue Partner suchen, um das Sagen zu haben. Dafür bieten sich die Liberalen und die Grünen an.

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