
Die Tariferhöhung im öffentlichen Dienst um satte 6,3 Prozent macht nicht nur den klammen deutschen Kommunen zu schaffen, sondern auch der Europäischen Zentralbank. Die Währungshüter in Frankfurt stehen vor der immer größer werdenden Herausforderung, mit ihrer Geldpolitik die Kluft zwischen Europas größter Volkswirtschaft und den anderen Euro-Ländern zu verringern.
Denn: Die Löhne in Deutschland dürften nach dem Tarifabschluss für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auch in anderen Branchen teils deutlich steigen. Der Preisdruck in Deutschland wird zunehmen, während er in den Euro-Krisenländern wie Spanien, Italien & Co., die eisern sparen müssen, sinken wird.





EZB-Politik ungeeignet
„Die Gehalts-Abschlüsse in Deutschland sind zwar für die Arbeiter eine gute Sache, (EZB-Chef) Draghi dürfte deswegen allerdings nicht die Korken knallen lassen“, so Carsten Brzeski, ein Volkswirt bei ING Group in Brüssel gegenüber Bloomberg. „Die EZB-Politik ist für einzelne Staaten ungeeignet; für Deutschland ist sie zu locker und für die Peripherie zu restriktiv. Das könnte dazu führen, dass die Divergenzen nur noch größer werden.“
Auch Draghi weiß um diese Herausforderung. Der Präsident der Europäischen Zentralbank warnte bereits vor „Aufwärtsrisiken“ bei der Inflation. Dennoch entschied der Rat der EZB, dass der Leitzins auf seinem historischen Tief bleibt, nämlich bei 1,0 Prozent. Zu groß sind die Sorgen, bei einer Zinserhöhung die Konjunktur in der Eurozone komplett abzuwürgen. Die EU-Kommission rechnet für das laufende Jahr mit einem Rückgang des BIPs in der Eurozone um 0,3 Prozent.
Deutschlands Volkswirtschaft hingegen soll auch 2012 weiter wachsen. Die Folge: Die Schere zwischen den erfolgreichen und den schwachen Euro-Staaten geht weiter auseinander, „die EZB befindet sich in einem Dilemma“, so Holger Sandte, Chef-Volkswirt bei WestLB Mellon Asset Management in Düsseldorf gegenüber Bloomberg. „Die Währungsunion befindet sich nicht in einem optimalen Zustand. In einigen Teilen geht es der Wirtschaft schrecklich, in anderen geht es ganz gut, und die Preise gehen auseinander.“