EZB Mario Draghi darf sich nicht an die Inflationsrate klammern!

Mario Draghi öffnet die Tür für noch mehr billiges Geld und warnt vor Gefahren des billigen Öls. Diese einseitige Sicht ist umstritten, die EZB sollte nicht die falschen Konsequenzen daraus ziehen. Ein Kommentar.

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Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) Quelle: dpa

Es heißt, das Erfolgsprinzip guter Kommunikation sei die Wiederholung. Die Potenzregel besagt, dass die Wirkung eines Satzes sich potenziert, je häufiger er wiederholt wird. Wer einen Satz beispielsweise dreimal sagt, erzielt die 27-fache (3x3x3) Wirkung. Gut möglich, dass Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) über Weihnachten einen Crashkurs in Kommunikationswissenschaften gemacht hat.

Stoisch wiederholte der Italiener, die EZB werde bei ihrem nächsten Treffen im März ihre Geldpolitik „überprüfen“ und „möglicherweise neu überlegen“. Übersetzt in die Sprache der Finanzmärkte heißt das so viel wie: wenn die Situation so schwierig bleibt wie jetzt, sind weitere expansive Maßnahmen im März sehr wahrscheinlich. Offenbar wollte Draghi etwas gutmachen, nachdem die Märkte nach dem vergangenen Zinsentscheid im Dezember enttäuscht waren, dass die Zentralbank nicht mehr lieferte.  

Was Analysten für das Anlagejahr 2016 erwarten
Deutsche Bank Quelle: REUTERS
Deka BankDie Fondsspezialisten der Sparkassen erwarten, dass der Goldpreis im kommenden Jahr deutlich unter die kritische Marke von 1000 Dollar fallen wird. S&P 500: 2000 Punkte Nikkei: 17000 Punkte Gold: 960 Dollar Öl: 57 Dollar Euro/Dollar: 1 Dollar Bundesanleihen 10 Jahre: 1 Prozent US-Treasury Rendite 10 Jahre: 2,9 Prozent Quelle: dpa
PostbankIm Gegensatz zur Deka Bank ist die Postbank beim Goldpreis etwas optimistischer. Ein möglicher Impuls kommt von der Schmucknachfrage, da die Konjunktur in Indien zuletzt deutlich besser lief als erwartet. S&P 500: 2250 Punkte Nikkei: 21750 Punkte Gold: 1100 Dollar Öl: 57 Dollar Euro/Dollar: 1 Dollar Bundesanleihen Rendite 10 Jahre: 1,0 Prozent US-Treasury Rendite 10 Jahre: 2,75 Prozent Quelle: dpa
Berenberg BankDeutschlands älteste Privatbank ist im Vergleich zur Konkurrenz vergleichsweise optimistisch, was den Euro angeht. S&P 500: 2200 Punkte Gold: 1150 Dollar Öl: 55 Dollar Euro/Dollar: 1,15 Dollar Bundesanleihen 10 Jahre Rendite: 1,1 Prozent US-Treasury Rendite 10 Jahre: 2,8 Prozent Quelle: obs
SantanderS&P 500: 2250 Punkte Gold: 1050 Dollar Öl: 55 Dollar Euro/Dollar: 1 Dollar Bundesanleihen Rendite 10-jährige: 0,9 Prozent US-Treasury Rendite 10-jährige: 2,75 Prozent Quelle: AP
Credit Suisse Quelle: REUTERS
Commerzbank Quelle: dpa

Zumindest kurzfristig erzielte Mario Draghi auch die gewünschte Wirkung. Die Finanzmärkte reagierten deutlich auf die Rede des EZB-Präsidenten. Der Dax legte angesichts der Aussicht auf mehr billiges Geld um mehr als zwei Prozent zu, der Euro fiel um mehr als einen US-Cent auf 1,08 US-Dollar. Auf die eigentliche Entscheidung der EZB reagierten die Kurse dagegen kaum, wie erwartet beließ die Notenbank den Leitzins auf seinem Rekord-Tief von 0,05 Prozent, auch der Einlagenzins blieb bei minus 0,3 Prozent.



Daten: Eurostat // Stand: Januar 2016



Mehr als fraglich ist allerdings, ob Mario Draghi mit seiner Kommunikation und Politik auch langfristig die potenzierte gewünschte Wirkung erzielen wird. Das Problem der Notenbank ist klar: der niedrige Ölpreis lastet auf den Inflationsraten, es scheint, als sei die Geldpolitik dagegen machtlos. Nun besteht die Gefahr, dass Draghi sich bei seinen Entscheidungen zu stark an die niedrige Inflationsrate klammert.

Die größten Pleitestaaten der Welt
Norwegische Insel Quelle: dpa
Reichstag Quelle: dpa
Gracht in Amsterdam Quelle: AP
Akropolis Quelle: AP
Brunnen am österreichischen Parlamentsgebäude Quelle: dpa
Schweizer Flagge Quelle: dpa
Big Ben und Westminster Abbey Quelle: REUTERS

„Positive Effekte, wie die Verbesserung auf der Kreditseite werden nicht so hoch bewertet, wie die Risiken auf der Inflationsseite“, sagt Ulrike Kastens, Volkswirtin bei Sal. Oppenheim. Anscheinend bewerte die EZB die Einkommenseffekte aus dem niedrigen Ölpreis nicht so hoch.

Seit der vergangenen EZB-Sitzung im Dezember ist der Ölpreis um rund 40 Prozent gefallen. Volkswirte sehen darin viel Positives. „Ein niedriger Ölpreis ist wie ein Konjunkturprogramm“, sagt Michael Klaus, Partner beim Bankhaus Metzler. Zu beachten sei, dass viele Länder Ölimporteure seien, und entsprechend stark von den gefallenen Preisen profitierten. Das gilt insbesondere für europäische Staaten.

Draghi warnt vor Abwärtsspirale

Mario Draghi dagegen warnt vor gefährlichen Zweitrundeneffekten des Preisverfalls am Ölmarkt. Dabei gehe es nicht mehr um ein kurzfristiges Phänomen, es bestehe also die Gefahr, dass so eine wirtschaftliche Abwärtsspirale in Bewegung gesetzt wird. Es wäre beunruhigend, so Draghi, dass der Zusammenhang zwischen Inflationsrate und Ölpreis weiter zugenommen hätte.

Im März stellt die EZB ihre neue Inflationsprognose vor. Aktuell sieht es so aus, als müsste sie diese nach unten korrigieren. Bisher erwarten die Zentralbank-Volkswirte eine Teuerung von 1,0 Prozent für das laufende Jahr. Revidieren sie ihre Prognose nach unten, erleichtert das für Draghi die Rechtfertigung einer noch expansiveren Geldpolitik.

Der Kampf der EZB gegen die Krise

„Die EZB läuft Gefahr, Hoffnungen zu wecken, die sie nicht erfüllen kann“, sagt Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Die Notenbank solle sich lieber in Demut üben und den Finanzmärkten zeigen, dass sie nicht allmächtig ist.

Ein zu starker Fokus der EZB auf die reine Inflationsrate wäre in jedem Fall falsch. Vielmehr sollte sie positive Entwicklungen wie die gestiegene Kreditvergabe in der Euro-Zone stärker bewerten. Diese zeigt, dass Maßnahmen greifen. „Schub für die Wirtschaft kommt eher vom tiefen Ölpreis, nicht so sehr von der Geldpolitik“, sagt Holger Sandte, Europa-Chefvolkswirt bei Nordea.

Schon jetzt ist der Konsum einer der Treiber des Aufschwungs. Die Verbraucher sparen bei den Benzinpreisen und können so mehr konsumieren, energieabhängige Unternehmen produzieren günstiger und könnten investieren. So ein Kreislauf braucht keine expansivere Geldpolitik, bei zuletzt steigenden Löhnen ist die Deflationsgefahr nicht akut.

Leider ist es für eine abwartende Haltung seitens der EZB wohl schon zu spät. Mario Draghi hat mit seinen mehrfachen Satz-Wiederholungen mal wieder eine Erwartungshaltung der Märkte erzeugt. Liefert die Notenbank im März nicht und lockert ihre Geldpolitik erneut, in dem sie möglicherweise auch ihr Anleihekaufprogramm ausbaut, dann werden die Märkte erneut bitter enttäuscht sein. Schon im Dezember machte sich Ernüchterung breit, als Mario Draghi „nur“ den Einlagenzins auf minus 0,3 Prozent senkte und das Anleihekaufprogramm nur verlängerte, anstatt es auszuweiten.

Insgesamt wäre es wohl besser gewesen, Mario Draghi hätte auf seinen Kommunikationskurs verzichtet.

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