EZB Fünf Jahre Draghi - eine Bilanz in Grafiken

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Mini-Inflation und Strafzins

Inflation

Bei Draghis Amtsantritt im November 2011 lag die Inflationsrate noch über der wichtigen Zwei-Prozent-Marke, nun dümpelt sie bei mageren 0,4 Prozent, obwohl die Zentralbank mittlerweile Staatsanleihen von über einer Billion Euro in ihren Bilanzen hat. Ist Draghi gescheitert? Die EZB verkauft ihre Politik trotz schlechter Zahlen als Erfolg. Das Argument ist so zweifelhaft wie unwiderlegbar: hätten wir nicht gehandelt, läge die Wirtschaft in der Euro-Zone erst Recht am Boden und der Euro wäre möglicherweise längst Geschichte. Dieser „Was wäre wenn“-Erfolg ist zwar weder messbar noch transparent, lässt sich aber gut kolportieren.

Trotz der bisher ausbleibenden Inflation hält die EZB weiterhin an ihrem Ziel der Preisstabilität von knapp unter zwei Prozent fest. Dabei waren es zuletzt vor allem die Energiepreise, die den Indikator auf Tiefststände drückten. Das könnte sich in Zukunft ändern. Allein aufgrund des Basiseffekts hat schon ein geringer Anstieg der Preise eine enorme Wirkung im Vergleich zum Vorjahr. In Deutschland sind die Verbraucherpreise im Oktober bereits um 0,8 Prozent zum Vorjahr angestiegen.

Für Draghi sind das einerseits gute Nachrichten, schließlich wartet die EZB sehnsüchtig auf steigende Preise. Andererseits sind steigende Preise bei ultra-niedrigen Zinsen für Konsumenten und Sparer eine denkbar schlechte Kombination. Der Druck auf Draghi, die Zinsen zu erhöhen, dürfte steigen. Einfach wird das nicht, denn das Geldsystem hat sich längst an die Niedrigzinsen und das billige Geld gewöhnt.

Anleihekäufe

Draghi steckt in der Klemme. Verweigert die Politik weiter Reformen, kommt die EZB aus ihrer ultra-expansiven Geldpolitik so schnell nicht raus. Welche neue Dimensionen diese angenommen hat, durfte die Unternehmenswelt erst in den vergangenen Monaten bestaunen: Bayer kauft den US-Saatguthersteller Monsanto für monströse 66 Milliarden Dollar und stemmt damit die größte Übernahme, die je ein deutsches Unternehmen bewältigt hat. Auch die EZB habe Monsanto gekauft, hieß es in Finanzkreisen. Tatsächlich profitieren die Leverkusener von Draghis Husarenritt, denn die EZB hat Bayer-Anleihen in ihren Büchern. Seit Juni hat die Zentralbank schon für fast 36 Milliarden Euro Unternehmensanleihen gekauft.

Ein Szenario, was vor ein paar Jahren wohl noch undenkbar gewesen wäre. Aber Draghi macht eben "whatever it takes", um den Euro zu retten. Seine berühmte Londoner Rede ist wohl einer der einschneidendsten Momente in Draghis Karriere als EZB-Chef. Ohne detaillierte Absprachen mit seinen Ratskollegen erklärte der Italiener auf einer Investorenkonferenz am 26. Juli 2012 in London, die EZB werde alles Notwendige tun, um den Euro zu retten. Ihre Wirkung verfehlte die Rede nicht, während die Zinsen für Anleihen von Krisenstaaten vorher bedrohlich hoch stiegen, fielen sie danach steil ab. Bei Analysten war von "magischen Worten" die Rede. Deren Wirkung hatte wohl selbst Draghi unterschätzt.

Rat

Auch in seiner grundsätzlichen Arbeit im EZB-Rat setzt Draghi auf einige wenige Vertraute. Draghi ist effizienzbezogen. Das lässt der Römer auch seine Kollegen im EZB-Rat spüren. Unter Vorgänger Jean-Claude Trichet ging das traditionelle Dinner am Vorabend der Ratssitzung auch gerne mal weit über Mitternacht hinaus. Im Gegensatz zum detailverliebten Franzosen hält Gastgeber Draghi den Schmaus lieber kurz. Nutzenoptimierend maximiert der MIT-Ökonom lieber seinen Schlaf.

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