„Wir sind überzeugt, dass das OTM-Programm richtig ist und auch für Deutschland von Vorteil ist“, unterstreicht Marcel Fratzscher auf Nachfrage. In Deutschland seien die Gegner der EZB-Politik, „lautstark und eloquent“, in einigen Punkten hätten „sie mit vielen Kritikpunkten auch Recht“. Aber: „Es geht darum alle Argumente zu sehen. Und die Mehrheit der Ökonomen weltweit ist sich einig: Was die Europäische Zentralbank macht, ist richtig und notwendig.“
Mit ihrem Aufruf wollen die Ökonomen die Debatte vorantreiben – einen Streit wollen sie nicht entfachen. „Wir wollen nicht spalten, sondern einen besseren Dialog darüber was Deutschland und Europa tun müssen um aus der Krise zu kommen“, so Fratzscher. So sei der Aufruf auch an Kollegen gegangen, die den ersten kritischen Ökonomen-Aufruf unterzeichnet hätten.
Die Rolle der EZB nach dem Maastricht-Vertrag
Artikel 104 (1) Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten bei der EZB oder den Zentralbanken der Mitgliedstaaten (...) für Organe oder Einrichtungen der Gemeinschaft, Zentralregierungen, regionale oder lokale Gebietskörperschaften oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaften, sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten sind ebenso verboten wie der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln von diesen durch die EZB oder die nationalen Zentralbanken.
Artikel 104 b (1) Die Gemeinschaft haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen von Mitgliedstaaten und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein. (...)
Artikel 107 Bei der Wahrnehmung der ihnen durch diesen Vertrag und die Satzung des ESZB übertragenen Befugnisse, Aufgaben und Pflichten darf weder die EZB noch eine nationale Zentralbank, noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane Weisungen von Organen oder Einrichtungen der Gemeinschaft, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen.
Artikel 105 (1) Das vorrangige Ziel des ESZB (Europäisches System der Zentralbanken, d. Red.) ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten. Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität möglich ist, unterstützt das ESZB die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft, um zur Verwirklichung der in Artikel 2 festgelegten Ziele der Gemeinschaft beizutragen.
Auch den Bonner Makroökonom Jürgen von Hagen erreichte das Dokument. Seine Antwort soll sehr deutlich ausgefallen sein: „Bei allem Respekt finde ich diesen Aufruf äußerst fürchterlich“, schrieb er laut „FAZ“ an die Verfasser. Es sei das Recht des Gerichthofs selbst zu entscheiden, was richtig oder falsch sei. Andeutungen, wonach der Gerichtshof der Stimme der Massen gehorchen solle, seien eine Beleidigung des Verfassungsgerichts.
Zu den weiteren Kritikern des Aufrufs gehören auch der frühere DIW-Forschungsdirektor Ansgar Belke und der emeritierte Bonner Geldtheoretiker Manfred Neumann. Ähnlich wie von Hagen kritisierte Neumann gegenüber der FAZ, dass der Aufruf faktisch auf den Versuch hinauslaufe, öffentlichen Druck auf das Bundesverfassungsgericht auszuüben.
„Wir wollen eine öffentliche Debatte führen, das Bundesverfassungsgericht ist unabhängig und nicht Ziel unseres Aufrufs“, erwidert Fratzscher.
Laut der Initiatoren hätten bereits über 100 Ökonomen den Appell unterzeichnet – darunter „namhafte und renommierte Volkswirte und auch Nobelpreisträger“, so der DIW-Chef, der aber noch keine konkreten Namen nennen will.
In den kommenden Wochen soll der Aufruf veröffentlich werden. Dann wird sich zeigen, wie viel Rückhalt der Appell erfährt. International – und viel wichtiger und fragwürdiger: national.
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