EZB Notenbanken stürzen sich auf Unternehmens-Bonds

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Schädigung des Wettbewerbs?

Verstärkt werden die Verzerrungen dadurch, dass nur Unternehmen von den Anleihekäufen profitieren, die groß genug sind, sich am Kapitalmarkt zu finanzieren. Kleinere Betriebe bleiben hingegen außen vor. Sie sind weiter auf ihre Hausbank angewiesen. Nach Meinung von Kritikern verstößt die EZB damit gegen den in den EU-Verträgen festgeschriebenen Grundsatz eines freien und unverfälschten Wettbewerbs. Eine Gruppe von Professoren und mittelständischen Unternehmern hat daher vor einigen Tagen eine Klage gegen die Anleihekäufe der EZB beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Die EZB handele geldpolitisch „mit dem Selbstverständnis eines souveränen Diktators, indem sie nach Inhalt, Zweck und Ausmaß unbegrenzt in den Markt von Unternehmensanleihen eingreift“, kritisiert der Initiator der Klage, der Berliner Anwalt und Professor für öffentliche Finanzwirtschaft Markus Kerber.

Ökonom Mayer fürchtet gar, die EZB könne mit den Anleihekäufen eine neue Fusionswelle auslösen, die den Wettbewerb schädigt. Denn das CSPP erlaubt es kapitalmarktfähigen Unternehmen, sich billiges Geld bei der EZB zu besorgen und damit andere Unternehmen zu kaufen. Das aktuelle Angebot von Bayer zur Übernahme von Monsanto könnte zeigen, wohin die Reise geht: mehr Fusionen, mehr Machtkonzentration, weniger Wettbewerb. Das aber ist Wasser auf die Mühlen der Globalisierungsgegner und Antikapitalisten jeglicher Couleur.

Verlierer des geldpolitischen Aktionismus der EZB könnten auch die Steuerzahler sein. Denn die nationalen Notenbanken haften gemeinsam entsprechend ihrem Anteil am Kapital der EZB für Gewinne und Verluste aus dem Kauf von Unternehmensanleihen. Auf die Bundesbank entfallen demnach rund 25 Prozent des Ausfallrisikos. Dass dieses keineswegs theoretischer Natur ist, zeigt die Absicht der EZB, die Unternehmensanleihen bis zur Endfälligkeit zu halten – im Extremfall also bis zu 30 Jahren.

Die Wahrscheinlichkeit, dass in dieser langen Zeit Unternehmen, deren Anleihen die EZB in ihrer Bilanz hält, Insolvenz anmelden oder anderweitig in Bedrängnis geraten, ist hoch. „Gewisse Ausfallraten sind bei Unternehmensanleihen die Regel, nicht die Ausnahme – auch wenn sie im hochwertigen Bereich sehr klein sind“, sagt Commerzbank-Stratege Stöckle. Kauft die EZB pro Monat für fünf Milliarden Euro Unternehmensanleihen, wie Stöckle erwartet, wächst das Ausfallrisiko für die deutschen Steuerzahler entsprechend dem EZB-Kapitalschlüssel jeden Monat um 1,35 Milliarden Euro – ohne dass der Bundestag dem zugestimmt hätte.

EZB-Kläger Kerber sieht darin einen Verstoß gegen die im Grundgesetz verankerte Budgethoheit des Deutschen Bundestags. „Die ermächtigungslose Schaffung von fiskalischen Risiken zulasten des Bundeshaushalts durch die EZB ist ein direkter Angriff auf die deutsche Demokratie“, kritisiert Kerber. Die EZB überschreite mit den Anleihekäufen ihre Befugnisse und verletze das Demokratieprinzip.

In seiner Klage fordert Kerber das Bundesverfassungsgericht daher auf, der Bundesbank die Beteiligung an den Anleihekäufen zu untersagen. Zwar könnten die anderen nationalen Notenbanken dann für die Bundesbank einspringen und deren Käufe übernehmen, ohne dass sich an der Sozialisierung der Risiken etwas änderte. Doch ein Kaufverbot aus Karlsruhe wäre ein Paukenschlag, der seine Wirkung an den Märkten nicht verfehlte – und das gesamte Programm delegitimierte.

Die Zeit drängt. Beginnt die Bundesbank in den nächsten Tagen mit dem Kauf von Unternehmensanleihen, lassen sich die damit verbundenen Ausfallrisiken für die deutschen Steuerzahler nicht mehr rückgängig machen.

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