Für die EZB ist die Situation vor allem aufgrund ihrer Doppelfunktion brisant. Als Bankenaufsicht ist sie immerhin oberste Kontrollinstanz der wichtigsten Geldinstitute Europas. Als Notenbank schwächt sie eben diese aber mit ihrer Negativzins-Politik. Einräumen will die Zentralbank das allerdings nicht. Direktor Benoît Cœuré erklärte am Mittwoch in Frankfurt, die Banken kämen mit der Niedrigzinspolitik gut zurecht, viele könnten die sinkenden Zinsmargen ausgleichen.
Die drei Pfeiler der Bankenaufsicht
Die zentrale Bankenaufsicht („Single Supervisory Mechanism“/SSM) wird unter dem Dach der Europäischen Zentralbank (EZB) eingerichtet und soll am 4. November 2014 die Arbeit aufnehmen. Die EZB wird künftig die etwa 120 größten und wichtigsten Banken im Euroraum direkt überwachen. Vor dem Start durchleuchten die Aufseher deren Bilanzen und testen die Krisentauglichkeit der Institute.
Von 2016 an sollen gemeinsame Regeln zur Sanierung und - im Notfall - Schließung von Banken greifen („Single Resolution Mechanism“/SRM). Erklärtes Ziel ist, dass im Fall der Schieflage einer Bank zunächst deren Aktionäre und Sparer herangezogen werden - und nicht mehr allein der Steuerzahler. Alle Länder sollen Notfallfonds aufbauen, die sich aus Abgaben der Banken finanzieren.
Der grenzüberschreitende Schutz der Bankguthaben von Kunden ist noch Zukunftsmusik. Dagegen gibt es starken Widerstand aus vielen Staaten. Gerade die deutschen Sparkassen und Volksbanken befürchten, dass die üppig gefüllten deutschen Töpfe im Fall von Schieflagen von Instituten in anderen Euroländern geschröpft werden.
Allerdings machte er deutlich, dass die EZB nicht für alle Probleme der Banken verantwortlich ist. Bisher gäbe es beispielsweise zu geringe Fortschritte beim Abbau fauler Kredite. "Das untergräbt das Vertrauen in ihre Fähigkeit, weitere Verluste aufzufangen", erklärte Cœuré. Behalten die pessimistischen Volkswirte recht, sollte das bei uns alle Alarmglocken läuten lassen.
Weidmann außen vor
Die EZB ist mittlerweile also in der Zwickmühle angelangt, welche ihr Kritiker längst prognostiziert haben. Noch bevor die Bankenaufseher in ihre Büros im renovierten Euro-Tower in der Frankfurter Innenstadt ziehen, machen ihnen die Kollegen aus dem neuen Zentralbank-Gebäude im Frankfurter Ostend mit ihrer Geldpolitik das Leben schwer. Sinkt der Negativzins weiter, weil die EZB sich ans Mandat hält, jammern die Banken. Handelt Draghi nicht, meutern die Finanzmärkte und die Deflations-Kritiker holen zum Rundumschlag aus. Sparer und Versicherer sind sowieso schon enttäuscht.
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann wird mit dieser nicht einfachen Entscheidung direkt nichts zu tun haben. Laut geltendem Rotationsprinzip im 25-köpfigen EZB-Rat darf Weidmann im März nicht mitstimmen - seit mit Litauen 2015 das 19. Euro-Land zur Runde der Zentralbank-Räte kam, entschied die EZB, dass nicht alle Notenbanker bei jeder Entscheidung mitstimmen dürfen. Am kommenden Donnerstag wird es erstmals Weidmann sein, der aussetzen muss. Er wird mitdiskutieren, hat aber keine Stimme.
Verschwörungstheoretiker witterten schon bei der Einführung des Rotationsprinzip Draghis Chance, Weidmanns Pause für eine expansive Entscheidung zu nutzen. Beobachter warnen allerdings vor derartigen Interpretationen. Nicht nur Weidmann wird am Donnerstag nicht mitstimmen, auch die Notenbanker aus Estland, Irland und Griechenland dürfen ihre Finger nicht heben. "Das gleicht sich aus", sagt Michael Schubert, Zentralbank-Analyst der Commerzbank. Der Este Ardo Hansson sei wie Weidmann ein Falke, während der Ire und der Grieche zu den geldpolitischen Tauben zu zählen seien, die eine expansive Politik vorziehen. Per Saldo dürfte sich also nichts ändern.