
Die aktuelle Geldpolitik der Notenbanken in den USA, Japan und Europa hat auf die Realwirtschaft langfristig keinen positiven Einfluss. Das ist inzwischen empirisch belegt und wird von vielen Ökonomen auch nicht mehr bestritten. Die politischen Auswirkungen dieser Politik sind aber erst in Ansätzen erkennbar.
Ben Bernanke, bis Anfang 2014 Chef der US-Notenbank Fed, deutete in der vergangenen Woche an, wohin die Reise gehen könnte. Bernanke regte an, den 1976 vom Kongress verabschiedeten „National Emergencies Act“ auf den ökonomischen Notstand auszuweiten. Offenbar sieht der ehemalige Fed-Chef eine Krise am Horizont heraufziehen, bei der auch die Fed an ihre Grenzen stoßen könnte.
Bernanke bezog sich ausdrücklich auf jene verfassungsrechtlichen Mittel, die einem US-Präsidenten in militärischen Notlagen weitgehend Handlungsfreiheit bis hin zur Kriegserklärung einräumen. Notstandsgesetze verleihen einem US-Präsidenten de facto unbeschränkte Macht, während die Kontrollfunktion des Kongresses ausgehebelt wäre.
2014 – ein heikles Jahr für die EZB
In gebührendem Abstand zu den Bankentürmen im Westend entsteht in Frankfurt das neue Hauptquartier der EZB. Wann genau die Notenbanker dort einziehen werden, ist noch nicht klar - geplant ist aber 2014. Die EZB bleibt aber auch im Frankfurter Euro-Tower. Hier werden die Bankenaufseher untergebracht. Geldpolitiker und Aufseher sollen also nach den Umzügen nicht unter einem Dach arbeiten - Interessenskonflikte sollen so auf ein Minimum reduziert werden.
Sabine Lautenschläger ist anstelle von Jörg Asmussen ins EZB-Direktorium eingezogen. Ebenfalls neu ist Lettlands Zentralbankchef Ilmars Rimsevics. Lettland ist das 18. Land, das den Euro eingeführt hat.
Lautenschläger, Rimsevics und die anderen Notenbanker müssen sich an eine neue Offenheit der EZB gewöhnen. Die Zentralbank könnte schon bald wie etwa die Federal Reserve in den USA Protokolle oder zumindest schriftliche Zusammenfassungen der Sitzungen des EZB-Rats publik machen.
Draghi will dem EZB-Rat dazu schon bald einen konkreten Vorschlag machen. Umstritten ist, wie genau sich die Öffentlichkeit künftig ein Bild vom Abstimmungsverhalten der einzelnen Notenbanker machen kann.
Die EZB geht mit einem rekordniedrigen Leitzins ins Jahr 2014: Seit November können sich die Geschäftsbanken bei ihr für 0,25 Prozent Zinsen refinanzieren. Zudem hat der EZB-Rat beschlossen, dass die Institute noch bis mindestens Mitte des übernächsten Jahres so viel Liquidität bekommen, wie sie bei der EZB abrufen - ohne Obergrenze. Damit ist das Finanzsystem zwar geschützt gegen Liquiditätsengpässe, doch stockt der Kreditfluss in den besonders krisengeplagten Ländern Südeuropas.
Zudem ist die Inflation in der Eurozone aus Sicht der Notenbanker zu niedrig. Die Zentralbanker betonen seit der letzten Zinssenkung, dass sie noch zahlreiche Pfeile im Köcher haben. Dazu gehören unter anderem weitere milliardenschwere Geldspritzen, um die Banken flüssig zu halten, sowie ein Strafzins für Banken, die Gelder lieber bei der EZB parken, als sie an Unternehmen und Haushalte als Kredit weiterzureichen.
Wenn die EZB wie geplant im November 2014 die Oberaufsicht über die Banken der Währungsunion übernimmt, hat sie zumindest die 128 größten Institute bereits auf Herz und Nieren geprüft. Denn in den nächsten Monaten steht der größte Gesundheitscheck der Branche auf dem Programm, den es je gegeben hat.
Ziel der EZB ist es, die Banken möglichst besenrein, also ohne schlummernde Altlasten in den Bilanzen, zu übernehmen.
Klammert man Naturkatastrophen aus, dann wurden bisher mehr als 50 Notstände durch US-Präsidenten ausgerufen. Die meisten dann erlassenen Regeln sind bis heute in Kraft. Folgt der Kongress Bernankes Vorschlag er selbst räumte allerdings ein, dass dies politisch nicht realistisch sei („I am sure it is not politically possible, but it would be worth thinking about“) - würde in der nächsten Wirtschafts- und Finanzkrise die Wirtschaftspolitik ohne demokratische Kontrolle vom Weißen Haus erledigt.
Für die Lobbyindustrie wäre das eine Steilvorlage. Geld dürfte dann bei zukünftigen US-Wahlkämpfen eine noch größere Rolle spielen. Je näher am Zentrum der Macht, desto höher wären schließlich die Überlebens- und Gewinnchancen der Wall Street.
In Europa setzen die Kapitalmärkte der nationalen Souveränität und der Macht der Parlamente in Zeiten des Euro enge Grenzen. Ohne eigenbestimmt handelnde nationale Notenbanken reduzieren sich Parlamentswahlen auf eine Art Vorschlagswesen. Die EZB und Brüssel haben letztlich das Vetorecht. So entscheidet derzeit die EZB über die Vergabe von Notfallkrediten der griechischen Zentralbank an illiquide griechische Banken und damit über die Mitgliedschaft Griechenlands in der Eurozone.





Die EZB aber ist Verursacherin und Gestalterin der Krisen zugleich. Die in Österreich jetzt von der Hypo Alpe Adria (HAA) ausgelöste Bankenkrise hat die EZB indirekt mit verursacht: Über ihr Staatsanleihekaufprogramm, das wiederum die Schweizerische Notenbank (SNB) unter Zugzwang brachte. Der Zusammenhang ist folgender: Bei der verstaatlichten Skandalbank HAA beziehungsweise deren Bad Bank Heta ist neuer Abschreibungsbedarf aufgetaucht – bei einem Gesamtportfolio an faulen Krediten von 18 Milliarden Euro. Grund waren auch zusätzliche Abschreibungen auf die von der HAA in Osteuropa vergebenen Kredite in Schweizer Franken – tausende Osteuropäer hatten sich in Österreich zu vermeintlich günstigen Franken-Zinsen billiges Geld besorgt. In der Bilanz der HAA waren diese Kredite bisher mit zwei Milliarden Euro angesetzt. Jetzt müssen diese um 85 Prozent auf 300 Millionen Euro abgeschrieben werden. Andere in Osteuropa tätige Banken sind jetzt in Zugzwang und werden ebenfalls abschreiben müssen.