EZB-Vermögensbericht Sind die Zyprer wirklich reicher als die Deutschen?

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Weniger Immobilien - und alte Daten

Noch entscheidender für die unterschiedliche Vermögenslage in Europa ist die jeweilige Wohnsituation. Denn neben finanziellen Vermögenswerten wie Einlagen auf Konten oder anderen Geldanlagen ist es vor allem der Immobilienbesitz, der das Vermögen der Haushalte in die Höhe treibt. Während die Deutschen Weltmeister im Mieten von Wohnungen und Häusern sind, wohnen vor allem Südeuropäer in der Regel im Eigenheim.

Der EZB zufolge wohnen gut 60 Prozent aller Privathaushalte im Euroraum in den eigenen vier Wänden, ein Drittel davon zahlt eine Hypothek ab. Die regionalen Unterschiede sind aber enorm: Mit nur 44,2 Prozent leben nirgendwo in Europa weniger Menschen im Eigenheim als in Deutschland - in Spanien sind es fast 83 Prozent, in der Slowakei 90 Prozent. „Wir haben in Deutschland einen gut funktionierenden Mietwohnungsmarkt und dadurch eine entsprechend geringe Wohneigentumsquote“, sagt Christoph Schröder vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln.

Auch in Deutschland ist das Vermögen der Hausbesitzer naturgemäß deutlich höher als das der Mieter. Eigentümer, die keine Hypothek mehr bedienen müssen, kommen immerhin auf ein mediales Nettovermögen von rund 255.600 Euro. Bei den deutschen Mietern sind es dagegen nur 10.300 Euro. Die enorme Bedeutung der Wohnsituation für die Vermögensverteilung in Europa führt allerdings auch zu einem der Probleme der Haushalts-Studie.

von Tim Rahmann, Andreas Toller, Kerstin Dämon

Denn die jüngsten Daten für die Studie stammen von 2010, viele sind noch aus dem Jahr 2008. Zu dem Zeitpunkt war von einer Euro-Schuldenkrise noch nicht die Rede. Seit dem sind vielerorts die Immobilienpreise gepurzelt, während die Arbeitslosigkeit zunahm. „Besonders für Spanien ist es kritisch, das Erhebungsjahr 2008 zu wählen. Denn die Immobilienpreisblase ist dort erst später geplatzt“, sagt Schröder. „Das Durchschnittsvermögen ist in Spanien daher heute geringer als im Jahr 2008.“

Das die Kräfteverhältnisse in der Euro-Zone ohne eine Berücksichtigung von Immobilien anders aussehen könnten, dass lassen die Haushaltseinkommen erahnen. Beim mittleren Brutto-Haushaltseinkommen liegt Deutschland mit 32.500 Euro auf Rang 5 - weit hinter Luxemburg mit 64.800 Euro, aber auch weit vor der Slowakei mit 11.200 Euro.

Zudem: Die Daten für die Studie wurden im Rahmen von Umfragen erhoben. Das ist kritisch, da sich die Befragung der Haushalte nach territorialen Aspekten richtet, nicht nach nationalen. In Zypern kann dementsprechend auch das Vermögen von reichen russischen Auswanderern die Zahlen in die Höhe getrieben haben. Gleichzeitig ist es möglich, dass Befragte den Wert ihrer Immobilie überschätzen. Außerdem kritisieren Experten, dass etwa Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung, Betriebsrenten oder kostenlose Bildung in der Studie nicht berücksichtigt wurden. „Wir haben eine recht gute soziale Absicherung“, betonte Schröder. Deshalb werde weniger für die Altersvorsorge oder die Arbeitslosigkeit gespart. Gerade für ältere Deutsche dürften Betriebsrenten und andere Ansprüche einen nicht unerheblichen Teil des Vermögens ausmachen.

Besonders vor dem Hintergrund weiterer Rettungsschirme werden die Daten der EZB sicherlich für einige Diskussionen sorgen - zu genießen sind sie allerdings nur mit Vorsicht.

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