Für den zweiten Zinsentscheid dieses Jahres im März erwarten allerdings viele Beobachter, dass die EZB auf die niedrigen Inflationsraten reagieren könnte. "Die Inflationserwartungen werden aber eine wichtigere Rolle spielen als die Inflationsrate", sagt Michael Schubert, EZB-Experte der Commerzbank. Diese seien durch den sinkenden Ölpreis bisher deutlich weniger zurück gegangen als die Inflationsrate an sich. Allerdings veröffentlicht die EZB nach ihrer Sitzung im März die nächsten Inflationsprognosen. Ist die Notenbank gezwungen, diese nach unten zu korrigieren, dürfte sie weiter unter Zugzwang geraten. Aktuell erwarten die Ökonomen im Euro-Turm für 2016 eine Teuerungsrate von 1,0 Prozent, im kommenden Jahr sollen es dann 1,6 Prozent sein.
Das sind die drei Leitzinssätze der EZB
Der wichtigste Leitzins ist der Hauptrefinanzierungssatz. Er legt den Mindestzins fest, den Geschäftsbanken der EZB für einen Kredit mit einwöchiger Laufzeit im Rahmen der sogenannten Tenderauktionen bieten müssen. Änderungen wirken sich in der Regel direkt auf die Zinsen am Geld- und am Kapitalmarkt aus.
Für Banken, die sehr kurzfristig Geld brauchen, wird es teurer, hier bietet die EZB die sogenannte Spitzenrefinanzierungsfazilität an. Diese Kredite haben eine Laufzeit von einem Tag. Der Zins, den Banken für das über Nacht geliehene Geld zu zahlen haben, ist der Spitzenrefinanzierungssatz. Er liegt in der Regel rund einen Prozentpunkt über dem Hauptrefinanzierungssatz.
Die Einlagefazilität ist das Gegenstück zur Spitzenrefinanzierungsfazilität. Sie gibt Banken die Möglichkeit, einen Überschuss an flüssigen Mitteln bis zum nächsten Geschäftstag bei der Zentralbank zu parken. Die Verzinsung gibt der Einlagefazilitätssatz an. Spitzen- und Einlagefazilität sind Instrumente, mit denen die EZB weitere Feinsteuerung verwirklichen kann. Wenn die Banken zum Beispiel nur sehr wenig oder gar keinen Zins auf das Geld bekommen, das sie bei der EZB parken, dann steigt der Anreiz, es an einen Kunden zu verleihen. Derzeit ist der Einlagezins negativ - und bestraft somit Banken, die Geld bei der EZB parken.
Mit Litauens Notenbankchef Vitas Vasiliauskas forderte bereits ein EZB-Ratsmitglied, die Zentralbank solle sich bei ihrer Geldpolitik mehr auf die Kerninflation konzentrieren. Der sehr niedrige Ölpreis sei eine neue Realität, so Vasiliauskas. Er dürfe nicht darüber hinweg täuschen, dass die Politik der EZB effektiv sei. "Das Kreditwachstum ist positiv, die Realwirtschaft expandiert".
Welche Instrumente bleiben der EZB?
Am wahrscheinlichsten gilt derzeit die Möglichkeit, die EZB könne den Einlagenzins noch weiter senken. Erst im Dezember wurde der Strafzins, den Banken zahlen, wenn sie Geld über Nacht bei der EZB deponieren, auf minus 0,3 Prozent gesenkt. Die Notenbank will Banken so dazu bringen, ihr Kapital in Form von Krediten auszugeben, anstatt es bei der EZB zu lagern. Da der Leitzins mit 0,05 Prozent bereits denkbar niedrig ist, gilt es als wahrscheinlicher, dass der EZB-Rat zunächst weiter am Einlagenzins schraubt.
Die kürzlich veröffentlichten Protokolle zur EZB-Sitzung im Dezember zeigen bereits, dass in puncto Einlagenzins keine Einigkeit im Rat herrschte. Einige Notenbanker wollten den Zins sogar auf minus 0,4 Prozent absenken. Es ist also gut möglich, dass diese Fraktion sich bei einer der nächsten Sitzungen im Rat durchsetzen wird.
Im März wird laut Rotationsprinzip Bundesbank-Chef Jens Weidmann nicht mitstimmen dürfen. Gleiches gilt für die Notenbankchefs aus Griechenland, Irland und Estland. Seit Litauen als 19. Land der Währungsunion beigetreten ist, dürfen nicht mehr alle 25 Mitglieder des EZB-Rats bei jedem Zinsentscheid mitstimmen. Kritiker fürchten daher um den Einfluss der Bundesbank, schließlich sei Weidmanns Stimme als mahnender Falke, der für eine weniger expansive Geldpolitik eintritt, wichtig. Commerzbank-Analyst Schubert warnt allerdings davor, zu viel in die Rotation der Stimmen hineinzuinterpretieren. "Der estnische Notenbanker ist genau wie Weidmann ein Falke", sagt Schubert. Der Ire und der Grieche seien dagegen Tauben, die eine expansive Geldpolitik bevorzugten. "Das gleicht sich also aus", so Schubert.
Sollte das Schrauben am Einlagenzins nicht ausreichen, könnte die EZB ihr Anleihekaufprogramm weiter ausbauen. Zunächst hatte sie es im Dezember verlängert, anstatt bis September dieses Jahres werden die Papiere nun bis mindestens März 2017 gekauft. Denkbar wäre weiterhin, dass monatliche Volumen von aktuell 60 Milliarden Euro zu erhöhen. Bisher sieht es aber danach aus, dass so ein Schritt noch einige Gegner im Rat hat. So sagte Ratsmitglied Ewald Nowotny, der Chef der Österreichischen Nationalbank, im Hinblick auf den Einfluss der EZB auf die Konjunktur: "Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass auch die Geldpolitik Grenzen hat".
Der niedrige Ölpreis zeigt EZB-Präsident Draghi seine Grenzen gut auf. Gegen das Überangebot an Öl aus den Förderländern scheint auch Super-Mario machtlos. Zudem hat er an den Märkten harte Gegner. Hedgefonds wetten mittlerweile verstärkt auf weiter fallende Ölpreise. Damit versuchen sie, die Verluste aus der bisherigen Preisentwicklung zumindest teilweise auszugleichen.
Vor kurzem erreichte die EZB deshalb ein interessanter, aber wohl nicht ganz ernst gemeinter Vorschlag: die Zentralbank selber könne ja Öl kaufen und damit die Nachfrage wieder ankurbeln. Möglich wäre das einerseits mit Zertifikaten. Allerdings sind der Notenbank so spekulative Geschäfte untersagt. Gleichzeitig könnte sich die EZB auch ein paar Fässer in den Keller stellen. Um aber tatsächlich etwas zu bewegen, müsste Draghi schon mehr als den gesamten Frankfurter Untergrund zum Öl-Lager ausbauen. Der Italiener sollte sich also lieber auf seine Geldpolitik konzentrieren und nichts überstürzen.