EZB Notenbanken stürzen sich auf Unternehmens-Bonds

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Welche Anleihen die EZB kaufen darf

Diese sollen sowohl am Sekundärmarkt (also von Banken und anderen Investoren) als auch am Primärmarkt (direkt von den ausgebenden Unternehmen) kaufen. Die Emittenten müssen dabei über eine ausreichende Bonität verfügen (Investment-Grade), ihren Geschäftssitz in der Euro-Zone haben und dürfen keine Bank sein. Anleihen von Tochtergesellschaften ausländischer Mütter mit Sitz in der Euro-Zone dürfen ebenfalls auf die Einkaufsliste. Insgesamt kommen Bonds im Wert von circa 800 Milliarden Euro für das Kaufprogramm infrage, schätzt Stöckle. „Die monatlichen Kaufvolumina dürften zwischen drei und fünf Milliarden Euro liegen“, so seine Prognose.

Zinsen für Unternehmensanleihen vor und nach der EZB-Ankündigung

An den Märkten hat das Programm gewirkt, noch bevor die EZB die erste Anleihe gekauft hat. In Erwartung sinkender Renditen haben Investoren in den vergangenen Wochen bei Unternehmensanleihen kräftig zugeschlagen und so die Rendite für Emittenten mit guter Bonität von knapp 1,75 Prozent Anfang März auf aktuell etwa 1,4 Prozent gedrückt. Zum Vergleich: Anfang des Jahres lag die effektive Verzinsung noch über zwei Prozent (siehe Grafik).

Dass die Unternehmen sich durch niedrigere Finanzierungskosten zu höheren Investitionen in Maschinen und Anlagen hinreißen lassen, wie es die EZB hofft, ist jedoch unwahrscheinlich. „Die schwache Investitionstätigkeit hat ihre Ursache in der Unsicherheit über die Konjunktur und die Wirtschaftspolitik“, sagt Thomas Mayer, Direktor des Flossbach von Storch Research Institute. Mit niedrigeren Kreditzinsen sei der Investitionsflaute daher nicht beizukommen. Mayer befürchtet, dass die Unternehmen stattdessen die niedrigen Kreditkosten nutzen, um eigene Aktien auf Pump zurückzukaufen. Das geht zulasten der Eigenkapitalquote und gefährdet die finanzielle Resilienz der Unternehmen in Krisenzeiten. Statt die Realwirtschaft auf eine stabilere Basis zu stellen, könnte die EZB am Ende die Schuldenspirale weiter antreiben. „Das Kreditsystem wird immer zerbrechlicher“, warnt Mayer.

Das spüren alle Anleger. In den vergangenen Jahren konnten sie versuchen, auf das niedrige Zinsumfeld durch den Kauf von Unternehmensanleihen zu reagieren und dort noch relativ ansehnliche Renditen einzufahren. Doch damit ist es auch hier längst vorbei. „Die Renditen für Firmenanleihen sind im Vergleich zu den Transaktionskosten so gering, dass sich der Handel kaum noch lohnt“, sagt Stöckle. Die Anleger halten die Papiere daher in ihrem Depot, der Markt trocknet aus. Stöckle erwartet, dass die EZB deshalb die Hälfte des angestrebten Anleihevolumens am Primärmarkt kaufen muss. Damit treibt sie institutionelle Investoren wie Versicherungen und Pensionsfonds auf der Suche nach Rendite in risikoreichere Anlageklassen. Ihre Ausfallrisiken steigen.

Noch steht nicht fest, wie sich die Käufe der EZB nach Regionen und Branchen zusammensetzen. Bei der EZB heißt es vage, man werde sich an der Struktur des Gesamtmarkts für Unternehmensanleihen in der Euro-Zone orientieren und diesen nachbilden. Einfach dürfte das nicht werden. Denn wenn der Sekundärmarkt austrocknet und am Primärmarkt nicht genügend neues Material zu finden ist, müssen die Währungshüter aus einigen Ländern und Branchen überdurchschnittlich viele Anleihen kaufen, um das angestrebte Gesamtvolumen zu erreichen. Statt regelgebundener Geldpolitik betreibt die EZB dann nolens volens eine interventionistische Industriepolitik. Einige Marktbeobachter befürchten zudem, dass sich Emittenten an den ausgetrockneten Anleihemarkt zurücktrauen, die dort wegen fehlender Bonität nichts zu suchen haben.

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