Entgegen ersten Ankündigungen will die neue Regierung in Athen nun doch erst am Donnerstag um eine Verlängerung ihrer Rettungskredite bitten, um eine Staatspleite abzuwenden. Die Bundesregierung bestand darauf, dass mit neuen Milliarden auch ein Bekenntnis zu den in Griechenland verhassten Reformauflagen verbunden sein muss. Die EU-Kommission suchte fieberhaft nach einer Lösung, bevor am Freitag ein Ultimatum der Euro-Zone abläuft.
Die griechische Regierung lehnt die bisherigen Spar- und Reformauflagen ab, riskiert ohne die weitere Unterstützung der Euro-Länder aber den Bankrott.
Während Griechenland zuerst erklärt hatte, es werde noch am Mittwoch einen „Antrag zur Verlängerung des Kreditabkommens“ einreichen, wurde später mit dem Schritt am Donnerstag gerechnet. Finanzminister Yanis Varoufakis zeigte sich am Mittwochabend zuversichtlich, dafür die Zustimmung zu erhalten. Sollte das Gesprächsklima weiter so bleiben wie im Moment, werde es am Donnerstag auf Expertenebene „einen guten Abschluss geben“. Die Euro-Gruppe dürfte dann am Freitag bei einer Telefonkonferenz ihren Segen geben, zeigte er sich überzeugt.
Weitere Stationen im griechischen Schuldendrama
Sitzung des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB). Dabei könnte eine Aufstockung und Verlängerung der Notfallhilfe für Griechenland bewilligt werden. Die griechischen Banken haben immer größere Probleme, weil Bürger des Landes ihre Konten aus Furcht vor der finanziellen Zukunft abräumen. Seit vergangenen Mittwoch können die Banken griechische Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheit für EZB-Kredite hinterlegen, um an frisches Geld zu kommen.
Das Ultimatum der Europartner für Griechenland läuft ab. Bis dahin soll Athen einen Antrag für eine sechsmonatige Verlängerung des Hilfsprogramms stellen - zusammen mit verbindlichen Zusagen.
Das bereits verlängerte Hilfsprogramm der Europäer endet. Aus dem Programm stehen noch 1,8 Milliarden Euro aus.
2,1 Milliarden Euro müssen an den IWF und 1,9 Milliarden Euro an Zinsen gezahlt werden.
Die Finanzminister der Euro-Zone kommen routinemäßig zusammen, Griechenland dürfte wieder ein Thema sein.
Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU.
Im Juni sind 2,62 Milliarden an Schulden fällig, im Juli 5,12 Milliarden und im August 3,69 Milliarden Euro. 6,68 Milliarden davon sind Schulden bei europäischen Institutionen. Insgesamt muss Athen 2015 rund 22,5 Milliarden Euro zurückzahlen.
Als zentrale Frage blieb, ob die Zusagen der Griechen den Gläubigern reichen, um dringend benötigtes frisches Geld nach Athen zu überweisen. Bis Juni muss das Land allein an den Internationalen Währungsfonds (IWF) 5,2 Milliarden Euro zurückzahlen. In Juli und August sind weitere 6,7 Milliarden Euro für Anleihen im Bestand der Europäischen Zentralbank (EZB) fällig. Ohne Hilfe der Euro-Länder sind diese Zahlungsverpflichtungen wohl nicht zu stemmen. Einem Insider zufolge geht den Griechen im dem Fall bis spätestens Ende März das Geld aus.
Schäuble sieht nur begrenzten Spielraum
Griechenland steht bei seinen Euro-Partnern und dem IWF mit 240 Milliarden Euro in der Kreide. Deutschland verbürgt Kredite von rund 53 Milliarden Euro und haftet anteilig auch für Darlehen des IWF und für die Staatsanleihen im Bestand der EZB. Bei einer Staatspleite würde ein Großteil der Garantien fällig.
Was droht Griechenland und seinen Banken?
Die EZB verleiht Geld nur an Geschäftsbanken, die als Sicherheiten Wertpapiere hinterlegen, denen Ratingagenturen gute Noten geben. Das ist bei Griechenland-Anleihen nicht der Fall. Bislang machten die Währungshüter eine Ausnahme, weil Athen ein EU-Sanierungsprogramm mit harten Reformauflagen durchlief. Diese Grundlage ist nun weggefallen: Die Regierung des linksgerichteten Ministerpräsidenten Alexis Tsipras lehnt das EU-Rettungsprogramm ab. Die EZB begründete ihre Entscheidung damit, dass man im Moment nicht davon ausgehen könne, dass Hellas sein Reformprogramm erfolgreich abschließen wird.
Ende Dezember 2014 hatten sich die griechischen Banken rund 56 Milliarden Euro bei der EZB beschafft. Davon entfielen nach Angaben der Commerzbank 47 Milliarden Euro auf kurzfristige Geschäfte, die inzwischen ausgelaufen sein dürften - und die nur wiederholt werden können, wenn die Institute andere Sicherheiten haben als griechische Staatsanleihen. Die übrigen neun Milliarden Euro steckten in Langfristgeschäften. „Das Geld muss zurückbezahlt werden, wenn es in diesem Umfang keine anderen Sicherheiten gibt“, sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.
Nein. Die Institute können vorerst bei der griechischen Zentralbank ELA-Notkredite nachfragen. Der EZB-Rat hat dafür ein Volumen von bis zu rund 60 Milliarden Euro bewilligt. Damit könnte das Refinanzierungsvolumen griechischer Banken bei der EZB vollständig in eine ELA-Finanzierung überführt werden, schreiben Ökonomen der BayernLB: „Es wäre aber nur wenig Raum vorhanden, um einen weiteren Abfluss von Einlagen zu kompensieren.“ Ein weiterer Haken für die Banken: EZB-Kredite kosten aktuell 0,05 Prozent, ELA-Notkredite 1,55 Prozent. Der Vorteil für die EZB und Europas Steuerzahler: Sie müssen nicht geradestehen, wenn die Kredite ausfallen. Das Risiko liegt bei der Zentralbank in Athen und damit beim Steuerzahler Griechenlands.
Nein. Der EZB-Rat kann diesen Geldhahn mit Zwei-Drittel-Mehrheit zudrehen. ELA darf nur an Institute vergeben werden, die zwar vorübergehende Liquiditätsengpässe haben, aber solvent sind. Das wird ohne ein Hilfsprogramm oder zumindest die begründete Erwartung, dass ein neues Programm schnell in Kraft tritt, unwahrscheinlicher. Die Experten der BayernLB sind daher überzeugt: „Sollte sich Griechenland mit seinen Gläubigern bis Ende Februar nicht zumindest auf eine Brückenfinanzierung einigen, ist damit zu rechnen, dass die EZB griechische Banken von der ELA-Finanzierung ausschließt.“
Dann dürfte den Banken sehr schnell das Geld ausgehen. „Wenn die EZB ELA abklemmt, haben die Institute keinen Zugriff mehr aus EZB-Liquidität. Das wäre der Rausschmiss, Griechenland würde die Währungsunion faktisch verlassen“, sagt Commerzbank-Experte Krämer. Daher sei die Entscheidung auch eine politische. Experten der UBS sehen das ähnlich: „In dem Moment, in dem die EZB das ELA-Fenster schließt, müssen die Verhandlungspartner entweder sofort Kompromisse finden, oder Griechenlands Banken kommen nicht mehr an Geld.“ Um einen Bankenkollaps zu verhindern, müsse Athen dann umgehend eine eigene Währung einführen: „Das wäre das Ende Griechenlands im Euroraum und könnte eine gefährliche Kettenreaktion in Gang setzen.“
Denkbar wäre, die Laufzeit der Hilfskredite zu verlängern oder den Schuldendienst vorrübergehend auszusetzen. Krämer erwartet, dass am Ende auch die Bundesregierung einem „faulen Kompromiss“ zustimmen würde: „Denn bei einem Austritt Griechenlands schlitterte das Land ins Chaos und die Bundesregierung müsste ihren Wählern erklären, dass die direkt und indirekt auf Deutschland entfallenen Hilfskredite an Griechenland in Höhe von 61 Milliarden Euro verloren wären.“
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble machte ebenfalls am Mittwoch klar, dass ihm eine Bitte nur um eine Kreditverlängerung nicht ausreichen wird. Sein Sprecher Martin Jäger erklärte, zwischen Krediten und Reformen gebe es einen „unauflösbaren Zusammenhang“. Ohnehin sei der Spielraum begrenzt, erklärte der Minister am Abend vor der Bertelsmann Stiftung. Bei dem Streit dürfe die Vertrauensbasis zueinander nicht zerstört werden. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte von allen Seiten Verlässlichkeit ein.
Jäger machte deutlich, dass Deutschland mit seiner Position keineswegs alleine stehe. Die Euro-Finanzminister hätten sich am Montag einmütig auf fünf Kriterien geeinigt, an denen sich ein Hilfsersuchen Griechenlands messen lassen müsse: So dürfen bisherige Reformen nicht zurückgedreht werden und alternative Maßnahmen nicht den Budgetrahmen sprengen. Außerdem müssen die Gläubiger weiter bedient werden. Und die Athener Regierung soll mit den Prüfern von EU, EZB und IWF zusammenarbeiten. Zudem muss das bisherige Reform- und Hilfsprogramm ordentlich beendet werden.
Europa
Schäubles Spielraum in den Gesprächen mit Athen ist tatsächlich begrenzt, denn einer Verlängerung des Programms oder sonstigen Änderungen müsste der Bundestag zustimmen. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte, Deutschland sei nicht der „Endlos-Zahlmeister“. Er empfahl der neuen Regierung in Athen: „Hemd rein, Gürtel enger schnallen. Die Zeit der Feten mit griechischem Wein ist vorbei. Jetzt wird endlich gearbeitet.“
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, er arbeite mit Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem an einer Verlängerung des bestehenden Programms, um die Zeit bis zum Sommer zu überbrücken. Bis dahin sollten die Euro-Partner in der Lage sein, sich mit der Regierung in Athen auf ein neues Reformprogramm zu einigen, sagte er gegenüber „WirtschaftsWoche“.